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>ol: Bahnhof, or: Dorfstrasse, ul: Kriegerdenkmal, ur: Kirche<
Kuttlau
mit Kolonie Neukranz, Vorwerk Schuhmacherhof, Gaststätte Zeiskekrug,
Gut Neuhof und der Butterberg
Kuttlau, ein Marktflecken des nördlichen Kreisteiles Glogau, zählte
1945 etwa 1500 Einwohner und war ein langgestrecktes Bauerndorf an
der Bahnstrecke Glogau — Schlawa, zwischen dem östlich gelegenen
„Stadtforst" und der westlich gelegenen Carolather Heide. Es ist
alter Kulturboden mit wichtigen wandalischen Grabfunden.
Beachtenswert ist das Sühnekreuz in der Friedhofsmauer. Der als
„Weinberg" benannte Hügel ist slawischen Ursprungs. Der Name des
Ortes wird hergeleitet von Kotl = Kessel, 1318 Codla, 1399 Kottla.
Kuttlau gehörte zum Archipresbyteriat Glogau, dem 26 Pfarreien
angehörten. Unter den Gemeinden im Kreise Glogau stand Kuttlau
hinsichtlich seiner Einwohnerzahl an dritter Stelle hinter
Lerchenberg (Zerbau) und Oberquell (Quaritz).
Für den Ort war der landwirtschaftliche Charakter bestimmend. Das
Rittergut Kuttlau, später staatliche Domäne, gehörte zuletzt dem
Oberamtmann Franz Klawiter. Zu dem Rittergut gehörten auch die
Vorwerke Schuhmacherhof und Neukranz, insgesamt 3000 Morgen groß.
Von weiteren Gütern sind zu nennen: Gut Oberhof (500 Morgen), Gut
Neuhof (400 Morgen). Neben den vielen ansässigen Landwirten war aber
auch Handel, Handwerk und Gewerbe gut vertreten, die Industrie durch
eine Brennerei, eine Ziegelei, ein Sägewerk und eine Dampfmühle.
Kuttlau hatte sechs Gaststätten mit zwei großen und zwei kleinen
Sälen, zwei Fleischereien, drei Bäckereien, drei
Kolonialwarengeschäfte, einen Bauunternehmer, eine Gärtnerei, ein
Schuhgeschäft, zwei Schreinerwerkstätten, Frisör und Drogerie,
Sattler und Korbmacher, zwei Schmiede, Schlossereien und
Fahrradhandlungen, drei Schuhmacher, mehrere Schneider und
Schneiderinnen. Ferner übten ein prakt. Arzt, zwei Dentisten und ein
Tierarzt hier ihre Praxis aus. Neben dem Bahnhof, der etwas abseits
lag, hatte Kuttlau auch ein Postamt.
1678 erwarb der Kaiserliche Hofkriegsrat Freiherr von Neydinger das
Gut Kuttlau und erhielt vom Kaiser die Erlaubnis, drei Ross- und
Viehmärkte daselbst abzuhalten. Es kam deswegen zu einem Streit mit
der Kreisstadt Glogau, die den Glogauer Handwerkern und
Handelsleuten den Besuch des Kuttlauer Jahrmarktes untersagte. Im
Siebenjährigen Kriege hatten die Russen 1759 bei Kuttlau ein Lager
errichtet. Durch die Plünderungen und Requisitionen hatten die
Bewohner Kuttlaus viel zu leiden. Am 8. Mai 1893 verursachte ein
Schadenfeuer in der Gemeinde großen Schaden. Es brannten die Lauben
in der Mitte des Ortes, und sechs Besitzungen wurden ein Raub der
Flammen. Noch verheerender wütete ein Schadenfeuer am 25. April
1899, das 42 Gebäude in Asche legte. Die Einwohnerzahl von Kuttlau
betrug 1756 = 890, 1845 = 1533, 1858 = 1675, 1890 = 1502, 1910 =
1502, 1936 = 1531 und 1943 = 1448 Personen.
