Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 4, April 2018

 

Erinnerungen an das Heimatdorf Herrndorf

 

Herrndorf

Der Ort (1684 ha Feldmark) liegt an der Chaussee Glogau—Beuthen, 7,5 km westlich von Glogau. Bahnstation. Herrndorf hatte 1943 1018 Einwohner. Es war ein großes Bauerndorf in fruchtbarem Gelände mit einem Schloss der alteingesessenen Adelsfamilie vom Berge und Herrendorff, ein schöner Barockbau, der in den Weihnachtstagen 1740 Friedrich d. Großen nach seinem Einmarsch in Schlesien beherbergte. Von hier aus unternahm er auch einen Erkundungsritt vor die Tore Glogaus.
Die Gründung des Ortes geht auf das Jahr 1299 zurück. Die Kirche stammt aus dem 15. Jahrhundert, eine Glocke trug die Jahreszahl 1492. Im Jahre 1522 weilte Melanchthon in Herrndorf auf dem Gute des Herrn vom Berge.

Die Gemeindevertretung setzte sich 1943 wie folgt zusammen:

Bürgermeister: Gastwirt und Fleischermeister Artur Kleinitzke

Beigeordnete: Ofensetzmeister Georg Schonert, Bauer Artur Paul, Bauer Alfred Hoffmann

Gemeinderäte: Insp. Hermann Kutter, Mühlenbesitzer Carl Brückner, Bauer Fritz Förster, Bauer Otto Schmidt, Bauer Georg Häßner

Kassenwalter: Alfred Buckwitz

Schiedsmann: Gastwirt Paul Hampel

Der kaiserliche Reichshofrat Joachim vom Berge, Erbherr auf Oberherrndorf und Kladau, errichtete 1595 ein Familienfideikommiss mit der Bestimmung, dass allzeit der Älteste des Geschlechts im Genusse der genannten Güter nachfolgen solle (Seniorat) und verband damit eine Fundation, aus welcher zwei Stipendien für Studierende vom Adel, 12 für Studierende aus dem Bürgerstande und 7 für Schüler niederer Lehranstalten lutherischen Bekenntnisses gezahlt wurden. Kaiser Rudolf bestätigte diese Stiftung am 29. September 1601.

>ol: Bahnhof, or: ev. Kirche und Schule, ul: Kolonialwarengesch. Paul Klopsch, ur: Kriegerdenkmal<

In Herrndorf sind Grabinschriften erhalten für einen Ritter von Niebelschütz († 1599), Ursula vom Berge († 1566), Heinrich vom Berge († 1564), Nikolaus von Nirschitz auf Stumberg († 1571), Franz vom Berge († 1566), Heinrich vom Berge († 1580). Am 19. September 1760 wurde Herrndorf von den Russen in Brand gesteckt. Die 1849 in Glogau herrschende Cholera kostete auch Herrndorf 1/10 der Bevölkerung.

>ol: ev. Kirche, or: Schloss Ober-Herrndorf, ul: Schloss Nieder-Herrndorf, ur: ev. Pfarrhaus<

Im Februar 1940 erlebte das Dorf eine große Überschwemmung infolge der plötzlich einsetzenden Schneeschmelze. Die sonst so friedlich durch Dorf, Felder und Wiesen zur Oder hin gluckernden Bäche und Gräben konnten die Wassermassen nicht mehr fassen, wurden zu reißenden Strömen und traten über die Ufer. Es gab ein großes Durcheinander, war man doch auf so etwas gar nicht vorbereitet. Besonders betroffen wurden die Bewohner der tiefer liegenden Ortsteile. Viele wurden gezwungen, auszuziehen. Vieh und Hausrat mussten in Sicherheit gebracht werden. Gar mancher Schweinetrog diente als Ruderboot. Das ganze Dorf war in Aufruhr, sogar ein paar anwesende Soldaten packten fest mit zu. Ein großer Teil des Wassers sammelte sich am Dorfende in der Mulde um das Gemeindehaus. Der so entstandene künstliche See machte auch leider eine Familie obdachlos und brachte ihr Haus zum Einsturz. Bis in die Nacht hinein dauerte der Kampf gegen die Wassermassen. Gegen Morgen setzte jedoch wieder Frost ein, und dies war natürlich für uns Kinder eine große Freude. Schlittschuhe und Schlitten mit Spickern wurden wieder hervorgeholt, und dann ging’s aufs Eis.
Aber für viele gab es auch große Arbeit, mussten doch die Schäden wieder behoben werden die das Wasser angerichtet hatte. Herrndorf katholische Kirche
Herrndorf hatte zwei Dominiums, in Ober-Herrndorf, Besitzer Joachim vom Berge und Herrendorff, und in Nieder-Herrndorf. Besitzer Dr. Gustav Schulz. Außerdem zwei Wassermühlen, Besitzer Carl Brückner und Fritz Ismer, sowie drei Gaststätten, „Zum Hoppengrund", Besitzer Ledersche Erben, Pächter Artur Kleinitzke; „Zum goldenen Frieden", Besitzer Emil Antosch; „Zur guten Hoffnung", Besitzer Robert Jäckel, Pächter Paul Hampel.
Im Ort befanden sich die katholische Kirche (Pfarrer Clemens Pautsch), eine evangelische Kirche (Pfarrer Albert Anschütz) und eine Schule mit Hauptlehrer Willi Schubert und Lehrer Walter Nitschmann. An Vereinen bestanden: Kriegerkameradschaft (Müllermeister Carl Brückner). Feuerwehr (Maurer Robert Senftieben) Kleingartenverein (Schuhmachermeister Gustav Liebelt).

 

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