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Endlich
war es soweit. Das düstere Novemberwetter - keinem gefiel es - hatte
den helleren Tagen weichen müssen, und die lieben Kinderchen wurden
langsam, aber sicher ein bisschen braver. Der Kalender zeigte
nämlich auf den ersten Adventssonntag. Nun begannen das stille
Hoffen, das Sich-im-voraus-Freuen, das heimliche, stille Vorbereiten
der Geschenke für liebe Menschen, aber - das lag schwer auf der
Seele - auch das Rätseln und Grübeln über eine gutgemeinte Gabe. Aus
diesem Grunde konnte man ständig sich vertiefende Sorgenfalten auf
der Stirn eines wohlsituierten Familienoberhauptes bemerken, der auf
diese Weise hart betroffen war: Welches Geschenk würde wohl seine
ihm angetraute Eheliebste am meisten erfreuen?
Tage um Tage blickte er im Haus umher, lauschte mit dem „dritten"
Ohr auf alle Äußerungen seines Weibes, sah stark interessiert ihre
Arbeit, konnte aber zu keinem einhelligen Abschluss seiner Sorgen
kommen. Nach vielen Tagen nutz- und ergebnislosem Grübeln hatte er
doch eine kleine „Erleuchtung", ein Hoffnungsschimmer wagte sich
schüchtern hervor. Und diesem oft zitierten Gedankenblitz gab er
nach und machte sich auf den Weg zu einer bekannten Familie, auf
deren Rat und Urteil er schließlich etwas gab.
Auch dort war die Adventsstimmung aufgekeimt, und man zeigte sich
aufgeschlossen für die Sorgen und Nöte des Gastes. Hin und her wurde
beraten, vorgeschlagen und wieder verworfen. Es schien aussichtslos,
eine freudige Überraschung zu finden; denn alle Vorschläge
scheiterten an: „Schon vorhanden, ist nicht im Sinne der
Empfängerin." Nach Sondierung vieler Möglichkeiten aber kam eine
Anregung, eine typisch frauliche, aber doch bedeutsame zur Sprache:
Wie wär's mit etwas zum Anziehen? Eine Frau freut sich immer über
eine nette Bluse, einen gutsitzenden Rock, ein Kleid für besondere
Anlässe (die zwar auf dem Lande dünn gesät waren). Nach
diesbezüglicher Abgrenzung hatte ein Rock den Zuschlag erhalten. Die
Einzelheiten wurden herausgestellt: die Farbe hatte mit denen der
vielerlei Blusen zu harmonieren, der Schnitt der Figur entsprechend
zu sein.
Ein Riesenstein, ja ein ganzes Gebirge rollte vom bedrückten Herzen
des gestandenen Mannsbildes, und die Fahrt zur Kreisstadt erhielt
vorrangig einen Platz im Terminkalender. Die Fahrt begann, das Geld
wurde von der Kasse geholt, und klopfenden Herzens durchschritt das
nun sorgenfreie Familienoberhaupt die Tür zum „Konfektionär".
„Womit kann ich Ihnen behilflich sein?" „Ach so, ja, ich hätte gern
einen Rock für meine Frau!" „Welche Größe, welche Farbe, welcher
Zuschnitt?"
Das war ein bissel viel auf einmal für einen Neuling auf diesem
Gebiet.
„Ich lege Ihnen mal etwas vor." „Ja, bitte!"
Fast war der Ladentisch, der doch einiges gewöhnt war, zu klein.
Glücklicherweise hatte der vorsorgliche Gatte einige Maße von den
Röcken aus Muttis Schrank entnommen, so dass das Geschäft langsam
Gestalt annahm und sich einiges herauskristallisierte. Was war doch
für einen Mann eine solche Entscheidung
schwer, fast nicht zu bewältigen, was einer Frau im Augenblick
gelingt. Nach Kaufabschluss und vereinbarter Umtauschmöglichkeit
hörte man das befreite Aufatmen eines Herren der Schöpfung, der
zielstrebig seinem Fuhrwerk zustrebte. „Das wäre geschafft!"
Selten wohl ist ein Mensch so froh und glücklich seinem Heim
zugestrebt; vielleicht glückt es auch, dass das nicht gerade kleine
Paketchen ohne Anstände in das vorbedachte Versteck kommt. Aber wozu
ein Risiko eingehen? Die so hilfreich gewesene Ratgeberfamilie würde
sicherlich ... „Also bis zum Heiligabend, dann komme ich
rechtzeitig, um die Gabe ins Haus zu schmuggeln." Kein Programm
konnte so ungestört und brillant ablaufen wie die
Weihnachtsüberraschung.
