Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 5, Mai 2017

Tschepplau (Langemark)

Eine heimatkundliche Betrachtung von Siegbert John

 

Es gehört wohl zur Tragik unserer Generation, dass wir verhältnismäßig wenig über die Vorgeschichte unserer Heimatdörfer wissen. Die Tatsache, dass Urkunden, hinweisende Literatur usw. kaum vorhanden sind und manches aus unserem Gedächtnis entschwunden ist, grenzt die kulturhistorische Arbeit erheblich ein. Unsere „alte Generation", die einen beträchtlichen Teil unserer Dorfgeschichte „machte" oder wenigstens mit mehr Bewusstsein miterlebte, kann uns keine Auskünfte mehr geben. So müssen wir uns mit dem begnügen, was uns verblieben ist und was sich noch ermitteln lässt. (Besonders ausführliche Berichte wie „Priedemost — Ort und Landschaft" von Rektor i. R. Alwin Henning sind leider selten.)
Dankbar ist die Redaktion der Heimatzeitung daher für jeden Bericht der Heimatfreunde, die unsere diesbezügliche Arbeit unterstützen. So waren auch die Hinweise und Notizen meines Cousins Erich John eine erfreuliche Ergänzung dieses Berichtes. (Hfrd. Erich John übernahm in Tschepplau die Schuhmacherei und das Schuhgeschäft seines Vaters und war nebenbei sehr aktiv in der Gemeindeverwaltung tätig.)
Aber auch was in alten Annalen, Kirchenbüchern und Grabinschriften vermittelt wird, ist meist sehr geschichtsträchtig und aufschlussreich und wird uns oft sehr nachdenklich stimmen. Jedoch sind auch diese stummen Zeugen unserer Vergangenheit eben nur ein Teil unserer Heimatgeschichte und -kultur.
Die jüngste Periode der Eisenzeit, die sogenannte La-Tene-Zeit, leitet bereits hinüber zur ältesten geschichtlichen Periode der schlesischen Geschichte. — Den Römern verdanken wir die ersten geschichtlichen Nachrichten über Schlesien. Gräber- und Münzenfunde, Waffen, Tongefäße, Geräte und Schmuck verschiedener Art ergaben den Nachweis über das Vorhandensein der schlesischen Urbevölkerung und zwar der suevische Lugier oder Lyger. Zu ihnen gehörten wohl auch die von Ptolemäus aufgeführten Silingen, von deren Stammbezeichnung sicher der Name Schlesiens abgeleitet ist.
Als die germanische Urbevölkerung dem allgemeinen Zuge nach Westen (Völkerwanderung) folgend, das schlesische Land verlassen hat und wahrscheinlich mit den übrigen Sueven nach Spanien wandernd dort im Kampf mit den Westgoten untergegangen ist (um 410), fluteten in das verlassene Land von Osten her die Slawen. Und so wurde Schlesien für etwa siebenhundert Jahre ein zum großen Teil slawisches Land. (Reste der Silinger dürften sich in der Gegend des Zobten noch lange Zeit behauptet haben.) - Bei der Eroberung der Grenzgebiete und Schlesiens durch Boleslaus I. (Chrobry, 999 - 1025) tauchte der erste schlesische Ortsname in der Geschichte auf; Nimptsch, dessen Name (Niemci = Sitz der Deutschen) wahrscheinlich auf Reste germanischer Urbevölkerung hinweist.
Das Vorhandensein der meisten Ortschaften des Landkreises Glogau ließ sich urkundlich bis ins 13. und 14. Jahrhundert verfolgen. Es ist anzunehmen, dass diese Siedlungen noch mehrere Jahrhunderte älter sind und in die Zeit zurückreichen, als dieses Gebiet an der Oder von Slawen besiedelt war. (Als im Jahre 1010 Kaiser Heinrich II., der Heilige, gegen den Polenherzog Boleslaus zog, fand sein Heer Glogau schon als befestigten Ort vor, der ihm den Übergang über die Oder wehrte.) So deuten auch viele Ortsnamen auf deren slawischen Ursprung. Diese Ortsbenennungen geben oft Aufschluss über Lage und Bestimmung des Ortes, Beschäftigung der Bewohner und Beschaffenheit der Gegend zur damaligen Zeit. Die Namen sind meistens hergeleitet von Tieren, Pflanzen usw., da sich die Bewohner hauptsächlich mit Viehzucht und Ackerbau beschäftigten.
Tschepplau gehört zu den Orten, die nach Tieren benannt wurden. Tschepplau könnte abgeleitet sein von czapla = Reiher, Czaplaw = Reiherplatz. - In den letzten Jahrzehnten waren in Tschepplau und Umgebung Reiher kaum noch anzutreffen. Interessant ist jedoch ein Hinweis im Heimatbuch des Kreises Freystadt, wonach sich noch in den zwanziger und dreißiger Jahren bei der Oberförsterei Lippen, etwa zwölf km von Carolath, eine starke Reiherkolonie befand. „Auf ungefähr 30 Meter hohen, 130- bis 140jährigen Altholzkiefern saßen 20 große, dunkle Klumpen. Das waren Reiherhorste. Jeder von ihnen hatte einen Durchmesser von fast 1 1/2 m, war aus starken Reisern erbaut, mit weißem Kot übertüncht. Den Waldboden überdeckten Fischreste und grünspanfarbige Eierschalen." Der gleiche Bericht erwähnt eine fünf bis sechs Horste zählende Kolonie bei der Försterei Aufhalt am Schlawaer See.

