Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 8, August 2017

Tschepplau (Langemark)

Eine heimatkundliche Betrachtung von Siegbert John

3. Fortsetzung aus NGA 8/17

Langemark Totalansicht

Die Tschepplauer waren stolz auf ihr neues Gotteshaus. Sorgen bereitete seit vielen Jahren die viel zu enge und schlecht ausgestattete Schule. Hier musste in mehreren Abteilungen und Schichten unterrichtet werden.
Zeitweise wurde eine Klasse im „alten Schloss" des Gutshofes von Hauptmann Rother (meist waren es die „ABC-Schützen!) untergebracht. Der Gemeinderat sah ein, dass hier dringend etwas getan werden musste. Und wie es beim Bau der Kirche geschah, so wollten die Tschepplauer auch beim Bau der Schule Vorbildliches leisten. So entstand in den frühen dreißiger Jahren ein für damalige Verhältnisse vorbildliches, modernes und großzügiges Schulgebäude. Viele Tschepplauer Handwerksbetriebe wurden bei der Bauausführung berücksichtigt. Natürlich wurde die Schule auch mit neuen und modernen Schulmöbeln ausgestattet.
Das Schulgebäude hatte drei Klassenräume, 1 Lehrerzimmer, mehrere Räume für den Hauswirtschafts- und Werkunterricht und eine großzügige Duschanlage mit 12 Brausen im Keller, wo auch die Hausmeisterwohnung untergebracht war. In den weiträumigen Kellerräumen und Gängen war mehrere Jahre lang eine Seidenraupenzucht untergebracht. Die Maulbeerbäume wurden im großen angrenzenden Schulgarten angepflanzt, so dass immer genügend Blätter für die Raupen vorhanden waren. Ein vorbildlicher Anschauungsunterricht war damit gewährleistet. — Das Schulgebäude war mit einer Zentralheizung ausgestattet. Unmittelbar angrenzend befand sich das Lehrerwohnhaus mit 2 Etagen. Es wurde bewohnt von Kantor und Hauptlehrer Richard Bock, von Lehrer Ernst Flöge und einer weiblichen Lehrkraft.
In der katholischen Schule unterrichtete Lehrer Johannes Hollmann. Während des Krieges wurden die beiden Schulen zusammengelegt.
Wie überall im Landkreis Glogau wurde auch in den Tschepplauer Schulen das Schriftdeutsch gelehrt. Trotzdem behielt die bodenständige Landbevölkerung ihre Vorliebe für eine Mundart, die allgemein als „pauersch" bezeichnet wurde und sich mit Abweichungen dem sogenannten „Niederländischen" Schlesisch zuordnen ließ. Diese Mundart war hauptsächlich gekennzeichnet durch häufige Verwendung der Doppellaute ei und au („meit" statt mit, „Auder" statt Oder), durch Gebrauch des breiten ä für ei, o für ü („Braten" statt breiten, „vär" statt vor, „Tär" statt Tür), des kurzen o als Endung für el und len („Äppo" statt Äpfel, „speion" statt spielen) und der einzigartigen Lautverbindung uo ( duos" statt das, „Stoul" statt Stall).
-Dieses Stück Volkstum wurde nur noch von unseren älteren Dorfbewohnern gepflegt. Wir können es kaum; es bleibt nur ein ferner Klang der Erinnerung, und hörte sich etwa folgendermaßen an: Nuppersch Franze koam zua menger Schwaster un soate: „Kimmste meit eiber de Auder; dreiben is Mausik. De Liesel voa dar Meio im Neiderdurf kimmt oa meit. Uem zahn rim sei ber weider derhäm." —

Ein Ereignis, welches anfangs nicht nur Zustimmung, sondern auch Kritik ausloste, war die Umbenennung der Ortsnamen. Tschepplau hatte einen bewährten Bürgermeister der die Geschichte der Gemeinde vom 1. Oktober 1919 bis zur Vertreibung 1945 lenkte. Seinem Bericht können wir entnehmen, wie aus Tschepplau Langemark wurde.

