Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 8, August 2018

 

Wiederaufbau des Stadttheaters

 

von Th. Kinzel

 




Neues aus Glogau
Eine Ruine inmitten der wiedererstehenden Stadt Glogau, so zeigte sich jahrzehntelang das traurige Bild am östlichen Platz des Glogauer Ringes. Dort, wo das städtische Leben vor 1945 blühte, buntes Marktgeschehen die Menschen anzog, Droschken bzw. Taxis warteten und geschäftliches Treiben die Tagesszenerie erfüllte. All das sah Andreas Gryphius von seinem erhabenen Platz oberhalb des Eingangsportals, zumindest bis Anfang der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts.

Hermann Michaelis, ein renommierter Bildhauer aus Breslau modellierte 1864 die kunstvoll in Sandstein ausgeführte Büste des Dichters zu dessen 200. Todestag. Ihre Größe entsprach 2 ½ mal der Lebensgröße und ruhte auf einem Sockel, dessen eine Seite ein Schild mit der von der Waage der Themis umschlungenen Lyra des Dichters und die andere Seite das Glogauer Stadtwappen zeigte.


Bereits 90 Jahre vorher (1774) entstand das Gebäude des Stadttheaters, zuerst zweigeschossig genutzt. 50 m lang und 12,5 m breit. Unten waren die Fleischbänke gelegen. Der Saal darüber, der 1799 vom Architekten und Baudirektor Valentin Christian Schultze (1748 in Potsdamer 1838 in Breslau) umfangreich umgebaute Redoutensaal, konnte für Festlichkeiten und Theateraufführungen genutzt werden. Erst durch weitere Umbauten (1839/40 und 1926-28) erhielt das Stadttheater die Ausstattung und das Aussehen, wie es bis 1945 Bestand haben sollte. Mit der fast vollständigen Zerstörung Glogau‘s als Folge des zweiten Weltkrieges und der Festungszeit 1945 fiel auch das Glogauer Stadttheater in Schutt und Asche. Nur Andreas Gryphius thronte noch ein paar Jahre weiter auf seinem Sockel, bis dessen Büste wohl durch mutwillige Zerstörung von Narren eliminiert wurde. Als Ironie der Geschichte mag in Erinnerung gebracht werden, dass just an dieser Stelle in alter Zeit das Narrenhäuschen, ein drehbar ausgeführter hölzerner Käfig stand. Dort wurden straffällig gewordene Einwohner eingesperrt und dem Mutwillen der Bevölkerung zu deren Belustigung preisgegeben.

Seit August 2017 erfolgt nun der Wiederaufbau des Stadttheaters, der derzeit in vollem Gange ist. Der Schreiber dieser Zeilen konnte sich bei einem jüngst erfolgten Besuch davon überzeugen. Sowohl Małgorzata Marciniak (in der Stadtverwaltung zuständig für die Investition) als auch der Leiter der Abteilung für Stadtentwicklung Piotr Kukła gaben freundlich Auskunft über das laufende Projekt. Mit EU Mitteln aus dem operationellen Programm für Infrastruktur und Umwelt, Schutz des Kulturerbes, soll das Stadttheater bis Herbst 2019 nahezu sein früheres Aussehen erhalten. Auch die Büste von Andreas Gryphius soll wieder in der Halbkuppel oberhalb des Mittelrisalits stehen. Großes Manko ist, dass es kaum gut verwertbare Unterlagen für die Erneuerung der Büste gibt. Spätere Fotografien sind stets vom Straßenniveau aus gemacht worden und geben demzufolge Details verzerrt wieder. Es besteht zudem ein Widerspruch darin, dass in einem Artikel aus der Leipziger illustrierten Zeitung von 1864 von einer 2 ½ fachen Vergrößerung des Standbildes gesprochen wird, während Blaschke* eine 3-fache Vergrößerung erwähnt. Die Gesamtkosten sind mit etwa 23 Mio. polnischen Złoty veranschlagt, 85% davon gibt es aus dem Förderprogramm der EU, 15% trägt die Stadtgemeinde Głogów.


Nach dem Wiederaufbau soll das Gebäude den Namen des wohl berühmtesten Sohnes der Stadt – Andreas Gryphius – tragen und wie zu deutscher Zeit für Theateraufführungen und Konzerte nutzbar sein. Im Nebengebäude zur Südseite hin wird es im oberen Teil Garderoben für die Künstler und unten Büros geben.

Ein Zustand wird leider nicht mehr herzustellen sein, nämlich das der Marktstand der Vorfahren des Schreibers dieser Zeilen wieder vor dem nördlichen Seiteneingang des Theaters steht und dort, wie auf der gesamten Nordseite des Marktes, Gemüse von Priedemoster Äckern feilgeboten wird.
    
* Julius Blaschke, Geschichte der Stadt Glogau von 1913



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