Die Gemeindeverwaltung setzte sich 1943 wie folgt zusammen:
Bürgermeister: Bauer Wilhelm Welack
Beigeordnete: Kaufmann Konrad Holzapfel, Bauer Bruno Kliche,
Bauführer Paul Woitschitzke
Gemeinderäte: Tierarzt Dr. Engelbert Bonn, Landwirt Franz
Klawiter, Bauer Erich Pätzold, Bauer Otto Schulz, Arbeiter Richard
Simmank, Betriebsleiter Paul Homuth
Kassenwalter: Sattlermeister Alwin Kinzel
Schiedsmann: Bauer Emil Schulz
Standesamt: Kaufmann Konrad Holzapfel
Amtsvorsteher: Buchdruckmeister Adolf Lange
Kirchen: Evangelische, Pfarrer Walter Brachmann; Katholische,
Pfarrer Robert Lorke
Lehrer an der Schule waren: Max Menzel, Frl. Käthe Prohl und
Frl. Ursula Knappe
Vereine im Ort: Kriegerkameradschaft, Schützengilde,
Gesangverein, Radfahrerverein „Albatros" und Sportverein „Wacker"
Ein Gang durch Kuttlau
Wenn man von Glogau aus über die Ostlandbrücke die Straße nach
Schlesiersee entlang kam, grüßte schon aus weiter Ferne unser liebes
Kuttlau herüber. An der Anhöhe des Odertales gelegen, waren die
beiden Türme weithin sichtbar. Am Anfang des Ortes rechter Hand der
Weinberg, er hieß so, weil dort früher Wein angebaut wurde, der aber
saurer war als der Grünberger und darum ist keiner mehr angebaut
worden. Gegenüber lag der Butterberg, so genannt, weil er schönen
buttergelben Sand lieferte, der sicherlich früher bei
Oderüberschwemmungen dort angespült wurde. Auch prähistorische
Funde, Urnen und Streitäxte, wurden dort gemacht. Hier ist auch die
Zementwarenfabrik entstanden.
Nun wandern wir weiter, beim Gasthaus Kothe zweigte ein Strässlein
ab, welches zum „Thum" führte; warum dieser Teil des Oberdorfes so
hieß, weiß ich nicht. Vorbei an Deutschmanns Gut kommen wir zum
Marktplatz. Hüben und drüben längs der Straße breite Grasflächen, wo
bei Jahrmärkten die vielen Buden aufgebaut wurden.
Bis etwa 1900 war der Markt sehr gut besucht; 14-15 Schusterbuden
standen da, die Langenbielauer kamen mit Textilwaren, die
Pfefferküchler mit ihren Zuckerpüppchen, Bauerbissen und
Pflastersteinen. Auch ein Karussell und eine Luftschaukel waren
anwesend; da hatte man nun als Kind 2 Böhm (0,20 DM) in der Tasche,
für 2 Pf konnte man einmal Karussell auf der Bank fahren, für einen
Sechser auf dem Pferd, da blieb nicht mehr viel für ein
Pfefferkuchenmändel übrig.
Nun gehen wir weiter, vorbei am Kriegerdenkmal. Der Adler streckte
seine Flügel auch über die angebauten Teile mit den Namen der
Gefallenen des ersten Weltkrieges. Nun begann das sogenannte
Geschäftsviertel. Kuttlau hatte fünf Gasthäuser mit zwei großen und
zwei kleinen Sälen, zwei Fleischereien, drei Bäckereien, drei
Kolonialwarengeschäfte, einen Bauunternehmer, ein Schuhgeschäft, ein
Elektrogeschäft, zwei Schreinerwerkstätten, Friseur und Drogerie,
Sattler und Korbmacher, zwei Schmiede, Schlossereien und
Fahrradhandlungen, drei Schuhmacher, mehrere Schneider und
Schneiderinnen, eine Gärtnerei, eine Ziegelei, eine Brennerei und
eine Dampfmühle. Ferner übten ein prakt. Arzt, zwei Dentisten und
ein Tierarzt ihre Praxis aus. Windmühlen gab es noch drei,
Josefs-Mühle, Kaminiarz- und Lange-Kurts-Mühle, letztere war als
Motormühle umgebaut.