Die Stunde nahte, das Radio durchtönte mit Weihnachtsklängen die
ganze Wohnung. Der Christbaum stand bereit, die Geschenke für die
Sprösslinge waren aufgebaut und mit einem Tuch bedeckt, die sorgende
Hand der Mutter hatte alles bestens geordnet und mit viel Liebe
bereitet. Aber noch konnte sie sich den weihnachtlichen Empfindungen
nicht hingeben. In eiligem Hin und Her deckte sie den Tisch,
verzierte ihn mit grünen Zweiglein, stellte den Nachtisch bereit,
hob ab und zu den Topfdeckel, sah nach, ob sich der festliche Braten
auch richtig - nicht zu hell und nicht zu dunkel - bräunte, stellte
die Mohkleeßel (Mohnklöße) ins Kühle, derweil ihr Ehegespons noch in
der Weihnachtsstube geheimnisvollem Treiben nachging. Endlich
öffnete er die Tür, schloss sie wohlweislich hinter sich, drehte den
Schlüssel um und verwahrte ihn in der Hosentasche - er kannte seine
Kinderschar sehr genau -, während Mutti die Schürze abband und zu
Tisch rief. Mit vor Freude glänzenden Augen saß man an der
geschmückten Tafel und tat Mutters Gericht alle Ehre an. So fix
hatten die Kleinen ihren Teller selten leer gegessen, sie drängten,
und Vater verschwand im Nebenzimmer, zündete die Kerzen an, deckte
die Geschenke ab, warf noch einen hoffnungsfreudigen Blick auf die
verschnürte Gabe an seine gute Fee und ließ das Glöcklein erklingen.
Mit einem Jubelschrei stürmten die lieben Kleinen zu ihren
Geschenken, vergnügt sahen die Eltern dem Treiben zu und wussten
ihre Nachkommenschaft gut versorgt und in ein erstes Spiel vertieft.
Nun lenkte Mutti ihren Gatten an seinen Platz und sonnte sich an
Freude und Überraschung, die er beim Anblick des Geschenkes empfand.
Jetzt war der lang ersehnte Augenblick gekommen, wo auch er den
festlich gepackten Karton seiner Frau überreichen konnte. Mit
geschickter Hand öffnete sie die Verschnürung, legte das
Umschlagpapier sorglich zusammen, verwahrte auch den Bindfaden, für
den späteren Gebrauch und ... erstarrte: ein Rock!
„Nein, wie konntest du nur auf den kaum glaublichen Gedanken kommen,
mir einen Rock zu schenken, das ist nicht Männersache, so etwas muss
eine Frau doch selbst aussuchen, dafür hat ein Mann keinen Verstand
und keine Veranlagung."
Wie vom Donner gerührt stand der nun nicht mehr so erwartungsvolle
Spender. Endlich hatte er sich gefasst: „Du könntest das Stück doch
mal anprobieren, den Schnitt und die Farbe, die Qualität des Stoffes
begutachten. Und sollte es nicht deinen Erwartungen entsprechen, ist
immer noch der Umtausch möglich." „Nein, nein, dieser Rock ist eine
Unmöglichkeit, so etwas werde und kann ich niemals tragen."
Mit dem Mohnklößeessen wurde reichlich einsilbig der „Heilige Abend"
beschlossen, schnell wurde es dunkel im Haus. Die Kinder lächelten
selig im Traum von der Weihnacht. Nur der Vater, der es sich so
schwer gemacht und so gut gemeint hatte, konnte keinen Schlaf
finden. Manch heimlicher Seufzer entrang sich seiner bedrückten
Seele. Nach vielem Umherwälzen fiel er in einen unruhigen, kurzen
Schlaf und war beizeiten wieder auf, zum Kirchgang zu rüsten. Aber
die gedrückte Stimmung wollte nicht weichen. Die angeblich so
enttäuschte Gattin fand kein versöhnendes Wort, es wurde Mittag.
Nach dem Essen hielt es Vati nicht mehr aus. Er musste seine
negative Überraschung loswerden, musste sich mit guten Menschen
aussprechen. Sein Weg führte ihn zu der wohlmeinenden
Ratgeberfamilie. Nach seiner Weihnachtsabendschilderung sah er
ebenfalls nur betroffene Gesichter. Was aber war zu tun? - Aber es
gab ja den sogenannten 3. Feiertag, den Tag des
Geschenkeumtauschens. Also wurde beschlossen, diesen Tag zu nutzen.
Zwar verstrich die Zeit bis dahin recht schleppend, endlich aber
waren die Pferde eingespannt, die nicht angekommene Gabe wieder
sorgfältig verpackt, der Kassenzettel in der Brieftasche, und die
Fahrt konnte beginnen.
Nach dem Gesetz der Duplizität war nun eigentlich eine neue
Überraschung fällig. Die ließ auch wirklich nicht auf sich warten.
