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Nach der Vorgeschichte nun zum Dorf und seinen Bewohnern! Die Einwohnerzahl der Kreisstadt Glogau hat sich von 14 502 (davon 11 200 Zivilpersonen, 3 302 Militärpersonen) — 9 359 Evangelische, 4147 Katholische und 991 Juden im Jahre 1840 auf 24 471 Einwohner (davon 21 456 Zivilpersonen und 3 018 Militärpersonen) — 16 528 Evangelische, 7 286 Katholische und 569 Juden im Jahre 1910 vermehrt.
Tschepplau hat sich von 982 Einwohnern im Jahre 1756 auf 1 340 Einwohner im Jahre 1858 vermehrt und ging 1910 auf 1 101 Einwohner zurück. Nur die Bevölkerungszahlen der Dörfer nahe der Stadt nahmen zu.
Tschepplau war mit 4,5 km das längste Dorf des Kreises. Es lag an der Landstraße Glogau — Schlesiersee (Abzweigung nach Fraustadt) etwa 14 km von der Kreisstadt entfernt.
Zur Gemeinde Tschepplau gehörten die Vorwerke Ingersleben, Eichberg, Heidevorwerk und Marienfeld. Nach der Vegetationsdecke kann man diesen nördlichen Teil des Kreises in Ackerland, Wiese, Wald und Heide unterscheiden. Der Boden reichte vom fruchtbaren Diluvial-Lehm bis zum in Brachland übergehenden Sandboden. Charakteristisch waren die bis ans Oberdorf heranreichenden ausgedehnten Wälder, zum größten Teil aus Kiefern bestehend. Besäumt waren diese Wälder meist mit Birken, mächtigen Kastanien und uralten Eichen. Tagsüber begegnete man hier Kaninchen, Hase, Fasan, Rebhuhn, Reh und Hirsch. Am Abend kamen die Wildschweine aus dem Dickicht und wühlten Felder und Wiesen auf. — Schon bei Sonnenaufgang, wenn die Vögel mit ihrem Jubelgesang den aufgehenden Tag begrüßten, waren die ersten Beerensammler und Pilzsucher bereits im Wald. So mancher Schüler musste sich im Wald sein Taschengeld verdienen; denn hier wuchsen reichlich Blaubeeren, Himbeeren, Walderdbeeren, Preiselbeeren und nahezu alle Pilzarten. Dieses große Waldgebiet grenzte an den Glogauer Stadtforst mit einer Fläche von 3 119 ha. Ziel nicht nur für die Tschepplauer „Ausflügler" war das inmitten des Waldes gelegene Restaurant und Kaffee. Den Stadtforst — teils Nadelwald, teils Mischwald — konnte man von Glogau und Fraustadt aus mit der Eisenbahn bequem erreichen. Die ausgedehnten Wälder waren seit Jahrhunderten kostbarer Besitz der Stadt Glogau. Weniger bekannt ist, dass am Südrande des Stadtforstes in den Sanddünen die ältesten systematisch gehobenen Vorzeitfunde Schlesiens gemacht wurden.
Landschaftlich ist der ganze Kreisteil um Tschepplau und die Nachbarorte überwiegend flach und nur hier und da von einer Hügellandschaft unterbrochen. Zu erwähnen wären hier in südlicher Richtung die Sanddünen von Glogischdorf und Kuttlau sowie in nördlicher Richtung die bewaldeten Anhöhen von Altstrunz und Salisch (Deutscheck), an die sich ostwärts die liebliche „Bienemühler Schweiz" anschließt.
Diesen ausgedehnten Wäldern war es zu verdanken, dass neben der Landwirtschaft die holzverarbeitende Industrie einen beträchtlichen Teil der Erwerbstätigkeit einnahm. In Ingersleben und in unserem Nachbarort Glogischdorf (direkt am Stadtforst gelegen) dröhnten die Kreissägen der Sägewerke. Hier möchte ich noch in Erinnerung bringen, dass die Siedlung Glogischdorf im Jahre 1776 auf Anordnung Friedrich des Großen entstand.
