|
Hochkirch
Bedeutendster Wallfahrtsort Niederschlesiens mit weithin sichtbarer
Kirche auf hohem Hügel. Grabstätte der Tänzerin Barberina. Im
Ortsteil Burgdorf ein altes Jagdschloss der Glogauer Herzöge
(Wasserburg). Hochkirch zählte 1943 331 Einwohner und hatte eine
Feldmark von 603 ha. Es liegt an der Chaussee
Glogau-Gramschütz-Hochkirch. Bahnstation Gramschütz.
Die Gemeindevertretung setzte sich 1943 wie folgt zusammen:
Bürgermeister: Bäckermeister Georg Lüdicke
Beigeordnete: Landwirt Max Hering, Landwirt August Zimmermann
Gemeinderäte: Land- und Gastwirt Alfred Nitschke, Hermann
Hennig, Bäckermeister Bruno Wuttke, Fleischbeschauer Josef Keil u.
Lehrer Hans Lubrich
Kassenwalter: Bruno Wuttke
Standesbeamter: Lehrer Hans Lubrich
Hochkirch gehörte zum Amtsbezirk Lindenbach.
Sonstige Einrichtungen: Schule am Ort, Lehrer Hans Lubrich
und Lehrer Rudolf Beier
Gaststätten: in Hochkirch, Alfred Nitschke und Johannes
Kintzel, in Burgdorf, Paul Scholz
Dominium: Domäne in Burgdorf und Pfarrei Hochkirch
Hochkirch im Wandel der Zeiten
Der Ort ist eine deutsche Dorfgründung Alta ecclesia Hoekyrche.
Seit mehr als 600 Jahren ist Hochkirch mit seinem Gnadenbilde als
Wallfahrtsort bekannt. Der Hauch der Geschichte weht über Hochkirch
und seiner Umgegend. Ringsum liegen uralte Dörfer, deren Geschichte
tief ins Mittelalter zurückreicht. Von Großgräditz weiß man, dass es
eine vorgeschichtliche Siedlung gewesen ist, denn der zwischen
Hochkirch und Großgräditz befindliche „Weinberg" oder „Weihberg",
der „Hopperberg" oder „Opferberg" sind Fundstätten
vorgeschichtlicher Überbleibsel von menschlichen Resten und Geräten.
Hochkirch selbst wird urkundlich zuerst im Jahre 1291 erwähnt, in
welchem der Pfarrer von Hochkirch eine Urkunde des Herzogs Heinrich
von Schlesien bezeugt. Die nächste urkundliche Erwähnung stammt aus
dem Jahre 1376, und in einer Urkunde von 1580 werden als
Schutzheilige der Kirche Johannes der Täufer, die hl. Jungfrau Maria
und die hl. Barbara genannt. Wann die älteste Kirche gebaut wurde,
ist unbekannt. Nur das eine steht fest, dass das heutige Gotteshaus
bereits das dritte an dieser Stelle ist. Ursprünglich wollte man, so
berichtet die Sage, auf dem benachbarten „Eichberg" ein Gotteshaus
errichten. Zu diesem Zweck schaffte man das notwendige Baugerät auf
den Berg, - aber in der Nacht wurde es von unsichtbaren Händen nach
dem Berge gebracht, auf welchem die heutige Kirche steht. Da dies
drei Nächte hintereinander geschah, so habe man darin eine höhere
Weisung erblickt und endlich das Kirchlein auf dem so bezeichneten
Platz errichtet Das gegenwärtige Gnadenbild Maria mit dem Jesuskind
ist nicht das erste Gnadenbild. Mit dem 1120 begründeten Domstift
von Glogau trat die Pfarrei Hochkirch insofern in ein näheres
Verhältnis, als meist ein Domherr von Glogau zum Pfarrer von
Hochkirch ernannt wurde.
Der Ruhm des Wallfahrtsortes trug gewiss auch dazu bei, dass die
Herzöge von Glogau Hochkirch auszeichneten. So wurden in Hochkirch
zweimal, in den Jahren 1480 und 1488, Versammlungen schlesischer
Fürsten abgehalten. Auf der letzteren waren die Vertreter des Königs
Matthias von Ungarn und der Herzöge von Liegnitz, Breslau und
Schweidnitz anwesend wegen eines Streites mit dem Herzog Hans von
Glogau.