Das Seltsamste geschah, das Erstaunen konnte nicht größer sein: Die
liebe Frau weigerte sich, mitzufahren, die Frau, um deretwillen
eigens die Fahrt, gestartet werden sollte.
„Mein lieber Mann, ich habe es mir nun überlegt, der Rock gefällt
mir, die Farbe passt zu meinen sonstigen Sachen, der Zuschnitt
entspricht meiner Figur, und der Sitz ist ganz beachtlich."
„Ausspannen, wir fahren nicht!"
Wie schön war doch mit einem Male das Leben in der Familie,
vergessen war all das Leid vom „Heiligen Abend". Einen fröhlicheren
Gatten kann sich wohl kaum eine Frau wünschen, und hoffen wir, dass
es so geblieben ist. -d-h
Rübezahl als Weihnachtsbettler
Den ganzen Tag über hatte es auf den Höhen des Riesengebirges
gestürmt und geschneit, dass man vom Hirschberger Tale aus nicht
einen Augenblick die
langgestreckten Kämme sah, vielmehr nur schleppende Schneewolken,
Nebelfetzen und durcheinanderwirbelnde Unwetter.
Man jagte keinen Hund gern in dieses fürchterliche Schneetreiben.
Aber dem Rübezahl gefiel es gar wohl, und er schritt, in einen
zottigen Pelz gehüllt, mit weiten Schritten über die Abgründe, ließ
sich die spitzen Schneenadeln ins Gesicht treiben und lachte dabei
so unbändig laut, dass sich die Zwerge noch tiefer ins
Wurzelgeflecht der alten Fichten versteckten und die Rehe im Walde
noch enger zusammenrückten.
Als der Abend herankam, hörte das Unwetter wie mit einem
Zauberschlage auf. Die letzten Schwaden und Schneewolken flogen nach
Böhmen hinaus, und ein wunderbarer tiefblauer Sternenhimmel wölbte
sich übers Gebirge, das mit seiner unsäglichen Schneepracht
geschmückt dalag wie eine fürstliche Braut mit einem großen weißen
Hermelinmantel.
Der Rübezahl stand oben am Reifträger und sah ins Tal hinab, aus dem
die Lichter der Dörfer und Städte bis zu ihm in seine Einsamkeit
herauf glänzten.
Da begann es auf einmal aus der Tiefe zu singen und zu läuten. Erst
begannen die Glocken der nächsten Gebirgsdörfer, dann fielen die
ferneren mit ein, und allmählich durchzitterte ein großes Geläut
alle Täler.
Da begriff der Berggeist, dass heute der Weihnachtsabend sei. Auf
seine Keule gestützt, sah er lange ins Menschenland hinab, und hatte
er sich noch eben in dem Schneesturm seiner elementarischen Natur
gefreut, so überkam ihn jetzt ein sonderbares Heimweh, diesen
seltsamen Abend unter Menschen zu sein ...
Mit gewaltigen Sprüngen lief er quer durch die verschneiten Wälder
hinab, wobei seine riesige Gestalt immer mehr einschrumpfte, und am
Ende stand er wie ein gewöhnlicher Mensch vor dem Eingange zu einem
armen Bergbauerndorfe, in dessen Häusern schon überall der heilige
Christ gefeiert wurde.
Da schlich sich der arme Wicht von Haus zu Haus, sah überall durch
die Fenster den Lichterbaum glänzen und wäre gar zu gerne mit
dabeigewesen. Mensch unter Menschen!
Aber niemand rief ihn herein, denn niemand ahnte, wer da draußen ums
Haus schlich, bis ihn in der letzten Hütte ein kleines Mädchen im
Fenster sah, es öffnete und dem Weihnachtsbettler einen
Pfefferkuchen hinausreichte, des Glaubens, er sei hungrig.
Da floh der Rübezahl auf seine Berge zurück, aber den kleinen
Pfefferkuchen hielt er wie einen Schatz in der mächtigen Faust, und
oben in der Einsamkeit des Hochgebirges roch er daran, und der süße
Duft betäubte ihn vollends.
Sonderbares Geschlecht, diese Menschen, sprach er zu sich selber, so
schwach, so klein, so elend, und doch haben sie etwas, was selbst
ein Riese nicht hat
Trost der Weihnacht
Alfred Trögner
Weihnacht ist wieder,
so künden die Lieder.
Weine doch nicht,
es leuchtet ein Licht.
Es strahlet der Stern
der Heimat auch fern,
selbst wenn Heimweh-
gedanken
dein Herze umranken.
Gott ist ja Friede,
er schenkt uns die Liebe.
Trost ziehet ein
in jegliches Heim.
Schau auf den Stern,
er leitet dich gern
über Sorg und Leid
bis in die Ewigkeit.
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