Diese Ortsnamen slawischen Ursprungs wurden nach oftmaligen Abwandlungen auch nach der Besiedlung Schlesiens mit deutschen Siedlern, die auf Veranlassung piastischer Herzöge ins Land kamen, übernommen. Der Vorgang der Kolonisation vollzog sich bei der Anlage von Dörfern so ziemlich überall in derselben Weise. Der Landesherr erteilte einem Grundherrn das Recht, ein Dorf zu deutschem Recht auszusetzen, und ließ von seinen Beamten die Grenzen der Flur durch Grenzsteine, Erdhaufen, alte Bäume, Wasserläufe und dergl. feststellen. Der Inhalt der Flur wurde nach „Hufen" bestimmt, wobei man auch im Glogauer Siedlungsgebiet die große oder fränkische (ungefähr 140 Morgen) und die kleine oder flämische Hufe unterschied. (Man hat errechnet, dass im Zeitraum von 1200 bis 1350 etwa 120 Städte und über 1200 Dörfer in Schlesien gegründet wurden. Es war genügend Platz, es brauchten keine Slawen zu weichen. An Stelle der vorhandenen kleinen unregelmäßigen Siedlungen wurden große Straßen- und Angerdörfer angelegt. Viele dieser Dorfformen sind in unserem Landkreis vertreten. Die den slawischen und deutschen Bewohnern gemeinsame christliche Lebensgrundlage und die gemeinsame Aufgabe der Erschließung des noch wenig entwickelten Landes war stärker als die sprachlichen und nationalen Unterschiede. So konnten viele bereits vorhandene polnische Dörfer deutsches Recht erhalten. Nicht selten wurde neben das „alte" „polnische" ein neues Dorf zu deutschem Recht ausgesetzt, das dann den Beinamen „deutsch" oder „neu" erhielt. (Neu-Strunz, Neu-Driebitz usw.) So haben die Dörfer unseres Kreises ihre Eigenart und weichen in Grundriss und Anlage vielfach voneinander ab. Es sind unter ihnen die verschiedensten Dorfarten vertreten; neben deutschen Reihen- und Straßendörfern (Tschepplau/Langemark!) finden sich slawische Rundlinge wie das typische Kattschütz (Würchland).
Prähistorische Funde in der Tschepplauer Gemarkung waren selten. Im Jahre 1813 wurde auf den Feldern des Rittergutes Tschepplau an der Kuttlauer Grenze nahe Zeiskekrug eine Urne gefunden. Diese war etwa 24 cm hoch und hatte einen Durchmesser von 27 cm. Die bauchige Außenwand trug einfachen Runenschmuck. Die sachverständigen Archäologen ordneten sie ihren Merkmalen nach der jüngeren Bronzezeit zu. Demnach müsste die Urne aus dem Zeitraum von 1200 bis 800 v. Chr. stammen. - Erwähnenswert ist der weitere Weg dieses Fundstückes. Der damalige Besitzer des Rittergutes Tschepplau, Freiherr Ernst v. Kottwitz, übergab die Urne dem Museum in Schleiz/Thür. Dort hat sie 130 Jahre zur Schau gestanden, bis die Stadt im 2. Weltkrieg einem Bombenangriff zum Opfer fiel und von dem Museum nur ein Trümmerhaufen übrig blieb. Nach Kriegsende fand die Tochter eines schlesischen Archäologen im Schutt die noch gut erhaltene Urne, welche dann auf Grund der noch vorhandenen Unterlagen als die im Jahre 1813 in Tschepplau gefundene Urne erkannt wurde. Heute befindet sich die Urne im Besitz der Familie des Grafen von Schlabrendorf, die im vorigen Jahrhundert die Herrschaft in Tschepplau besaß.
Die deutsche Kolonisation rief auch in kirchlicher Beziehung einschneidende Veränderungen hervor. Da die Deutschen bestrebt waren, in jedem Dorfe eine Pfarrei zu errichten, wuchs mit der fortschreitenden deutschen Kolonisation auch die Zahl der Pfarreien. Diese Vermehrung der Pfarreien wiederum machte unter Bischof Lorenz (1207—1232) die Einrichtung des Glogauer Archidiakonats notwendig. Auch Tschepplau gehörte 1399 zu den 26 Pfarreien des Archipresbyterates Glogau. - Während bis zum Jahre 1227 von allen Äckern an die Kirche der volle Garbenzehnt entrichtet werden musste - die Kastellaneien Sagan und Bunzlau zahlten ihren „Zehnt" in Honig -, trat unter Heinrich I. für deutsche Einwanderer die Milderung ein, dass sie fortan ein bestimmtes Maß an Schüttgetreide oder einen Geldbetrag (12 Groschen von der Hufe) zu entrichten hatten. Auch die Dörfer in der Glogauer Gegend leisteten zum größten Teil den Feldzehnten.Tschepplau Schloss