Am 19. Juli 1591 schlug der Blitz in den Turm und legte diesen samt
der Kirche in Asche. Fast alles verbrannte, darunter auch alte
Schriften, nur das Gnadenbild wurde gerettet. Erst nach 11 Jahren,
im Jahre 1602, wurde das neue Gotteshaus fertig. Während des
30jährigen Krieges wurde auch Hochkirch verwüstet, das Gotteshaus
diente als Stallung. 1660 traf die Kirche ein neues Unglück. Ein
Sturmwind verursachte erheblichen Schaden.
In der Not fand sich ein Wohltäter in der Person des Abraham
Freiherr von Dyhren, der die Kirche wieder herrichten ließ und 15
Kapellen auf der Straße von Hochkirch nach Glogau errichtete. Danach
nahm die Wallfahrt einen solchen Aufschwung, dass die kleine Kirche
die Gläubigen nicht mehr zu fassen vermochte. Eine größere Kirche
war notwendig. Sie wurde am 1. Juli 1724 in ihrer jetzigen Gestalt
vom Breslauer Weihbischof von Sommerfeld feierlich eingeweiht. Der
um die Hebung der Wallfahrt sehr verdiente Pfarrer Dr. Majunke war
unablässig darauf bedacht, das Gotteshaus ansehnlicher und schöner
zu gestalten. Sein Nachfolger, Pfarrer Hubrich, folgte seinen
Spuren. Als Hauptgedanke schwebte ihm dabei vor, die alte
künstlerische Schönheit der Kirche in ihrer ursprünglichen Art
wiederherzustellen. Die Mittel hierfür wurden außer von der Gemeinde
und Wohltätern zum Teil von der Regierung beigesteuert. Als größte
Wohltäterin muss die Gräfin von Saurmar-Jeltsch genannt werden. Die
Arbeiten begannen am 16. Juni 1913. An den Wiederherstellungs- und
Erneuerungsarbeiten war auch die Holzschnitzfirma Jäckel aus Glogau
beteiligt. Am 19. Juni 1915 spendete Fürstbischof Bertram das
Sakrament der Firmung, was als Abschluss und Einweihung der
wiedererstandenen Kirchenzier gelten konnte.
Hochkirch weist Grabdenkmäler auf für Hans von Zedlitz auf Klein
Schwein (+ 1564), George von Zedlitz auf Klein Schwein (+ 1579),
Franz von Dihrn auf Altwasser (+ 1586), Ernst von Dihrn (+ 1595) u.
a. Die Tänzerin Friedrich des Großen, Barberina Campanini, fand in
der Wallfahrtskirche von Hochkirch ihre letzte Ruhestätte.
Hochkirch erlangte bei Beginn der Befreiungskriege besondere
Bedeutung. Am 27. Oktober 1813 waren auf vielen Dörfern des Kreises
Glogau die waffenfähige Mannschaft zusammengekommen und sammelte
sich unter Aufsicht des Rittmeisters von Uechtritz.
Hochkirch und die Barberina
Eine heimatliche Erinnerung aus dem Jahre 1939
Nach Wochen harter, anstrengender Arbeit kam ich an einem schönen
Ferientage des Jahres 1939 in das stille schlesische Dorf Hochkirch.
Eine gute Bahnstunde von der alten Oderstadt Glogau entfernt, liegt
diese ländliche Idylle im fruchtgesegneten Goldbachtale. Hochkirch
ist seit alters her bekannt als Wallfahrtsort. Alljährlich im
Frühling und Herbst trafen dort die Scharen aus den umliegenden
Kirchspielen zu einem eintägigen Aufenthalt ein. Im Sommer und
Winter aber lag stets ein ruhiger Frieden über dem stillen kleinen
Ort. Ohne überflüssiges Geräusch verrichtete dann der Bauer seine
Arbeit, bummelte zuweilen ein fremder Handwerksbursche die
Dorfstraße entlang. So war das in Vätertagen.
Wieder wie in früheren Jahren besuchte ich damals die schlichte
Wallfahrtskirche. Sie liegt inmitten des Dorfes auf einer kleinen
Anhöhe. Man hat von hier aus einen weiten Blick über die mit Feldern
und Waldpartien durchzogene Hügellandschaft dieser Gegend. Seit
Jahrhunderten steht diese Kirche, und mancherlei Schicksale sind
über sie hinweggeglitten. Im 30jährigen Krieg diente sie irgendeiner
Wallensteinschar als Pferdestall, und auch sonst ist sie
gelegentlich einmal durch Feuer und Sturm stark beschädigt worden.
