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Wenn sich die Blätter der Bäume am Oderufer gelb und rostrot
färbten, wenn unsere Oderwälder herbstlich bunt leuchteten, wenn das
Laub langsam fiel und der Nebel noch sonniger Novembertage die
Dämmerungen durchzog, dann war die Zeit gekommen, wo die Reit- und
Fahrturniere in Schlesien mit letzten Reitjagden ihr Halali
erlebten. Eine der bekanntesten Schnitzeljagden zu Pferde fand in
Schwusen statt: Rittmeister Gilka-Bötzow lud zu dieser Jagd
Gastfreunde aus dem ganzen Kreise Glogau ein, nicht zuletzt die
Offiziere unserer Garnisonstadt, die sich gerade an Jagden in der
Umgegend von Schwusen immer gern beteiligten, zumal eine Meute von
etwa 20 Hunden mancher Jagd ein klassisches Gepräge gab.
Das Halali der letzten Jagd in Schwusen beendete eine ganze Reihe
von Veranstaltungen, die auch die Glogauer oft nach dem beliebten
Ausflugsort lockten: Diese Veranstaltungen begannen schon im frühen
Jahr mit den Dampferfahrten am Himmelfahrtstage und an den
Pfingstfesttagen, wo in der „guten alten Zeit" noch die Kapelle des
Infanterie-Regimentes 58 unter Kapellmeister Niemann Festkonzerte
gab.
>Das Schwusener Strand-Hotel<
Wer erinnert sich nicht des schönen Ausflugsortes, des Strand–Hotels
des Schlosses und der Brücke? Oder des viereckigen hohen Turms, der
von einer Kirche aus den Wirren des Dreißigjährigen Krieges übrig
geblieben war und auf dem Jahr für Jahr ein Storchenpaar nistete?
Auch die Schüler und Schülerinnen der Glogauer Schulen machten oft
Ausflüge nach Schwusen, wo der Naturfreund Hunderte von Wildenten
beobachten konnte. Nicht nur zu Lande fanden die Ausflüge statt,
auch auf der Oder unternahmen wir oft Paddelfahrten und
Ruderboot-Wanderungen dorthin, wo heute noch die Oder vorbeifließt
wie einst in schöneren Tagen, an die uns
Heimatfreund Richard
Schönfeld mit einigen Notizen erinnerte.
>Die Bartschbrücke bei Schwusen<
Damm-Wanderung nach Schwusen
Eine Wanderung nach Schwusen stellt dem Wanderlustigen drei Wege zur
Auswahl - er kann sein Ziel auf dem Damm auf dem rechten oder linken
Oderufer erreichen, er kann aber auch eine schöne Wasserfahrt
unternehmen, wenn er über das nötige Bewegungsmittel verfügt. Ein
Dampfer wird es gerade nicht sein, da dieses Vergnügen einer
Wasserfahrt auf unserer Oder leider nur selten geboten wurde. Dazu
musste erst ein Dampfer von Cäsar Wollheim aus Breslau herbeigerufen
werden und das lohnte wohl höchstens um die Pfingstzeit herum. Also
entschließen wir uns, die nie versagenden Beine in Bewegung zu
setzen, wenn diese sich in guter Verfassung befinden.