Das Vorwerk Schuhmacherhof gehörte zur Domäne Kuttlau. Neukranz war
ein kleiner Ort zwischen Langemark und Kuttlau, zur Gemeinde Kuttlau
gehörend. Der Zeiskekrug war ein einsames Gasthaus (Zeiske) an der
Schlawaer Straße, der frühere Besitzer hieß Zeiske-Röhr. Auch der
Neuhof lag einsam an dieser Straße und gehörte zu Kuttlau. Nun sind
wir auf unserer Wanderung bis zur katholischen Kirche gekommen. Eine
dicke von Feldsteinen gebaute Mauer umgab die Kirche wie eine
Festungsmauer, darauf das Sühnekreuz mit der eingemeißelten Axt. Nun
kam noch die katholische Schule und dann begann das Niederende des
Dorfes, welches vom Dominium Kuttlau, beschlossen wurde. Dahinter
kam noch ein kleiner Dorfteil, die Raschine, die Ziegelei und etwas
rechts waren die Mühlhäuser. Originell war, dass das Niederdorf mit
dem Schloss höher lag als das Oberdorf. Der Bahnhof lag etwas
abseits. Die evangelische Kirche mit Schul- und Pfarrhaus stand auf
der Adelheidshöhe und war eine Stiftung einer Fürstin Adelheid von
Carrolath, ganz in der Nähe stand auch die Post. Kirchturm, Schule
und Pfarrhaus sollen 1945 vernichtet, die schöne Orgel ausgebaut und
nach Warschau transportiert worden sein. Wie mag der Friedhof
aussehen? Die Leichenhalle war früher die Gruft der Schlossbewohner
Frank-Lindheim. Um 1900 hat es in der Gruft „gespukt". Niemand blieb
bis abends dort in der Nähe, denn dann klapperte und polterte es
unheimlich. Beherzte Männer untersuchten die Sache und siehe, eine
Eule war durch ein zerbrochenes Fenster hineingeraten und wollte
nachts gern heraus.
Nun noch eine Geschichte von unserem Friedhof. Einst hatte der
Totengräber bei großer Hitze ein Grab ausgehoben. Da er müde
geworden war, nahm er seine Jacke unter den Kopf, legte sich ins
kühle Grab und schlief ein; seine Frau wartete mit dem Mittagessen.
Weil er nicht heim kam, suche sie ihn und fing an zu schimpfen,
verschlafen richtete er sich auf und stöhnte: „Nich amal im Grabe
hat ma Ruhe vor Dir.“
Das Sühnekreuz von Kuttlau
In der steinernen Kirchhofsmauer ist ein altes, verwittertes
Steinkreuz eingesetzt. Wenn man genau hinsieht, erkennt man die
eingehauenen Umrisse einer Axt. Der greise Totengräber erzählte uns
davon folgende Geschichte:
„Vor mehreren hundert Jahren arbeiteten einmal zwei junge
Zimmerleute am Kirchturme, der eine hoch oben am Glockenfenster, der
andere trug am Fuße des Turmes Bretter zusammen. Sie sprachen nicht
miteinander. Sie hatten schweren Streit, denn sie liebten beide
dasselbe Mädchen. Plötzlich fasste den einen, der oben am
Glockenstuhle stand, die Wut. Er schleuderte die Axt nach seinem
Mitarbeiter und traf ihn so unglücklich am Kopf, dass dieser tot
niedersank. Als Sühne für seine unbedachte Tat musste er das
Sühnekreuz setzen und wurde außerdem hart bestraft. Viele hundert
Jahre steht das Sühnekreuz nun schon und erinnert an die einstige
Übeltat. Es ist gut, dass solche Zeichen aus früherer Zeit erhalten
bleiben. Ihr Kinder dürft es nicht beschädigen, daran herumkratzen
oder gar mit Steinen danach werfen. Es soll euch immer daran
erinnern, dass man sich nie vom Zorn zu üblen Taten hinreißen lassen
darf. ′Von allem, was du tust, bedenke das Ende!‘“
So sprach der alte Totengräber. Wir Kinder betrachteten jetzt das
alte Steinkreuz und die eingehauene Axt mit ganz anderen Augen und
freuten uns, wieder etwas Neues von unserer Heimat erfahren zu
haben.
Was man sich für Spukgeschichten in Kuttlau erzählt (e)
Namentlich in der guten alten Zeit leisteten unsere Vorfahren auf
dem Gebiet der Volkssagen mit dichtender Phantasie Großes. Wenn am
Feierabend jung und alt sich in der Bauern- oder Gesindestube, am
Biertisch oder am Spinnrocken zusammenfand, dann wurden mit
besonderer Vorliebe die Erzeugnisse der eigenen Phantasie zum besten
gegeben. Andächtig lauschten die Jungen den Alten halb gläubig, halb
zweifelnd; diese aber waren voll Ehrfurcht vor dem, was sie schon
von ihren Vätern und Großvätern erlauscht und behalten hatten. (...) |
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