Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 1, Januar 2020
Einweihung des neuen alten Andreas-Gryphius-Theaters in Glogau (Glogów)
Von Dr. Martin Sprungala
Bereits kurz nach seiner Wahl zum Glogauer Stadtpräsidenten im Jahr 2014 hatte Rafael Rokaszewicz dem Vorstand des Glogauer Heimatbundes (GHB) mitgeteilt, dass er plane, das seit 1945 zerstörte alte Glogauer Stadttheater wieder aufzubauen. Der Vorstand sagte dabei seine Unterstützung zu und stellte auch alle Foto des alten Gebäudes aus seinem Archiv zur Verfügung, damit man die Neuplanung an das alte Original anlehnen konnte, vor allem in Bezug auf die Andreas Gryphius Portraitbüste über dem Eingang.
Nachdem die Bauplanung und Finanzierung gesichert waren, immerhin beliefen sich die Gesamtkosten auf etwa 20 Millionen Zloty, ging das Projekt rasch voran – wir haben Sie im Neuen Glogauer Anzeiger stets über den Baufortschritt informiert. Im Juli 2017 wurde mit den Bauarbeiten begonnen, doch der ursprünglich anvisierte Fertigstellungstermin März 2019 konnte nicht gehalten werden.
Im Herbst 2019 sollte es dann soweit sein. Noch vor Erreichen einer offiziellen Einladung an den Vorstand erfuhr Hfrd. Kinzel von der Fertigstellung des Baus und fuhr kurz entschlossen nach Glogau (Glogów). Er bat über Antoni Bok um einen Termin beim Stadtpräsidenten, um die Einbindung des Glogauer Heimatbundes und seiner Vorstandsmitglieder in die Einweihungsfeierlichkeiten abzustimmen.
Am 22. November 2019 sollte die Einweihung mit der Aufführung des Theaterstücks „Piast“ von Andreas Gryphius (1616-1664), das vor ein paar Jahren ins Polnische übersetzt worden war, eröffnet werden. Regie führte Robert Czechowski (*1960) und inszeniert wurde das Stück des Theaterpatrons vom Lubuski-Theater aus Grünberg (Zielona Góra) mit den in Niederschlesien bekannten Schauspielern Jan Peszek und Jan Szurmiej. Das neue Theater fasst 300 Plätze, also etwas weniger als das Original.
Die Außenfassade des Theaters sollte dabei rekonstruiert und die noch erhaltene historische Bausubstanz in den Neubau integriert werden. Gerade die vorderen Eingangssäulen blieben unverändert und erinnern an die Zerstörung der Stadt Glogau im Jahr 1945. An den originalen Säulen erkennt man noch deutlich Einschusslöcher der Kämpfe um die zur Festung erklärten Stadt.
Das ursprüngliche Theater wurde in den Jahren 1798 bis 1799 in klassizistischer Form erbaut. Der Entwurf stammt vom in Potsdam geborenen und ausgebildeten Architekten Johann Christian Valentin Schultze (1748-1831). Die damalige Eröffnungsfeier fand am 15. November 1799 statt, weshalb man auch in diesem Jahr die Wiedergeburt zeitnah an dem damaligen Termin plante. 1799 wurde als erstes ein Stück des damals bekannten Dramatikers, Schauspielers und Intendanten August Wilhelm Iffland (1759-1814) – eines gebürtigen Hannoveraners – aufgeführt. Die allen bekannte Büste des berühmtesten Sohnes der Stadt wurde u. a auf Initiative Karl von Holtei’s erst am 200. Todestag des Dichters Gryphius am 16. Juli 1864 angebracht. Bildhauer war Hermann Michaelis aus Breslau.
Dr. Sprungala reiste bereits am 20. November von Dortmund aus an und wohnte bei einem Freund in Fraustadt (Wschowa). Hfrd. Kinzel reiste mit seiner Frau am folgenden Tag an.
Mit der Betreuung der Gäste aus Deutschland war Antoni Bok anstelle des erkrankten Cezary Mlynczak beauftragt, dem wir von dieser Stelle eine rasche Genesung wünschen. Mit ihm trafen wir uns am Morgen des 22. November zur Besprechung des abendlichen Ablaufs. Neben den Vorstandsmitgliedern waren anwesend Adelheid Martin-Siegmeth, Leiterin der GHB-Bezirksgruppe Franken, mein Gastgeber Andrzej Szczudlo und vom Glogauer Geschichtsverein TZG der Vorsitzende Zbigniew Mazurek, Antoni Bok und Wieslaw Maciuszczak.
Anschließend besuchte ich mit meinem Gastgeber den Vorsitzenden des Geschichtsvereins der Freunde von Slawa, Alfred Rösler in Rädchen (Radzyn). Er berichtete uns über die Feierlichkeiten anlässlich der Einweihung der drei Gedenksteine in Bänisch Vorwerk (Gemeinde Pürschkau), Neuvorwerk (Gemeinde Alt Strunz/Deutscheck) und Friedendorf (Spokojna) – heute alle Gemeinde Schlawa (Slawa). Die dreisprachig – deutsch, hebräisch, polnisch – gestalteten Texttafeln erinnern an die beiden Außenlager des Konzentrationslagers Groß Rosen (Rogoznica, Kreis Schweidnitz) und die ersten Morde nach deren Evakuierung Ende Januar 1945 auf dem Verschleppungsmarsch, der bis ins Vogtland führte. Direkt nach dem Gespräch suchten wir die genannten Orte persönlich auf.
