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Ein
Bach durchfloss von Ewigkeit zu Ewigkeit unser Dorf. Für Mensch und
Tier und alle Lebewesen in der Natur war das klare Wasser
lebensnotwendig. Aber auch im Wasser lebte es. Besinnlich kann man
doch den nimmermüden Wellen nachschauen, dem immerwährenden Rhythmus
der Natur.
Von alters her wurde das Wasser aber auch nutzbringend in das
Wirtschaftsleben eingeschaltet und zur Zwangsarbeit verurteilt. Erst
mit Beginn des 20. Jahrhunderts lockerte sich der Dienst zum
Mühlenantrieb. Mit dem Verlassen des Dorfes Suckau hatte der Bach
bereits neun Mühlen und eine Brettschneide in Beiseritz angetrieben.
In Stauteichen und Dämmen konnte das Wasser neue Kraft sammeln. In
Ober Lindau vereinigte es sich mit dem Weißfurt, aber jetzt mussten
schon größere Mühlen angetrieben werden. Bei Költsch mündete der
Weißfurt schließlich in die Oder. Das Wasser wurde größer und auch
die Mühlen leistungsfähiger. Selbst drei große Mühlen schlossen sich
in Neusalz zu den „Vereinigten Mühlen-Werken A. Gr. U" zusammen.
Auf dem Landweg gelangten wir aber schneller zur Oder. Über die
Ausläufer der Dalkauer Berge, Milkau - Dreidorf waren es nur neun
Kilometer bis Beuthen. Hier in nordöstlicher Richtung bot sich uns
eine andere Landschaft, abwechslungsreich. Aber es war doch nur ein
Teil des verschiedenartigen Schlesierlandes. Vom Boden geprägt
zeigte sich nach jeder Richtung der Stadt ein anderes Bild. Oberhalb
der Stadt lag in geschützter Lage der vornehmliche Versorgungsgarten
für die Industriestadt Neusalz. Gemüsefelder und Obstplantagen
dehnten sich hier aus. Hinter Zäunen reiften herrliche Pfirsiche!
Von Beuthen bis Glogau - zwischen den Dalkauer Höhen der Oder -
erstreckt sich eine überaus fruchtbare Gegend. Große Bauernhöfe und
Güter beherrschen die Dörfer. Unterhalb der Stadt ist Sandboden,
ebene Felder und größere Waldstücke; nach der Oder hin Eichen, die
jenseits des Stromes gewaltiger werden. Dort liegen oberhalb
fürstliche Güter mit allerschwerstem Boden. Darüber hinaus
erstrecken sich die unendlich scheinenden Forsten des Fürsten von
Carolath, das Schloss unterhalb am Flussufer. Nach dieser Sicht
durchstreifen wir das alte Städtchen. Einst die Festung Bytom.
Alljährlich viermal fand hier ein lebhafter Viehmarkt statt. Dieser
brachte der Stadt den Beinamen „Kuh" Beuthen ein.
Eine lange, hochgelegene Brücke führte an der darunterliegenden
Odermühle vorbei. Brücken verbinden - auch hier eine wirtschaftliche
Verbindung von größter Bedeutung. Auf fruchtbaren Wiesen unterhalb
der langen Brücke stand von Stickstoff geschrieben der Name des
Landhändlers. Diese Straße wurde zu Ausflügen benutzt zur Carolather
Fliederblüte und weiter zum Schlesischen Meer durch die Heide,
vorbei an Walddörfern. Dahinter erblickte man schon die Pfähle der
Grenzmarkierung. .
Aber gehen wir wieder zurück zu der schlesischen Lebensader, auf ihr
herrscht
Hochbetrieb. Große Schleppkähne bringen vielseitige Frachten.
Vornehmlich die Produkte des Oberschlesischen Industriegebietes,
aber auch Holzflöße und Personendampfer. Schon von Ferne ertönen die
dumpfen Sirenen. Schlepper bringen im Geleitzug leere Lastkähne
stromaufwärts. Aber auch kleine Boote verschiedener Art. Fischer
gehen ihrem Beruf nach. Es ist bedauerlich, dass ich nicht einmal
mit einem Oderdampfer gefahren bin. Nur ein Kahn brachte mich 1945
auf dem Heimweg über den Fluss.
Erinnerlich bleibt auch das Trachtenfest der Zwanziger Jahre. Alle
erdenklich historischen Persönlichkeiten zeigten
sich im Umzug. Die Brücke zitterte unter der Last. Selbst der Alte
Fritz fehlte nicht! (In dem benachbarten Friedrichslager hatte er
einst sein Quartier aufgeschlagen.) Auf einer Freilichtbühne im
Oderwald unter gewaltigen Eichen wurde „Die Glocke im Walde"
aufgeführt. Anschließend - bei beginnender Dunkelheit - ertönte aus
dem Sprachrohr: „In zehn Minuten großes Kunstfeuerwerk an der Oder!"
Später waren es die Johannesfeuer, die in den Dreißiger Jahren auf
den Höhen längs des Oderufers loderten. Grausame Feuerwerke von 1945
bedeuteten ein Teil der furchtbaren Erinnerungen für diejenigen, die
es erleben mussten.
Aber in angenehmer Erinnerung bleiben Ausflüge und Tanzvergnügen in
dieser herrlichen Gegend für die einst junge Generation. Denn in
einem Oderstädtchen, da wohnte einst ein Mädchen ... Aber die jungen
Leute sind alt geworden oder schon vergangen. Gleich Nachtwandlern
gehen sie noch einmal die Straßen und Orte einer unvergessenen
Heimat.
>Die Oder bei Glogau mit Blick auf den Dom<
Der
alte liebe Oderstrom
Kein
Fluss kann je mir rauschen
wie
eint der Oderstrom.
In
seinen Wassern spiegelt
noch
heute sich der Dom.
Kein
Fluss lebt mir in Träumen
so
reich, so wunderbar
wie
er, der in der Jugend
mir
stets Begleiter war:
Er
schließt in seinen Fluten
der
Heimat Leben ein:
den
Eisgang tief im Wasser;
des
Sommers Blütenschein.
Tagtäglich
strömen die Wasser.
Er
bleibt doch, was er ist!
Wie
unser kleines Schicksal
darüber
sich vergisst!
Er
gilt mehr als mein Leben!
Und
schaue ich zur Nacht
ins
dunkel, fern der Heimat:
Er
ist es, der mir lacht.
Otto
Nisch
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