Aber auch in botanischer Hinsicht fanden wir hier eine mannigfaltige Abwechslung der Pflanzenformen, wie es sie sonst selten noch gibt. An den Saatfeldern waren eigentümliche Pflanzen zu finden wie Vogelmilch, Wegerich, Knöterich, Hundskamille, Schafgarbe, Lammkraut, Labkräuter, Ochsenzunge, Bibernelle, Ackerhahnenfuß, Rittersporn, Sand- und Feldmohn, Hirtentäschelkraut, Konrade, Fünffingerkrautarten, Kleearten, Mäusegerste und vieles mehr. — An den Wiesen und Bachläufen wuchsen Pestwurz, Huflattich, Knabenkraut, Ehrenpreis, Zweizahn, Sumpfschmirgel, Gichtrübe, Wollgras usw. In den Heiden, Kiefern und Birkenbüschen kamen vor: Bärlapp, Sandsonnengold, Fadenkraut, Labkraut, Glockenblume, Heidekraut (Erika), Habichtskraut, Winterlieb, Waldmalve, Johanniskraut, Weidenröschen usw. — An den Laub- und Hügelregionen wuchsen verschiedene Farnarten, Goldstern, Vogelmilch, Weißwurz, Seidelbast, Goldrute, Waldmeister, Schuppenwurz, Waldkerbel, Geißfuß, Kälberkopf, Moschuskraut, Hahnenfußarten, Kleearten, Perlgras und vieles mehr. An den Seiten der Landstraßen und an den zwischen den Ortschaften führenden Wegen standen Obstbäume, meist Äpfel und Birnen, seltener Pflaumen- und Kirschbäume. — Von den schattenspendenden Alleebäumen sind zu nennen Ahorn, Pappelarten, Rüster, Esche, Platane Rosskastanie, Linde. — An den Gehöften, freien Plätzen und am Dorfrand wuchsen Gänsefußarten, Vogeltritt, Kamille, Beifuß, Klette, Edeldistel, Kratzdistel, Eisenkraut, Nesseln, Wolfsmilch, Melden, Schierling usw.
Der Struktur des Dorfes entsprechend gab es in Tschepplau neben der Landwirtschaft vorwiegend kleinere und mittlere Gewerbebetriebe. Und es erfüllt uns mit Staunen, dass es hier 1907 doch immerhin nicht weniger als acht Mühlen gab, daneben eine Vielzahl von Handwerksbetrieben: vier Bäcker, einen Dachdecker, einen Klempner, einen Sattler, zwei Schmiede, drei Schuhmacher, einen Stellmacher und zwei Tischler.
Um die im nördlichen Landkreis liegenden Dörfer und den größten See Schlesiens, den Schlawaer See, erreichbarer zu machen, wurde die Bahnlinie Glogau—Schlawa (mit Verbindung nach Fraustadt) gebaut und 1913 dem Verkehr übergeben. Unsere „Bimmelbahn", wie wir sie nannten, führte über Kleingräditz, Biegnitz, Ziebernvorwerk, Kotzemeuschel, Kuttlau, Tschepplau, Linderei nach Schlawa, später bis Züllichau. (Unsere Kreisstadt Glogau wurde bereits 1846 an die Eisenbahnlinie Breslau—Stettin angeschlossen.)
