Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 11, November 2018

 

Erinnerungen an das Heimatdorf Hochkirch
mit Ortsteil Burgdorf, früher Groß-Gräditz

 




Hochkirch

Bedeutendster Wallfahrtsort Niederschlesiens mit weithin sichtbarer Kirche auf hohem Hügel. Grabstätte der Tänzerin Barberina. Im Ortsteil Burgdorf ein altes Jagdschloss der Glogauer Herzöge (Wasserburg). Hochkirch zählte 1943 331 Einwohner und hatte eine Feldmark von 603 ha. Es liegt an der Chaussee Glogau-Gramschütz-Hochkirch. Bahnstation Gramschütz.

Die Gemeindevertretung setzte sich 1943 wie folgt zusammen:

Bürgermeister: Bäckermeister Georg Lüdicke

Beigeordnete: Landwirt Max Hering, Landwirt August Zimmermann

Gemeinderäte: Land- und Gastwirt Alfred Nitschke, Hermann Hennig, Bäckermeister Bruno Wuttke, Fleischbeschauer Josef Keil u. Lehrer Hans Lubrich

Kassenwalter: Bruno Wuttke

Standesbeamter: Lehrer Hans Lubrich

Hochkirch gehörte zum Amtsbezirk Lindenbach.

Sonstige Einrichtungen: Schule am Ort, Lehrer Hans Lubrich und Lehrer Rudolf Beier

Gaststätten: in Hochkirch, Alfred Nitschke und Johannes Kintzel, in Burgdorf, Paul Scholz

Dominium: Domäne in Burgdorf und Pfarrei Hochkirch


Hochkirch im Wandel der Zeiten

Der Ort ist eine deutsche Dorfgründung Alta ecclesia Hoekyrche. Seit mehr als 600 Jahren ist Hochkirch mit seinem Gnadenbilde als Wallfahrtsort bekannt. Der Hauch der Geschichte weht über Hochkirch und seiner Umgegend. Ringsum liegen uralte Dörfer, deren Geschichte tief ins Mittelalter zurückreicht. Von Großgräditz weiß man, dass es eine vorgeschichtliche Siedlung gewesen ist, denn der zwischen Hochkirch und Großgräditz befindliche „Weinberg" oder „Weihberg", der „Hopperberg" oder „Opferberg" sind Fundstätten vorgeschichtlicher Überbleibsel von menschlichen Resten und Geräten. Hochkirch selbst wird urkundlich zuerst im Jahre 1291 erwähnt, in welchem der Pfarrer von Hochkirch eine Urkunde des Herzogs Heinrich von Schlesien bezeugt. Die nächste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahre 1376, und in einer Urkunde von 1580 werden als Schutzheilige der Kirche Johannes der Täufer, die hl. Jungfrau Maria und die hl. Barbara genannt. Wann die älteste Kirche gebaut wurde, ist unbekannt. Nur das eine steht fest, dass das heutige Gotteshaus bereits das dritte an dieser Stelle ist. Ursprünglich wollte man, so berichtet die Sage, auf dem benachbarten „Eichberg" ein Gotteshaus errichten. Zu diesem Zweck schaffte man das notwendige Baugerät auf den Berg, - aber in der Nacht wurde es von unsichtbaren Händen nach dem Berge gebracht, auf welchem die heutige Kirche steht. Da dies drei Nächte hintereinander geschah, so habe man darin eine höhere Weisung erblickt und endlich das Kirchlein auf dem so bezeichneten Platz errichtet Das gegenwärtige Gnadenbild Maria mit dem Jesuskind ist nicht das erste Gnadenbild. Mit dem 1120 begründeten Domstift von Glogau trat die Pfarrei Hochkirch insofern in ein näheres Verhältnis, als meist ein Domherr von Glogau zum Pfarrer von Hochkirch ernannt wurde.