Immer aber hat man sie für ihren Zweck wiederherzustellen gewusst.
Doch soviel auch im Laufe der Zeit hier gebaut, gebastelt und
geflickt wurde, immer lag und liegt ein Hauch von Sage und
Geschichte über dem Kirchlein.
Und in der Tat ist diese Kirche und das sie umgebende Gräberfeld
eine recht interessante Stätte. Nicht nur der verschiedenen alten
Steinplatten wegen, die in der einen Längswand der Kirche angebracht
sind, und auf denen in bereits verwitterter Schrift zu lesen ist,
dass hier vor soundsoviel Jahrhunderten der Grund- und Standesherr
von Soundso beigesetzt wurde. Nein, auch Persönlichkeiten von
einstigem Ruf und Rang liegen hier begraben, davon eine, die zu
ihrer Zeit viel von sich reden machte.
Aus Berlin kam dieser stille Gast, der nach einem recht aufregenden
Leben in diese Wallfahrtskirche seinen Einzug hielt. Dieser Gast war
die berühmteste Tänzerin ihrer Zeit, B a r b a r i n a C a m p
a n i n i. lm Jahre 1721 wurde diese seltsame Frau in Parma als Kind
unbekannter Eltern geboren, kam später dann nach Paris, London und
Berlin und erregte allenthalben als Operntänzerin ungeheures
Aufsehen. Solchen Schwung und eine solche Grazie hatte man bisher
nicht gekannt. Alle anderen Dienerinnen Terpsichores verblassten vor
dem Können der Barberina. Doch nicht nur als Tänzerin stand sie
einzigartig da. Die Männerwelt hatte ebenso schnell erkannt, dass
die rassige Italienerin auch eine außergewöhnliche Schönheit war.
Kein Wunder also, dass man sie in jeder Weise hofierte und dass
insbesondere die Großen ihrer Zeit um ihre Gunst buhlten. Und
Barberina war nicht spröde. Vier Jahre lang war sie als Tänzerin in
der Berliner Staatsoper die Freundin Friedrichs des Großen, bis dann
der Krach kam, weil sie mit dem Sohne des damaligen Großkanzlers
Cocceji einen Flirt begonnen hatte, sehr gegen den Willen des
furchtbar aufgebrachten Königs. Sie und ihr nunmehriger Mann, der
Regierungspräsident von Cocceji, wurden weitab von Berlin nach G I o
g a u geschickt.
Nach ein paar Jahren des Zusammenlebens brach diese erst so
überschwenglich begonnene Ehe entzwei. Barberina kaufte sich drei
Güter in der Umgebung von Hochkirch, darunter das Gut Barschau, und
führte hier ein stilles Leben. Ihr früherer Mann hatte inzwischen
eine andere Frau geheiratet, und da es nun zwei Freiinnen von
Cocceji gab, ließ Barberina sich durch ihre einstigen guten
Verbindungen zur Gräfin von Campanini machen. Ihren gesamten Besitz
aber machte die Kinderlose zu einem Stift für unbemittelte Damen des
schlesischen Adels. Sie selbst wurde die erste Äbtissin dieses
Stiftes.
Im Alter von 78 Jahren ist die einstige landfremde Tänzerin,
Königsgeliebte und Äbtissin dann an einem Herzschlag im Park von
Barschau gestorben. In ihrem Testament hatte sie zwar verfügt, dass
sie in diesem Park begraben sein wollte, doch wurde sie auf
behördliche Anordnung hin in der Gruft der Wallfahrtskirche
beigesetzt. In dieser Wallfahrtskirche hatte sie ihren Betstuhl
gehabt, den sie in der Regel des Sonntags einnahm, wenn gleich sie
mit dem damaligen Priester in ständiger Fehde lebte. Ihr Stift hatte
die katholische Gräfin Campanini vorher der stattlichen Aufsicht
unterstellt ...
Eineinhalbes Jahrhundert sind seitdem verflossen. Längst wurde die
Barberina vergessen, bis sie vor dem zweiten Weltkrieg in mehreren
Fridericus-Filmen neu erstand und der flimmernden Leinwand von ihrem
einstigen Erdendasein Kunde gab. Wer aber von all denen, die damals
in den Kinos saßen, hat gewusst, dass diese interessante,
weltgewandte, durch zahlreiche Abenteuer gegangene Frau hier in
Hochkirch in der stillen Gruft unter dem Altar zu den 14 Nothelfern
ihre letzte Ruhestätte gefunden hat? |
|
|