Wir wollen den Weg nördlich der Oder, also auf dem rechten Ufer,
einschlagen, weil wir auf dem Rückweg südlich der Oder eine
besondere Beobachtung machen können. Also hinaus über den
Domsteinweg und über die neue Alte Oderbrücke, vor dem Brückenkopf
wenden wir uns rechts und auf dem Damm geht es voran, an Zerbau,
Lerchenberg und Immersatt vorüber nach Schlichtingsheim, wo uns eine
kleine Rast und Stärkung gut tun, wenn der Ort mit seinem großen
quadratischen Marktplatz auch außerhalb des Landkreises Glogau
liegt. Wir wenden uns dann aber in südlicher Richtung, und nun sind
wir am Ziel, Schwusen, gern als Ausflugsort aufgesucht, nicht nur
wegen des glatt durch die Kehle rinnenden Gilka-Bötzow-Likörs,
dessen Name mit Schwusen eng verbunden war, wenn er auch u. W. nicht
in der Brennerei des Rittergutes, sondern in Berlin hergestellt
wurde. Beim Schlucken merkt man ihm den Ursprungsort nicht an, aber
dass er und sein Name mit der Besitzung und der Besitzerfamilie
zusammenhängen, das wissen wir. Also gehen wir ins Strandhaus und
freuen wir uns des schönen Wandertages, ehe wir das Ferienmahl
einnehmen, eines Gilka-Kümmels (das war er ja wohl?), und wenn wir
uns von der Anstrengung der „Fütterung" erholt haben, besuchen wir
das Schloss. Ob der Eintritt und die Besichtigung gestattet ist,
wissen wir nicht, aber ein Gang durch die Räume hätte sich wohl aus
besonderen Gründen gelohnt.
Im Schloss befand sich nämlich ein mit der Geschichte Glogaus
verbundenes Gemälde unseres heimatlichen Geschichtsmalers Professor
Richard K n ö t e l, das den Rekognoszierungsritt Friedrichs des
Großen am 23. Dezember 1740 vor Glogau darstellt. Das Schloss
enthielt noch eine zweite historische Darstellung Professor Knötels
- des Ausfallgefechts der Franzosen am 10. November 1813, das lange
Zeit ein besonderer Anziehungspunkt im Deutschen Hause in Glogau
war, dann aber in das Schloss in Schwusen kam. Ob diese beiden
Gemälde gerettet sind, ist unbekannt.
>Das Schloss bei Schwusen<
Die Zeit vergeht, die Sonne steht am Nachmittagshimmel, und es ist
immerhin ein langer Weg zurück nach Glogau. Jetzt schlagen wir den
Weg auf dem südlichen Ufer ein, bei Eberwald bringt uns die
Personenfähre auf die andere Seite des Stromes, es geht auf Reinberg
zu und eine ganze Strecke hinter dem Orte sehen wir im Westen ein
unbekanntes Turmgebilde in der fernen Silhouette der Stadt. Es sind
die beiden Türme der Jesuitenkirche, in deren Zwischenraum sich der
Turm der Stadtpfarrkirche so eigenartig passend einfügt, dass diese
drei Türme wie einer erscheinen. Eine von der Stelle aus
angefertigte Zeichnung wurde im Niederschlesischen Anzeiger nach
einer Wanderung auf dieser Strecke veröffentlicht. Weidisch wird
passiert und bald hat uns nach einem schönen Wandertag Glogau
wieder.
Schlachtfest in Glogau Land
Die kalte Jahreszeit war bei den schlesischen Bauern auch die
Schlachtzeit. In den Monaten November bis Februar waren die
Hausschlächter stark gefragt, da war fast jeder Wochentag
eingeteilt. So fand sich dann am festgesetzten Tag der
Hausschlächter ganz in der Früh, wenn es noch stockdunkel war, ein,
um seines Amtes zu walten. Er musste auch so früh anfangen, denn
eine Menge Dinge wollten getan sein. Da war erst mal die Sau zu
schlachten, zu brühen, auszunehmen und zu zerteilen. Dann wurde das
Fleisch zum Wurstmachen, Pökeln, Räuchern und zum Verbrauch als
Frischfleisch ausgewählt und geteilt. Das Zurechtmachen der
Innereien und Gewürze für die Wurst erforderte besondere
Aufmerksamkeit, die Därme mussten vorbereitet werden. Verschiedene
Füllungen für Wellwurst, Leberwurst, Presswurst, Brat- und
Dauerwurst galt es zuzubereiten, abzuschmecken, in den Darm zu
füllen und endlich zu kochen. Freilich konnte der Schlachter die
ganze Arbeit alleine nicht schaffen, da mussten alle schon fleißig
mithelfen.