Der Ruhm des Wallfahrtsortes trug gewiss auch dazu bei, dass die Herzöge von Glogau Hochkirch auszeichneten. So wurden in Hochkirch zweimal, in den Jahren 1480 und 1488, Versammlungen schlesischer Fürsten abgehalten. Auf der letzteren waren die Vertreter des Königs Matthias von Ungarn und der Herzöge von Liegnitz, Breslau und Schweidnitz anwesend wegen eines Streites mit dem Herzog Hans von Glogau.
Am 19. Juli 1591 schlug der Blitz in den Turm und legte diesen samt der Kirche in Asche. Fast alles verbrannte, darunter auch alte Schriften, nur das Gnadenbild wurde gerettet. Erst nach 11 Jahren, im Jahre 1602, wurde das neue Gotteshaus fertig. Während des 30jährigen Krieges wurde auch Hochkirch verwüstet, das Gotteshaus diente als Stallung. 1660 traf die Kirche ein neues Unglück. Ein Sturmwind verursachte erheblichen Schaden.
In der Not fand sich ein Wohltäter in der Person des Abraham Freiherr von Dyhren, der die Kirche wieder herrichten ließ und 15 Kapellen auf der Straße von Hochkirch nach Glogau errichtete. Danach nahm die Wallfahrt einen solchen Aufschwung, dass die kleine Kirche die Gläubigen nicht mehr zu fassen vermochte. Eine größere Kirche war notwendig. Sie wurde am 1. Juli 1724 in ihrer jetzigen Gestalt vom Breslauer Weihbischof von Sommerfeld feierlich eingeweiht. Der um die Hebung der Wallfahrt sehr verdiente Pfarrer Dr. Majunke war unablässig darauf bedacht, das Gotteshaus ansehnlicher und schöner zu gestalten. Sein Nachfolger, Pfarrer Hubrich, folgte seinen Spuren. Als Hauptgedanke schwebte ihm dabei vor, die alte künstlerische Schönheit der Kirche in ihrer ursprünglichen Art wiederherzustellen. Die Mittel hierfür wurden außer von der Gemeinde und Wohltätern zum Teil von der Regierung beigesteuert. Als größte Wohltäterin muss die Gräfin von Saurmar-Jeltsch genannt werden. Die Arbeiten begannen am 16. Juni 1913. An den Wiederherstellungs- und Erneuerungsarbeiten war auch die Holzschnitzfirma Jäckel aus Glogau beteiligt. Am 19. Juni 1915 spendete Fürstbischof Bertram das Sakrament der Firmung, was als Abschluss und Einweihung der wiedererstandenen Kirchenzier gelten konnte.

Hochkirch weist Grabdenkmäler auf für Hans von Zedlitz auf Klein Schwein (+ 1564), George von Zedlitz auf Klein Schwein (+ 1579), Franz von Dihrn auf Altwasser (+ 1586), Ernst von Dihrn (+ 1595) u. a. Die Tänzerin Friedrich des Großen, Barberina Campanini, fand in der Wallfahrtskirche von Hochkirch ihre letzte Ruhestätte.
Hochkirch erlangte bei Beginn der Befreiungskriege besondere Bedeutung. Am 27. Oktober 1813 waren auf vielen Dörfern des Kreises Glogau die waffenfähige Mannschaft zusammengekommen und sammelte sich unter Aufsicht des Rittmeisters von Uechtritz.

Hochkirch und die Barberina
Eine heimatliche Erinnerung aus dem Jahre 1939


Nach Wochen harter, anstrengender Arbeit kam ich an einem schönen Ferientage des Jahres 1939 in das stille schlesische Dorf Hochkirch. Eine gute Bahnstunde von der alten Oderstadt Glogau entfernt, liegt diese ländliche Idylle im fruchtgesegneten Goldbachtale. Hochkirch ist seit alters her bekannt als Wallfahrtsort. Alljährlich im Frühling und Herbst trafen dort die Scharen aus den umliegenden Kirchspielen zu einem eintägigen Aufenthalt ein. Im Sommer und Winter aber lag stets ein ruhiger Frieden über dem stillen kleinen Ort. Ohne überflüssiges Geräusch verrichtete dann der Bauer seine Arbeit, bummelte zuweilen ein fremder Handwerksbursche die Dorfstraße entlang. So war das in Vätertagen.
Wieder wie in früheren Jahren besuchte ich damals die schlichte Wallfahrtskirche. Sie liegt inmitten des Dorfes auf einer kleinen Anhöhe. Man hat von hier aus einen weiten Blick über die mit Feldern und Waldpartien durchzogene Hügellandschaft dieser Gegend. Seit Jahrhunderten steht diese Kirche, und mancherlei Schicksale sind über sie hinweggeglitten. Im 30jährigen Krieg diente sie irgendeiner Wallensteinschar als Pferdestall, und auch sonst ist sie gelegentlich einmal durch Feuer und Sturm stark beschädigt worden. Immer aber hat man sie für ihren Zweck wiederherzustellen gewusst. Doch soviel auch im Laufe der Zeit hier gebaut, gebastelt und geflickt wurde, immer lag und liegt ein Hauch von Sage und Geschichte über dem Kirchlein.

