Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 11, November 2018


Im November: Halali in Schwusen

 




Wenn sich die Blätter der Bäume am Oderufer gelb und rostrot färbten, wenn unsere Oderwälder herbstlich bunt leuchteten, wenn das Laub langsam fiel und der Nebel noch sonniger Novembertage die Dämmerungen durchzog, dann war die Zeit gekommen, wo die Reit- und Fahrturniere in Schlesien mit letzten Reitjagden ihr Halali erlebten. Eine der bekanntesten Schnitzeljagden zu Pferde fand in Schwusen statt: Rittmeister Gilka-Bötzow lud zu dieser Jagd Gastfreunde aus dem ganzen Kreise Glogau ein, nicht zuletzt die Offiziere unserer Garnisonstadt, die sich gerade an Jagden in der Umgegend von Schwusen immer gern beteiligten, zumal eine Meute von etwa 20 Hunden mancher Jagd ein klassisches Gepräge gab.
Das Halali der letzten Jagd in Schwusen beendete eine ganze Reihe von Veranstaltungen, die auch die Glogauer oft nach dem beliebten Ausflugsort lockten: Diese Veranstaltungen begannen schon im frühen Jahr mit den Dampferfahrten am Himmelfahrtstage und an den Pfingstfesttagen, wo in der „guten alten Zeit" noch die Kapelle des Infanterie-Regimentes 58 unter Kapellmeister Niemann Festkonzerte gab.


>Das Schwusener Strand-Hotel<

Wer erinnert sich nicht des schönen Ausflugsortes, des Strand–Hotels des Schlosses und der Brücke? Oder des viereckigen hohen Turms, der von einer Kirche aus den Wirren des Dreißigjährigen Krieges übrig geblieben war und auf dem Jahr für Jahr ein Storchenpaar nistete? Auch die Schüler und Schülerinnen der Glogauer Schulen machten oft Ausflüge nach Schwusen, wo der Naturfreund Hunderte von Wildenten beobachten konnte. Nicht nur zu Lande fanden die Ausflüge statt, auch auf der Oder unternahmen wir oft Paddelfahrten und Ruderboot-Wanderungen dorthin, wo heute noch die Oder vorbeifließt wie einst in schöneren Tagen, an die uns
Heimatfreund Richard Schönfeld mit einigen Notizen erinnerte.   


>Die Bartschbrücke bei Schwusen<


Damm-Wanderung nach Schwusen

Eine Wanderung nach Schwusen stellt dem Wanderlustigen drei Wege zur Auswahl - er kann sein Ziel auf dem Damm auf dem rechten oder linken Oderufer erreichen, er kann aber auch eine schöne Wasserfahrt unternehmen, wenn er über das nötige Bewegungsmittel verfügt. Ein Dampfer wird es gerade nicht sein, da dieses Vergnügen einer Wasserfahrt auf unserer Oder leider nur selten geboten wurde. Dazu musste erst ein Dampfer von Cäsar Wollheim aus Breslau herbeigerufen werden und das lohnte wohl höchstens um die Pfingstzeit herum. Also entschließen wir uns, die nie versagenden Beine in Bewegung zu setzen, wenn diese sich in guter Verfassung befinden.
Wir wollen den Weg nördlich der Oder, also auf dem rechten Ufer, einschlagen, weil wir auf dem Rückweg südlich der Oder eine besondere Beobachtung machen können. Also hinaus über den Domsteinweg und über die neue Alte Oderbrücke, vor dem Brückenkopf wenden wir uns rechts und auf dem Damm geht es voran, an Zerbau, Lerchenberg und Immersatt vorüber nach Schlichtingsheim, wo uns eine kleine Rast und Stärkung gut tun, wenn der Ort mit seinem großen quadratischen Marktplatz auch außerhalb des Landkreises Glogau liegt. Wir wenden uns dann aber in südlicher Richtung, und nun sind wir am Ziel, Schwusen, gern als Ausflugsort aufgesucht, nicht nur wegen des glatt durch die Kehle rinnenden Gilka-Bötzow-Likörs, dessen Name mit Schwusen eng verbunden war, wenn er auch u. W. nicht in der Brennerei des Rittergutes, sondern in Berlin hergestellt wurde. Beim Schlucken merkt man ihm den Ursprungsort nicht an, aber dass er und sein Name mit der Besitzung und der Besitzerfamilie zusammenhängen, das wissen wir. Also gehen wir ins Strandhaus und freuen wir uns des schönen Wandertages, ehe wir das Ferienmahl einnehmen, eines Gilka-Kümmels (das war er ja wohl?), und wenn wir uns von der Anstrengung der „Fütterung" erholt haben, besuchen wir das Schloss. Ob der Eintritt und die Besichtigung gestattet ist, wissen wir nicht, aber ein Gang durch die Räume hätte sich wohl aus besonderen Gründen gelohnt.
Im Schloss befand sich nämlich ein mit der Geschichte Glogaus verbundenes Gemälde unseres heimatlichen Geschichtsmalers Professor Richard K n ö t e l, das den Rekognoszierungsritt Friedrichs des Großen am 23. Dezember 1740 vor Glogau darstellt. Das Schloss enthielt noch eine zweite historische Darstellung Professor Knötels - des Ausfallgefechts der Franzosen am 10. November 1813, das lange Zeit ein besonderer Anziehungspunkt im Deutschen Hause in Glogau war, dann aber in das Schloss in Schwusen kam. Ob diese beiden Gemälde gerettet sind, ist unbekannt.


