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Alt
ist der geheimnisvolle Zauber der Johannisnacht - jener Nacht des
24. Juni, die die kürzeste im Kreislauf des Jahres ist. Alt sind die
Volksbräuche zur Abwehr feindlicher Dämonen und Mächte, die Bitten
um Heil und Segen, der Wunsch, einen Blick in die Zukunft tun zu
dürfen. Viel vorchristliches Gut ist darin enthalten in diesem
Sonnenkult, viel volksverwurzeltes Brauchtum im christlichen Sinne:
Achtung und Liebe vor der mythenreichen Vergangenheit, Glaube an die
fröhliche Gegenwart, Hoffnung auf eine glückhafte Zukunft.
Schon eine Chronik aus dem 12. Jahrhundert erwähnt die Bräuche
dieser Nacht: „Da werden Feuer aus Tierknochen entzündet, eine
heidnische Überlieferung, um die Luft von Krankheitsdünsten zu
befreien, ein brennendes Rad wird heruntergerollt, Fackeln rings um
die Saaten getragen ..." Nach einer anderen Quelle entzündeten
„Kinder und törichte Leute" Feuer, und aus dem 15. Jahrhundert wird
berichtet, dass man über die Feuer springt oder sie umschreitet und
Brandscheite in die Gärten trägt, um den Pflanzen Fruchtbarkeit zu
bringen.
Und wie schön war die schlesische Johannisnacht! Schwer schon
wiegten sich die Ähren auf hohen Halmen, blühten die Rosen, duftete
das Heu, sternenklar leuchtete der tiefblaue Himmel, fröhlich zog
jung und alt an den Holzstoß: „Tags hot jeder sihr zu kräbsen,
obends wullen ber ang täbsen und mit Tanz und Ringelreihn juchzen im
a Feuerschein. . . .", wie Philo vom Walde in seinen Versen vom
„Johannisfeuer" singt. Den ganzen Sudetenkamm entlang flammten auf
den Vorbergen die leuchtenden Punkte, die sich durch tiefer liegende
vermehrten, und auch auf dem Kamm selbst loderten die Flammen zum
Himmel, auch von Carl Hauptmann in seinen Strophen von der
„Johannisnacht" gefühlvoll nachempfunden:
Auf Bergeshöhen Johannisnacht.
Ein Reisigfeuer lodert und kracht –
Und dann und wann flüstert ein leises Wort –
Von Kindermund, vom Alten dort.
Die Feuer zur Sommersonnenwende standen überall in schlesischen
Landen im Mittelpunkt. Lange vorher schon sammelte man abgenutzte
Besen, Reisig, Dornengestrüpp, Harz, Pech, leere Teerfässer usw. Auf
erhöhten Plätzen trug man mächtige Stöße zusammen. Jedes Dorf hatte
natürlich den Ehrgeiz, den größten „Feuerzauber" zu haben. Daher
kamen oft auch noch mächtige Bunde Stroh dazu. Nach Einbruch der
Dunkelheit schlugen die Flammen gen Himmel. Besen, oft erst in Pech
getaucht, wurden ins Feuer gehalten, im Kreise geschwungen, in die
Luft geschleudert. Der Bursche, der ihn am höchsten warf, galt als
der König des Festes. Mit brennendem Besen oder entzündeten Fackeln
tanzte die Jugend um den Feuerstoß:
Die Funka, die stieba,
On hieba on drieba
Waan Baasem geschwonga
On Liedla gesonga,
Werd glecklich gelacht...
singt Alois Bartsch in seiner Glatzer Mundart. Die Mädchen aber
warfen Blumen, Getreide, Früchte als Opfergabe in das Flammenmeer.
Anderorts wieder rollten feurige Räder die Hänge hinab.
Die Krönung war das Springen durch das Feuer. Die Burschen machten
den Anfang, einige beherzte Mädchen folgten, und schließlich wagten
es auch die Liebespaare, Hand in Hand durch die Flammen zu springen.
Je höher der Sprung war, desto größeres Glück war zu erwarten.
Beileibe aber durfte man dabei die Hände nicht loslassen, denn das
sollte die Liebe zerreißen. Je höher die Bauernburschen sprangen,
desto höher sollten Getreide und Flachs gedeihen. Die Hirten
sprangen über das Feuer, damit nach altem Glauben ihr Vieh nicht
lahm wurde.
Aber auch der Rauch des Johannisfeuers galt als reinigend und
heilend. Mütter trugen darum ihre Kinder durch den Qualm, um sie vor
Unbill durch Hexen und vor Krankheit zu schützen. Hirten trieben
gern ihre Herden durch die Asche. Im Riesengebirge steckte man die
abgebrannten Besen in die Krautfelder, um diese gegen Raupen zu
feien. Häufig wurden dazu Feuersprüche gemurmelt, die die
wohltätigen Zauber verstärken sollten.
Besondere Kraft schrieb man der gelbblühenden Staude des
Johanniskrautes zu, das überall in den Bergen und an den Waldrändern
zu finden war. Dieses an Haustoren und Stalltüren befestigt, sollte
bösen Geistern den Eingang verwehren. Auch die Heilkraft der Kräuter
um diesen Johannistag galt als besonders wirksam. Neunerlei
Heilkräuter an diesem Tag zu sammeln, galt als gute Überlieferung,
und die Kräuterweibel und Teemuttel haben sich gern daran gehalten
und bei ihrem Angebot auf den schlesischen Kräuter- und
Wochenmärkten besonders darauf hingewiesen.
Kleine Kränze aus Rosen oder Feld- und Wiesenblumen wurden ebenso
über die Stalltüren und über die Haus- und Hofeingänge gehängt,
wobei ein frommer Spruch oder ein Gebet gesprochen wird. Oft wurden
sie auch an Schnüren gereiht über die Straße von Haus zu Haus
gezogen, besonders am Dorfeingang, damit „kein böser Geist
einziehe". In manchen Gegenden gingen die Mädchen mit einem
Blumenkranz geschmückt von Haus zu Haus und überreichten mit der
Bitte „Seid a su gutt und gat woas der Braut!" ein „Riechel", um
dafür im „Rusatupp" (ein mit Rosen geschmücktes Tippel) Geld zu
sammeln.
Mehr noch des Zaubersegens war in vielen schlesischen Gegenden
anzutreffen: brach man um die Mittagsstunde des Johannistages die
Zwiebelrohre, dann wurden die Zwiebeln groß wie Äpfel. Wurde das
grüne Rebenlaub geschüttelt, dann trug der Weinstock besonders süße
Trauben. Bestrich man sich beim ersten Strahl der Morgensonne mit
einem Eichenreis, so wurde dadurch im kommenden Jahre jede Krankheit
gebannt. Heilkräftig war vor allem das Johanniswasser oder das Bad
in dieser Nacht, und die Warmbrunner Quelle half zu dieser Zeit noch
besser als sonst.
Bauernsehnsucht
Im Feld bin ich zu Hause,
Im Feld, im grünen Feld.
Das Feld war meine Klause,
Das Feld war meine Welt.
Im Felde reift der Segen,
Im Felde blüht mein Glück,
Und nach den stillen Wegen,
Zieht's immer mich zurück.
Dorthin, wo Pflüge graben,
Die Sense singt und klingt,
Wo munt're Herden traben,
Sich meine Sehnsucht schwingt.
Dort, wo die Ähren reifen
im weiten, stillen Feld –
Dort jener grüne Streifen
Ist meine Bauernwelt!
Carl Fritz Illmer
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