Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 7, Juli 2019

 

Erinnerungen an das Heimatdorf Kosel










Das Dorf liegt am Rande der umfangreichen Bruchlandschaft, die sich bis nach Primkenau hinzieht. Ein Teil derselben war Siedlungsgebiet. Der Name des Ortes ist abgeleitet von einem Tier, von konziol = Bock. Kosel gehörte 1383 zum herzoglich-glogauischen Anteil unter den Herzögen von Teschen. 1905 wurden hier bemerkenswerte Urnenfunde registriert. Der Ort hatte 1943 412 Einwohner mit einer Feldmark von 846 ha. Er war 20 km von Glogau entfernt. Bahnstationen waren Klopschen und Oberquell der Strecke Glogau — Sagan.

Die Gemeindevertretung setzte sich 1943 wie folgt zusammen:

Bürgermeister: Landwirt Ernst Jäckel

Beigeordnete: Bauer Adolf Petruschke, Bauer Hermann Kahl

Gemeinderäte: Forstarbeiter Paul Hitzer, Bauer Alfred Nerlich, Bauer Otto Hoffmann

Kassenwalter: Bauer Alfred Hansel

Schiedsmann: Kaufmann Scheibel in Oberquell

Amtsvorsteher: Bauer Max Müller in Klopschen

Lehrer der Schule war Erich Girnth. Besitzerin des Dominiums war die Schlesische Landgesellschaft mbH. Elisabeth Rose und Alma Nerlich betrieben die beiden Gaststätten im Ort.

Im Rahmen einer Schlesienfahrt 1981 im eigenen Auto besuchten Anneliese Schmidt, Manfred Lange und Dieter Nerlich ihren Heimatort Kosel. Darüber berichtet Anneliese Schmidt wie folgt: Krummhübel im Riesengebirge war unser Standquartier. Von hier fuhren wir über Hirschberg, Jannowitz, Schönau, Goldberg, Haynau, Kotzenau, Primkenau, Buchendamm, Wiesau und Klopschen nach Kosel. Wir kamen also von Klopschen nach Kosel und fuhren ganz langsam durch den Ort bis zur Wirtschaft von Petruschke. Hier wohnt der Bürgermeister, ein sehr zugänglicher Mann. Er konnte es verstehen, dass wir unsere Heimat wiedersehen wollten. Die Verständigung war schlecht, deshalb wollte er für einen geplanten weiteren Besuch einige Tage später einen Dolmetscher besorgen.
Bei Petruschke stehen noch die Zucker-, Salz- und Mehlgefäße auf dem Ofenrand. Alte Möbel waren nicht mehr vorhanden. Sie wurden bereits geplündert, bevor die Polen im Dezember 1945 hier einzogen. Der Bürgermeister führte uns in seine „gute Stube", und seine Frau brachte Wurst, Brot und Wodka. Wir gingen dann durch das Dorf zum Friedhof. Neben dem alten deutschen Friedhof haben die Polen einen neuen angelegt. Unser deutscher Friedhof ist zur Wildnis geworden. Wir fanden aber das Grab meiner Großmutter — der Grabstein lag um, war vermoost und mit Efeu bewachsen — und auch das Grab meines Vaters. Dagegen konnten Manfred Lange und Dieter Nerlich die Grabsteine ihrer Angehörigen nicht mehr finden.
Nach dem Besuch des Friedhofs gingen wir die „kleine Seite" hinunter. Manfred Lange durfte in sein Elternhaus. Der Küchenofen war noch vorhanden, alles andere aber verschwunden. Wir gingen dann auf die andere Seite der Straße und freuten uns ganz besonders über das Storchennest auf dem Scheunendach der Wirtschaft von Gerhard Nerlich — wie vor 36 Jahren. Das Kriegerdenkmal steht nicht mehr. Ebenso ist die große Linde am Rande des Schulhofes verschwunden. Das Schulhaus, mein Geburtshaus, ist heute ein Gasthaus. Das Schloss ist eine Ruine.
Aber die Bäume, auf denen wir herumgeklettert sind, stehen alle noch. Der Zaun des Parks ist nicht mehr vorhanden. Das Haus, in dem die Hitzer Martel gewohnt hat, steht noch. Ebenso die Stallungen und Scheunen auf dem Gutshof. Mir wurde leider der Eintritt in mein Elternhaus verwehrt. Obwohl Türen und Fenster neu sind und zum Teil versetzt wurden, sieht es schlimm aus.
Beim Haus von Gastwirt Rose stand die Tür offen, so dass ich hineinschauen konnte. Im Treppenhaus steht noch ein alter Schrank. Die Mauer gegenüber dem Grundstück Rose ist noch vorhanden. Es war mein Stammplatz, von dem aus ich alles übersehen konnte. Zwischen unserem Haus und denen von Gülden, Hampel und Reimann wurde eine Mauer gezogen. Von den schönen Kastanien bei Gastwirt Nerlich war nur noch eine stehen geblieben. Wir gingen dann weiter zum Haus von Dieter Nerlich und durften auf den Hof. Hier waren aber nur die Großeltern und Enkel anwesend, so dass eine Verständigung kaum möglich war. Die Mutter und die Großmutter von Dieter Nerlich hatten im Ausgedinge Papiere vergraben, an denen wir interessiert waren. Das Haus aber stand nicht mehr. Wir vereinbarten einen neuen Termin für den übernächsten Tag. Über den „Tempel" gingen wir dann zum Bürgermeister zurück, der uns zum Essen einlud. Dann fuhren wir über Quaritz nach Neugabel. Die Straße war sehr schlecht, wir fuhren deshalb über Heidevorwerk zurück. In Neuhof trafen wir die Anna, eine Deutsche, die mit ihrer Familie dort geblieben war und für Polen optiert hat, weil sie glaubte, dass es so schlimm nicht werden könnte. Sie bereut es aber heute sehr. Wir baten sie am übernächsten Tag mit nach Kosel zu kommen, um als Dolmetscherin zur Verfügung zu stehen. Am Abend fuhren wir nach Krummhübel zurück.
Am übernächsten Tag also fuhren wir noch einmal nach Kosel, um den jetzigen Hausherren im Hause von Dieter Nerlich zu sprechen. Mit Unterstützung der Anna war die Verständigung diesmal besser. Sie fragte nach den Papieren der früheren Eigentümer, und der jetzige Bewohner übergab uns einen Plastikbeutel mit vergilbten Schriftstücken. Wir freuten uns darüber sehr, denn das war ja wohl einer der Hauptgründe unseres 2. Besuches in Kosel. An diesem Tage durchstreiften wir noch einmal unser Dorf und schwelgten in Erinnerungen an unsere Jugendzeit, ganz besonders als wir an Albert Kohls Grube vorbeikamen. Hier machten wir als Kinder unsere ersten Schwimmversuche. Wir waren auch an diesem Tage wieder zu Gast beim Bürgermeister, der uns bestens bewirtete. Nicht alle jetzigen Bewohner unserer Heimat sind aufgeschlossen und freundlich. An diesem Tage fuhren wir noch über Quaritz, Heidevorwerk nach Neugabel und von hier aus über Otterndorf, Sprottau, Bunzlau, Sonnenberg und Hirschberg nach Krummhübel zurück.



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