Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 9, September 2019


Der Mai des Herbstes

 

 




Nun schüttet der September wieder das Füllhorn seines Segens über uns aus. Er ist der Monat, der zum Teil noch dem Sommer, zum anderen Teil bereits dem Herbst angehört, und das gibt ihm einen besonderen Reiz. Der September ist der Mai des Herbstes, hat ein Dichter einmal gesagt, und er hat damit das Wesen dieses Monats gut gekennzeichnet. Blaue Septembertage mit ihrem leichten Dunst über der Landschaft gehörten zum Schönsten was uns die heimatliche Natur im Wandel des Jahres zu bieten vermochte. Noch einmal blühten die Veilchen, und ihr Duft erfüllte die Gärten wie einst im erwachenden Lenz. Mancher gefiederte Sänger der den Sommer über geschwiegen hatte, meldete sich nun wieder, wenn auch leiser und schüchterner. Wie schön war es in diesen Wochen in unserer Heimat. Heiße Tage mit wundersamen, nebelfrischen Morgenstunden waren das Kennzeichen des Septembers. Die Sonne musste manchmal lange kämpfen, ehe es ihr gelang, den morgendlichen Schleier zu durchbrechen. War es ihr aber geglückt, dann funkelte und glänzte alles ringsumher und die Berge standen in einem zauberhaften matten Blau. Noch trug der Wald sein grünes Sommerkleid, und nur da und dort hatte der Herbst seine ersten bunten Tupfer auf einen Baum oder einen Strauch gesetzt. Stare und Schwalben versammelten sich freilich schon und rüsteten für die große Reise nach dem Süden. Den ganzen Tag war die Luft von dem munteren Lärm ihrer Stimmen erfüllt. In den Gärten waren indessen die schönsten Früchte herangereift und immer neue Erntefreuden erwarteten uns. Blaupflanzen, Birnen, Pfirsiche, Aprikosen, Äpfel und Kürbisse lachten uns an und wollten geborgen sein. Das größte Ereignis des Monats aber war die Kartoffelernte. Da wurde gehackt, gewühlt und „geklaubt". Körbe und Säcke füllten sich, und beladen bis zum Rand, fuhren die Wagen in die Höfe ein, während auf den weiten Feldern die Kartoffelfeuer lustig flackerten und schwelten und mit ihrem Rauch das ganze Land einnebelten. Hütejungen hockten an den Flammen und brieten sich Kartoffeln, die, im offenen Feuer geröstet, prächtig schmeckten. Da und dort sah man schon Papierdrachen in den blauen Himmel aufsteigen, in den Wäldern aber wimmelte es jetzt von Pilzen. Die schönsten Sorten fand man überall. So gab es Freuden über Freuden und der Segen häufte sich in Haus und Keller. Auch das zweite Heu, das Grummet, wurde jetzt eingebracht. Köstlich duftete es auf den Wiesen, wo sich die ersten Herbstzeitlosen zeigten, während in den Gärten Aster und Dahlien ihre  ganze Farbenpracht entfalteten.




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