Von all diesen Verrichtungen spürte der Gast beim Schlachtefest
wenig, er konnte sich ganz den leiblichen Genüssen hingeben. Ich
selbst habe eine Einladung zu solchen Schlachtefesten auf dem Lande
immer als willkommene Abwechslung empfunden. Ob es bei Karben oder
Schumann in Beichau, beim Hoffmann in Jätschau oder bei Otto Mahn in
Tschepplau war, überall war die Bewirtung gut und reichlich. Wenn
ich so gegen 11 Uhr mittags bei meinem Gastgeber eintraf und nach
kurzer Begrüßung Platz genommen hatte, stand auch schon der Teller
mit frischem Wellfleisch vor mir. Eine Tasse Brühe, Brot, Pfeffer
und Salz vervollständigten die Mahlzeit, manchmal gab es auch
Sauerkraut und Meerrettich dazu. Und wenn der Dampf des frischen
Kesselfleisches in die Nase stieg, ließ man sich nicht lange nötigen
und langte kräftig zu. Eine Flasche Quaritzer Korn stand zur
Magenstärkung griffbereit. Inzwischen war auch die Kesselwurst
fertig und wartete darauf, verzehrt zu werden; eine Tasse Wurstbrühe
gab es gleich dazu. Aber auch das wurde geschafft, nun war es aber
auch Zeit einmal an die Luft zu kommen und sich etwas zu vertreten.
Ein Gang durch die Ställe und Wirtschaftsgebäude bot willkommene
Abwechslung. Da standen in langer Reihe die schwarz-oder rotbunten
Milchkühe sauber im modernen Stall, die Pferde waren durch die
Winterruhe stramm und glänzend im Fell, das Fohlen gut gediehen und
in der Schweinebox waren die Läufer recht munter. Das Federvieh, der
Stolz der Hausfrau, tummelte sich auf dem Hof. Auch verschiedene
technische Neuanschaffungen konnten bewundert werden; und so waren
gut zwei Stunden bei diesem Rundgang vergangen.
Beim Erzählen war es dann langsam Kaffeezeit geworden. Die Hausfrau
ließ es sich selten nehmen, zum Kaffee frischen Kuchen anzubieten
und das waren gewöhnlich die schlesischen Spezialitäten:
Streuselkuchen, Mohnsemmel oder Pfannkuchen. Ja, da musste erst mal
wieder der Quaritzer herhalten, um den Magen für diese
Herrlichkeiten zu wappnen. In gemütlicher Runde blieb man sitzen und
schnell vergingen die Stunden. Doch vor dem Abschied musste noch die
inzwischen fertig gewordene Bratwurst oder frische Leberwurst
gekostet werden. Und wenn beim Aufbruch der Bauer einspannen und
seine Gäste heimfahren wollte, lehnte jeder — wenn deren Weg nicht
allzu weit war — dankend ab; ein Fußmarsch in frischer Winterluft
erschien verlockender und wurde einer Fahrt vorgezogen.
Gern noch denke ich an solche Schlachtfeste; überall im deutschen
Lande gibt es Schlachtschüsseln, aber so eine richtige schlesische
Kesselwurst ist mir nirgends mehr vor die „Schnute“ gekommen. Auch
die Glogauer Gaststätten hatten ihre Schlachtfeste, diese hatten
aber mehr geschäftlichen Charakter, wo sich Geschäftsleute und
Stammtischler einfanden.
Jugenderinnerung
Tief unter dir das Land
Mit bunten Felderbreiten,
wo dunkelnd dann und wann
der Wolken Schatten gleiten.
Ein Dörfchen, eine Stadt,
die Burg auf steilem Hügel.
Glückselig schweift der Blick,
als trüge ihn ein Flügel.
Du schaust – erinnerst dich.
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