>Das Schloss bei Schwusen<

Die Zeit vergeht, die Sonne steht am Nachmittagshimmel, und es ist immerhin ein langer Weg zurück nach Glogau. Jetzt schlagen wir den Weg auf dem südlichen Ufer ein, bei Eberwald bringt uns die Personenfähre auf die andere Seite des Stromes, es geht auf Reinberg zu und eine ganze Strecke hinter dem Orte sehen wir im Westen ein unbekanntes Turmgebilde in der fernen Silhouette der Stadt. Es sind die beiden Türme der Jesuitenkirche, in deren Zwischenraum sich der Turm der Stadtpfarrkirche so eigenartig passend einfügt, dass diese drei Türme wie einer erscheinen. Eine von der Stelle aus angefertigte Zeichnung wurde im Niederschlesischen Anzeiger nach einer Wanderung auf dieser Strecke veröffentlicht. Weidisch wird passiert und bald hat uns nach einem schönen Wandertag Glogau wieder.


Schlachtfest in Glogau Land



Die kalte Jahreszeit war bei den schlesischen Bauern auch die Schlachtzeit. In den Monaten November bis Februar waren die Hausschlächter stark gefragt, da war fast jeder Wochentag eingeteilt. So fand sich dann am festgesetzten Tag der Hausschlächter ganz in der Früh, wenn es noch stockdunkel war, ein, um seines Amtes zu walten. Er musste auch so früh anfangen, denn eine Menge Dinge wollten getan sein. Da war erst mal die Sau zu schlachten, zu brühen, auszunehmen und zu zerteilen. Dann wurde das Fleisch zum Wurstmachen, Pökeln, Räuchern und zum Verbrauch als Frischfleisch ausgewählt und geteilt. Das Zurechtmachen der Innereien und Gewürze für die Wurst erforderte besondere Aufmerksamkeit, die Därme mussten vorbereitet werden. Verschiedene Füllungen für Wellwurst, Leberwurst, Presswurst, Brat- und Dauerwurst galt es zuzubereiten, abzuschmecken, in den Darm zu füllen und endlich zu kochen. Freilich konnte der Schlachter die ganze Arbeit alleine nicht schaffen, da mussten alle schon fleißig mithelfen.
Von all diesen Verrichtungen spürte der Gast beim Schlachtefest wenig, er konnte sich ganz den leiblichen Genüssen hingeben. Ich selbst habe eine Einladung zu solchen Schlachtefesten auf dem Lande immer als willkommene Abwechslung empfunden. Ob es bei Karben oder Schumann in Beichau, beim Hoffmann in Jätschau oder bei Otto Mahn in Tschepplau war, überall war die Bewirtung gut und reichlich. Wenn ich so gegen 11 Uhr mittags bei meinem Gastgeber eintraf und nach kurzer Begrüßung Platz genommen hatte, stand auch schon der Teller mit frischem Wellfleisch vor mir. Eine Tasse Brühe, Brot, Pfeffer und Salz vervollständigten die Mahlzeit, manchmal gab es auch Sauerkraut und Meerrettich dazu. Und wenn der Dampf des frischen Kesselfleisches in die Nase stieg, ließ man sich nicht lange nötigen und langte kräftig zu. Eine Flasche Quaritzer Korn stand zur Magenstärkung griffbereit. Inzwischen war auch die Kesselwurst fertig und wartete darauf, verzehrt zu werden; eine Tasse Wurstbrühe gab es gleich dazu. Aber auch das wurde geschafft, nun war es aber auch Zeit einmal an die Luft zu kommen und sich etwas zu vertreten.
Ein Gang durch die Ställe und Wirtschaftsgebäude bot willkommene Abwechslung. Da standen in langer Reihe die schwarz-oder rotbunten Milchkühe sauber im modernen Stall, die Pferde waren durch die Winterruhe stramm und glänzend im Fell, das Fohlen gut gediehen und in der Schweinebox waren die Läufer recht munter. Das Federvieh, der Stolz der Hausfrau, tummelte sich auf dem Hof. Auch verschiedene technische Neuanschaffungen konnten bewundert werden; und so waren gut zwei Stunden bei diesem Rundgang vergangen.
Beim Erzählen war es dann langsam Kaffeezeit geworden. Die Hausfrau ließ es sich selten nehmen, zum Kaffee frischen Kuchen anzubieten und das waren gewöhnlich die schlesischen Spezialitäten: Streuselkuchen, Mohnsemmel oder Pfannkuchen. Ja, da musste erst mal wieder der Quaritzer herhalten, um den Magen für diese Herrlichkeiten zu wappnen. In gemütlicher Runde blieb man sitzen und schnell vergingen die Stunden. Doch vor dem Abschied musste noch die inzwischen fertig gewordene Bratwurst oder frische Leberwurst gekostet werden. Und wenn beim Aufbruch der Bauer einspannen und seine Gäste heimfahren wollte, lehnte jeder — wenn deren Weg nicht allzu weit war — dankend ab; ein Fußmarsch in frischer Winterluft erschien verlockender und wurde einer Fahrt vorgezogen.
Gern noch denke ich an solche Schlachtfeste; überall im deutschen Lande gibt es Schlachtschüsseln, aber so eine richtige schlesische Kesselwurst ist mir nirgends mehr vor die „Schnute“ gekommen. Auch die Glogauer Gaststätten hatten ihre Schlachtfeste, diese hatten aber mehr geschäftlichen Charakter, wo sich Geschäftsleute und Stammtischler einfanden.


Jugenderinnerung

Tief unter dir das Land
Mit bunten Felderbreiten,
wo dunkelnd dann und wann
der Wolken Schatten gleiten.

Ein Dörfchen, eine Stadt,
die Burg auf steilem Hügel.
Glückselig schweift der Blick,
als trüge ihn ein Flügel.

Du schaust – erinnerst dich.





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