Und in der Tat ist diese Kirche und das sie umgebende Gräberfeld eine recht interessante Stätte. Nicht nur der verschiedenen alten Steinplatten wegen, die in der einen Längswand der Kirche angebracht sind, und auf denen in bereits verwitterter Schrift zu lesen ist, dass hier vor soundsoviel Jahrhunderten der Grund- und Standesherr von Soundso beigesetzt wurde. Nein, auch Persönlichkeiten von einstigem Ruf und Rang liegen hier begraben, davon eine, die zu ihrer Zeit viel von sich reden machte.
Aus Berlin kam dieser stille Gast, der nach einem recht aufregenden Leben in diese Wallfahrtskirche seinen Einzug hielt. Dieser Gast war die berühmteste Tänzerin ihrer Zeit, B a r b a r i n a  C a m p a n i n i. lm Jahre 1721 wurde diese seltsame Frau in Parma als Kind unbekannter Eltern geboren, kam später dann nach Paris, London und Berlin und erregte allenthalben als Operntänzerin ungeheures Aufsehen. Solchen Schwung und eine solche Grazie hatte man bisher nicht gekannt. Alle anderen Dienerinnen Terpsichores verblassten vor dem Können der Barberina. Doch nicht nur als Tänzerin stand sie einzigartig da. Die Männerwelt hatte ebenso schnell erkannt, dass die rassige Italienerin auch eine außergewöhnliche Schönheit war. Kein Wunder also, dass man sie in jeder Weise hofierte und dass insbesondere die Großen ihrer Zeit um ihre Gunst buhlten. Und Barberina war nicht spröde. Vier Jahre lang war sie als Tänzerin in der Berliner Staatsoper die Freundin Friedrichs des Großen, bis dann der Krach kam, weil sie mit dem Sohne des damaligen Großkanzlers Cocceji einen Flirt begonnen hatte, sehr gegen den Willen des furchtbar aufgebrachten Königs. Sie und ihr nunmehriger Mann, der Regierungspräsident von Cocceji, wurden weitab von Berlin nach G I o g a u geschickt.

Nach ein paar Jahren des Zusammenlebens brach diese erst so überschwenglich begonnene Ehe entzwei. Barberina kaufte sich drei Güter in der Umgebung von Hochkirch, darunter das Gut Barschau, und führte hier ein stilles Leben. Ihr früherer Mann hatte inzwischen eine andere Frau geheiratet, und da es nun zwei Freiinnen von Cocceji gab, ließ Barberina sich durch ihre einstigen guten Verbindungen zur Gräfin von Campanini machen. Ihren gesamten Besitz aber machte die Kinderlose zu einem Stift für unbemittelte Damen des schlesischen Adels. Sie selbst wurde die erste Äbtissin dieses Stiftes.
Im Alter von 78 Jahren ist die einstige landfremde Tänzerin, Königsgeliebte und Äbtissin dann an einem Herzschlag im Park von Barschau gestorben. In ihrem Testament hatte sie zwar verfügt, dass sie in diesem Park begraben sein wollte, doch wurde sie auf behördliche Anordnung hin in der Gruft der Wallfahrtskirche beigesetzt. In dieser Wallfahrtskirche hatte sie ihren Betstuhl gehabt, den sie in der Regel des Sonntags einnahm, wenn gleich sie mit dem damaligen Priester in ständiger Fehde lebte. Ihr Stift hatte die katholische Gräfin Campanini vorher der stattlichen Aufsicht unterstellt ...
Eineinhalbes Jahrhundert sind seitdem verflossen. Längst wurde die Barberina vergessen, bis sie vor dem zweiten Weltkrieg in mehreren Fridericus-Filmen neu erstand und der flimmernden Leinwand von ihrem einstigen Erdendasein Kunde gab. Wer aber von all denen, die damals in den Kinos saßen, hat gewusst, dass diese interessante, weltgewandte, durch zahlreiche Abenteuer gegangene Frau hier in Hochkirch in der stillen Gruft unter dem Altar zu den 14 Nothelfern ihre letzte Ruhestätte gefunden hat?



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