>Tschepplau - evangelische Kirche<
Zu den erwähnenswerten Ereignissen Tschepplaus gehörten weiter die Einweihung der evangel. Kirche, der Bau der neuen Schule und die Umbenennung des Dorfes Tschepplau in Langemark. Erst um 1900 sind in der Umgebung von Glogau mehrere Kirchen und Kapellen gegründet worden, die das Landschaftsbild wesentlich verschönert haben. Die evangel. Kirche in Tschepplau wurde am 14. Juli 1904 eingeweiht. Diese schöne Kirche war wohl keine Dorfkirche. Superintendent Eberlein nannte sie in der Festschrift der Generalkirchenvisitation am 12. Mai 1931 den Dom von Tschepplau. Dazu hatte die Gemeinde wahrlich große Opfer bringen müssen. Hören wir, was unser Heimatpastor Alfred Beyer darüber berichtete: „Erst 1892 hatte man ein sehr schönes, neues Pfarrhaus gebaut. Lange währten die Verhandlungen wegen des Neubaus der Kirche mit den Behörden und insbesondere mit dem Patron der Kirche, dem Grafen von Schlabrendorf und Seppau, welcher mit einer Renovierung des alten Kirchengebäudes glaubte auskommen zu können. Schließlich entschied die Kirchenbehörde zu Gunsten der Gemeinde für einen Neubau. Der Rohbau wurde auf 48.000,— RM veranschlagt, davon entfielen auf die Gemeinde 16.000 — RM und 32.000,— RM auf das Patronat. Für den geplanten Turmbau hatte die Kirchengemeinde selbst einzustehen. Der vom Konsistorium in Breslau vorgelegte Bauplan entsprach einer bereits in Plicken/Ostpreußen erbauten Kirche. — Nachdem der Tschepplauer Pastor Roye mit dem stellvertretenden Vorsitzenden des Gemeindekirchenrates, Amtsvorsteher Faustmann, diesen Bau an Ort und Stelle besichtigt hatten, wurde das Gotteshaus in Tschepplau mit geringen Abweichungen in gleicher Form zur Ausführung gebracht und im Frühjahr 1903 dem Baumeister Otto Rühr in Glogau übertragen. Am Reformationsfest 1903 wurden die Glocken von der Bahnstation Driebitz (Tschepplau hatte ja noch keine Bahnstation!) feierlich eingeholt und geweiht. Das Geläute war in der Hauptsache eine Stiftung der Familie Peukert. Im Dreiklang e-g-h von der Firma Schilling in Apolda gegossen, zählte es zu einem der schönsten in unserer Gegend. Der innere Ausbau der Kirche zog sich noch bis in den Sommer 1904 hin. Das schöne hohe Bild in Buntglasausführung im Altarraum, die Jünger von Emmaus darstellend, war eine Stiftung der Familie Faulhaber. (Das Bild erschien in der Ausgabe 12/1982 unserer Heimatzeitung.) Familie Heinze stiftete die schweren bronzenen Kronleuchter und Familie Kliche den in dunkler Eiche geschnitzten Behälter für die Taufschüssel.
Am 14. Juli 1904 wurde das Gotteshaus durch den damaligen Generalsuperintendenten von Schlesien, Nottebohm, in Anwesenheit vieler Geistlicher geweiht. Der Patron mit seiner Familie schenkte vier silberne Altarleuchter, ein ebensolches Kruzifix, sämtliche Abendmahlsgeräte und die Taufschüssel, alles in schöner Silberausführung. Im Auftrage der Kaiserin Auguste Viktoria übergab der Generalsuperintendent der Kirchengemeinde eine mit Silberbeschlägen in Schweinslederband ausgestattete Bibel. Die Spenderin hatte eigenhändig als Widmung das Gotteswort aus den Klageliedern Jerem. 3,24 eingetragen: Der Herr ist mein Teil, spricht meine Seele, darum will ich auf ihn hoffen. — Niemand konnte damals ahnen, dass nur 13 Jahre später zwei der schönen Glocken dem Kriege geopfert werden mussten. 1921 wurden neue beschafft, die nach 20 Jahren das gleiche Schicksal teilten. Am 40. Erinnerungstage der Kirchweihe gelangte an einer Schmalseite beim Altarraum ein Heldengedenkmal zur Aufstellung, das wir in einem feierlichen Gottesdienst am 16. Juli 1944 seiner Bestimmung übergaben. Das auf diesem altarähnlichen Tisch, der von drei ineinander verflochtenen, über zwei Meter hohen Kreuzen überragt wurde, niedergelegte Heldenbuch verzeichnete bis Ende Januar bereits 49 Namen von Gefallenen. Es war für die Hinterbliebenen dieser Helden eine Stätte täglicher, stiller Sammlung, die noch in der Winternacht unseres Wegzuges aus der Heimat uns grüßte. Pastor Beyer schloss seinen Bericht in Erinnerung an unsere Heimatkirche wieder neu zu dem Bekenntnis des 26. Psalmen: Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses und den Ort, da deine Ehre wohnt! Erinnern möchte ich an den Spruch, der in goldenen Lettern auf schwarzer Marmortafel über dem Haupteingang der Heimatkirche alle grüßte, die dort ein- und ausgingen: Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit (Hebräerbrief Kapitel 13 Vers 8). |
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