Am Abend erreichte ich um 18 Uhr das bereits nächtliche Glogau (Glogów) und begab mich zum Stadttheater, das noch im Dunklen lag. Vor dem Eingang war der Platz abgesperrt, zwei Mülleimer brannten, auch zwei Autowracks u. a. Gegenstände waren hier zu sehen. Erst konnte man meinen, es sei hier eine Demonstration gewesen, doch die vielen Polizisten und wenigen weiteren Personen zeigten, dass dem nicht so war. Es erwies sich später alles als Teil der Theateraufführung.
Inzwischen trafen die Mitglieder des Glogauer Heimatbundes ein, u.a. Frau Martin-Siegmeth, Hfrd. Kinzel mit Ehefrau und Dr. Klaus Schneider mit seinem Bruder. Um 18:40 Uhr fuhr dann mit Musik ein Gerüst mit weiß verhüllten Personen vor – es waren einige der Schauspieler. Dann trafen mit martialischem Auftreten drei Motorräder, zwei mit Beiwagen und Maschinengewehr ein. Auch sie gehörten zum Theaterensemble.
Erst jetzt wurde die Absperrung aufgehoben und unter Applaus die festliche Beleuchtung der Außenfassade angestellt. Die inzwischen zahlreich anwesenden Theaterbesucher strömten nun in die Vorhalle, wo man an der Garderobe seinen Mantel abgeben konnte. An der Treppe hinauf zu den Publikumsplätzen standen der Stadtpräsident Rokaszewicz mit Ehefrau und weiteren Honoratioren, die persönlich die anwesenden Zuschauer begrüßten. Die Mitglieder des GHB schlossen sich diesem Defilee an, erfragten bei den Mitarbeitern, wo sich unsere Plätze befanden und begaben uns dann zum oberen Balkon, wo wir Platz nahmen.
Um 19 Uhr begann dann das farbenfroh, lichtdurchflutete und mit etwa 30 meist weiblichen jungen Komparsen dargebotene Schauspiel „Piast“. Der Fürst, der Piast, wurde von einem älteren Schauspieler dargestellt, der auf einem riesigen weißen Pferd aus Pappmaché saß. Weitere künstlerische Mittel waren Musik- und Toneinspielungen, Rauch, Licht durch gleißend helle Scheinwerfer und Bilddarstellungen auf den Monitoren.
Es war eine bunte und moderne Darbietung. Nach einer Stunde goutierte das Publikum den Schauspielern ihre Referenz mit Applaus.
Es folgte nun die Feierstunde zur Eröffnung des neuen Andreas-Gryphius-Theaters (Teatr im. Andreasa Gryphiusa). Die Bühne wurde geräumt und der Stadtpräsident Rokaszewicz hielt seine Eröffnungsansprache. Anschließend verlieh er zahlreiche Erinnerungs- und Dankesgeschenke in Form einer 20 cm großen und 1,3 kg schweren bronzenen Gryphius- Portraitbüste auf einem kleinen Sockel mit Inschrift. Geehrt wurden Vertreter aus Politik und Kultur der Wojewodschaft Niederschlesien, später auch die deutschen Ehrengäste des GHB.
Zum Abschluss bat der Stadtpräsident den Vorsitzenden des Glogauer Heimatbundes, Dr. Martin Sprungala, und den 1. stellvertretenden Vorsitzenden Hfrd. Thomas Kinzel auf die Bühne. Der GHB hat vor vielen Jahren die Andreas-Gryphius-Medaille gestiftet, mit der heute zwei verdiente Vertreter der deutsch-polnischen Versöhnungs- und Zusammenarbeit geehrt werden sollten.
Die Laudatio hielt Hfrd. Kinzel, übersetzt am Mikrofon von Antoni Bok. Geehrt wurden Dr. Klaus Schneider für seine Verdienste um Glogau (Glogów) und der Stadtpräsident Rafael Rokaszewicz. Der Vorsitzende Dr. Sprungala überreichte die Gryphius-Medaillen in Gold mit dazugehörigen Urkunden unter dem frenetischen Applaus des Publikums. Anschließend hielt Dr. Schneider eine ad hoc-Dankesansprache, denn die Preisverleihung bei ihm verbunden mit der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft im Glogauer Heimatbund, war vom Vorstand als Überraschung gedacht.
Als Dr. Schneider die ersten Worte sprach, toste der Applaus, da er seine Rede auf polnisch hielt, denn er hat nach seinem ersten Besuch seiner Geburtsstadt nach dem Krieg aus dem Grunde der (Völker-)Verständigung die polnische Sprache erlernt. Er übereichte dem Stadtpräsidenten einige Faksimile von Theaterpublikationen aus deutscher Zeit.
Auch Hfrd. Kinzel sprach noch einige persönliche Worte, ehe der Stadtpräsident Rokaszewicz die Feierstunde beendete und die Anwesenden zu einem Sektempfang mit Imbiss ins Foyer einlud. Hier wurde ich mehrfach von deutsch- bzw. englischsprachigen Besuchern angesprochen, die die Arbeit und das Engagement des Glogauer Heimatbundes für die gemeinsame Heimat und die Völkerverständigung lobten. Gegen 22 Uhr löste sich die Gesellschaft nach und nach auf und wir Vertreter des GHB konnten ein überaus positives Resümee ziehen.
Den folgenden Tag nutzten wir jeder für sich noch für weitere Begegnungen mit den Menschen und der Region in den Glogauer Heimatgebieten, ehe wir die Fahrt zurück nach Deutschland antraten.