Gustav Kutzner erhielt als Gemeinde- und Amtsvorsteher vom Landratsamt die Aufforderung, den Amtsausschuss, nicht die Gemeindevertretung, zu einer Sitzung einzuberufen, zu der er noch einige „Prominente" mitbringen sollte. Diese Kommission tagte im Lehrerzimmer der neuen Schule. Die Tagesordnung war bereits in der Ladung bestimmt. Nach dieser sollte als Ortsname „Langenau" angenommen und von einem bestimmten Datum (soweit erinnerlich ab 1. Dezember 1933) geführt werden. Bei der Beratung wurden Bedenken erhoben, da Tschepplau dann die 14. Gemeinde in Deutschland mit dem Namen Langenau wäre, was fraglos zu vielen Verwechslungen führen würde. Und weiter wurde von Bürgermeister Gustav Kutzner und seiner Kommission erklärt, dass der vier Kilometer lange Ort an der östlichen Seite mit der Gemarkung an die Grenzmark stößt, so dass die fast 3000 Hektar umfassende Gesamtgemarkung in lange, handtuchförmige Flächen aufgeteilt war, wie Messtischblatt und Kreiskarte zeigten! und dass dies auf die Orts- und Gutsgrenzen, Eisenbahn, Kreis- und frühere Heerstraßen zurückzuführen war, die fast alle von Süden nach Norden führten. Mit dieser Begründung und dem Hinweis, dass der Ton im Namen auf die Silbe „mark" gelegt wird, erhielt das bisherige Tschepplau den Namen Langemark, der nach etwa vier Wochen obrigkeitlich bestätigt wurde.
— Dass der Ort mit diesem Namenswechsel keinen üblen Tausch gemacht hat, ist sicher und gilt auch für manchen anderen, der in jener Zeit erfolgte, z. B. Schlawa/ Schlesiersee usw.

Nun noch einige allgemeine Daten und Berichte über das Dorf und seine Bewohner, die nicht in Vergessenheit geraten sollten.
Nach der letzten Volkszählung vom 17.5. 1939 betrug die Einwohnerzahl von Langemark 1 066. — Ständige Bevölkerung unter Berücksichtigung der Fortschreibung nach dem Stande vom 31. März 1944 = 1291. Die damalige Gemeindeverwaltung setzte sich wie folgt zusammen:

Bürgermeister: Gustav Kutzner

Beigeordnete: Kaufmann Herbert Weiß, Bauer Robert Stephan

Gemeinderat: Bauer Robert Faustmann, Lehrer Ernst Flögel, Gutsbesitzer Walter Rother, Schafmeister Ernst Lindner, Vogt Paul Büttner, Bauer Bruno Riese

Kassenwalter: Schuhmachermeister August John


Weitere Dienstobliegenheiten:

Amtsvorsteher: Kaufmann Herbert Weiß

Standesbeamter: Bauunternehmer Gustav Kutzner

Postagentur: Wilhelm Fröhlich und 2 Zusteller

Bahnhof: Vorsteher Reinhold Eichberg

Polizei: Gendarmerie-Hauptwachtmeister Erich Köhn

Fleisch- und Trichinenbeschau: Erich John

Evangel. Kirche: Pastor Alfred Bayer, Organist Richard Bock

Kath. Kirche: Pfarrer Hackenberg, Organist J. Hollmann

Zum Kirchspiel der evangel. Kirche gehörten noch die Dörfer Altkranz und Höckricht. Auch das Dorf Grochwitz wurde mitbetreut. — Als Organe der Kirchengemeinde fungierten der Kirchenvorstand und die Kirchengemeindevertretung.


Gemeinschaftseinrichtungen: Evang. Friedhof, kath. Friedhof, Sportplatz, Feuerwehrgerätehaus, 1 Jugendraum (Hospital), Raum für standesamtl. Trauungen (in der kath. Schule).


Gesundheitswesen: 2 Zahnärzte, 1 Drogerie, 1 Hebamme.


Gewerbebetriebe: 3 Bäckereien, 3 Fleischereien, 6 Kolonialwaren- und Lebensmittelgeschäfte, 4 Windmühlen, 1 mechan. Mühle, 1 Käserei, 5 Gastwirtschaften, 1 Bauunternehmen, 1 Sägewerk mit Holzhandlung, 2 Dachdeckereibetriebe, 1 Klempnerei, 2 Malerbetriebe, 1 Ofensetzbetrieb, 5 Tischlereien (davon 2 voll mechanisch), 2 Stellmachereien, 1 Sattlerei, 3 Schneidereien für Herrenbekleidung und 2 für Damenbekleidung, 5 Schuhmachereien, 1 Schuhgeschäft, 2 Textilwarengeschäfte, 1 Uhrmacher mit Ladengeschäft, 1 Radiogeschäft, 3 Fahrradhandlungen, 1 Gärtnerei, 2 Tankstellen, 1 Haushaltswarengeschäft, 1 Frisör, 2 Geschäfte für Getreide, Düngemittel und Kohle, 1 Korbmacherei.


Der Strom wurde von der Stromeinkaufsgenossenschaft Glogau-Nord bezogen. (Geschäftsführer der Genossenschaft in Langemark war Schuhmachermeister August John.)
Die Landwirtschaft hatte eine Gesamtflächengröße von 2782,7 ha, davon waren 819 ha Wald.
Bei den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben bestanden folgende Größenordnungen:
von 0,5 ha bis unter 5 ha = 39 Betriebe
von 5,0 ha bis unter 10 ha = 26 Betriebe
von 10,0 ha bis unter 20 ha = 20 Betriebe
von 20,0 ha bis unter 100 ha = 35 Betriebe
von 100,0 ha und mehr = 2 Betriebe
122 Betriebe

Lt. Viehzählung von 1943 waren in den Betrieben 169 Pferde und 1011 Rinder. Hauptsächlich wurden Roggen, Weizen, Hafer und Gerste angebaut. — Gedroschen wurde damals meistens im Winter. (Vor der Elektrifizierung mit Breitdrescher, welcher mit dem sogenannten Göpel — von Pferden gezogen — betrieben wurde. Bei diesem Vorgang musste noch mit der Wurfmaschine gereinigt werden. Nach der Elektrifizierung wurden moderne Maschinen eingesetzt, bei denen Dresch- und Reinigungsvorgang vereint waren. — Aber auch der Kartoffelanbau nahm einen beträchtlichen Teil der landwirtschaftlichen Nutzfläche ein. Verschiedene Betriebe bauten auch Zuckerrüben an, die hauptsächlich in Fraustadt und Zarkau verarbeitet wurden. — Die Milch wurde zur Molkerei Rüegg nach Mitteldriebitz geliefert. Jeden Morgen holte der Milchwagen die großen Kannen von den Gehöften ab und brachte diese zur Molkerei. — Einige der landwirtschaftlichen Betriebe hatten Herdbuchvieh. _ Verschiedene Landwirtschaften gehörten der Brennereigenossenschaft Altkranz an, wohin die Kartoffeln geliefert wurden.
Mit den hier namentlich aufgeführten Besitzern bzw. Inhabern der Langemarker Betriebe und Geschäfte wird sich mancher Leser und Heimatfreund persönlich verbunden fühlen oder zumindest doch viele Erinnerungen verknüpfen können. Sie alle waren ein Stück Dorfgeschichte, eben ein Teil unserer in vielen Generationen gewachsenen Gemeinschaft.

Wir erinnern uns an:
Die Bäckereien: Willi Tschache, Max Grocholl, Wilhelm Gillert; Fleischereien: Bruno Arlt, Paul Jakob, Alfred Wuttig; Kolonialwaren: Paul Pietsch, Willi Tschache, Max Grocholl, Clemens Deichsel, Wilhelm Gillert, Ida Suckel; Windmühlen: Gustav Heinze, Robert Kuschik, August Priezel, Willi Kosmehl (Kliche); Mechan. Mühle: Willi lllmann; Käserei: Alex Wilhelm (verarbeitete in einem kleinen Molkereibetrieb die Milch vom Dominium zu Butter und Käse; Gastwirtschaften: Robert Strauchmann, Alex Wilhelm, Emma Hoffmann, Richard Palm, Hermann Weiß. Auch im Bahnhof wurde eine Gaststätte betrieben; Bauunternehmer: Gustav Kutzner; Sägewerk: Ernst Pinkwart/Ingersleben; Dachdeckereien: Oswald Wilde, Oskar Wilde; Klempnerei: Alfred Rusch (reparierte auch elektr. Leitungen); Malerbetriebe: Alfred Eckert. Walter Gramsch; Ofensetzbetrieb: Robert Klamke; Tischlereien: Gustav John (mechan.), Auguste John, Gustav Gillert, Gustav Gollmer, Adolf John; Stellmacher: Franz Kuczkowski, Werner Rusch; Schmiede: Alfred Wende, Albert Keil; Sattler: Hermann Schulz; Herren-Schneider: Hermann Wittwer, Hermann Knappe, Paul Riedel; Damen-Schneider: Frau Matschefski, Frau Hoffmann; Schumacher: August John, Erich Hein, Wilhelm Sindulka Josef Woitschefski, Alfred Methner; Schuhgeschäft: August John; Textilwaren: Paul Riedel, Clemens Deichsel (früher Bärwald); Uhrmacher: Hermann Kosmehl; Radiogeschäft: Helmut Kosmehl; Fahrradhandlungen: Alfred Wende, Albert Keil, Helmut Kosmehl; Gärtnerei: Kurt Wagenzink; Haushaltswaren: Robert Gillert; Frisör: Paul Biene; Tankstellen: Alfred Wende, Max Grocholl; Korbmacherei: Bruno Klitscher; Getreide, Dünger, Kohlenhandel: August Schulz, Anton Müller.

Nur wenige Bilder von Gewerbebetrieben aus der Vorkriegszeit standen für diesen Bericht zur VerfügungGeschäftshaus Bergdorf

>Geschäftshaus Bergdorf<

Groccholls Bäckerei

>Bäckerei und Konditorei Max Grocholl<

Langemark Schule

>Die Schule in Langemark<

Nihes Warenhandlung

>Niehes Warenhandlung<

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