Im Glogauer Kreis sind die meisten der älteren kirchlichen Bauwerke (in gegenwärtiger Form) in der Zeit von der Wende des 15. Jahrhunderts ab entstanden. Sie sind fast durchweg aus Granitfindlingen und Ziegeln an den Ecken errichtet. Zu ihnen gehört auch die Kirche von Tschepplau (Martinikirche, von 1507 notiert, Glocke von 1497. Die Kirche wird 1399 zum ersten Mal erwähnt, ist aber in der jetzigen Bauweise an 100 Jahre jünger. Am Turm ist eine interessante Beobachtung zu machen. Bei 1,15 m Höhe über dem Erdboden beginnend und bis zu 9,30 m reichend sind die Jahreszahlen 1507, 1508, 1509 (an der Westwand der Kirche) und 1511, 1512, 1513 (an der Stirnseite des Südwestpfeilers) in Sandstein gehauen. Diese Zahlen deuten wahrscheinlich auf den Baufortschritt (jährlich 70 cm) hin. Die Mauern der Kirche sind aus Granitfindlingen und Ziegeln errichtet. Am Turm und am Langhaus sind Strebepfeiler angebaut. Die Fenster sind rundbogig geschlossen, das Langhaus hat drei Joche. Auch die Tür am Turm ist spitzbogig. In der Nische darüber ist ein eigenartiges Relief des Täufers: Der Knabe Johannes schöpft mit einer Schale aus einer Quelle Wasser, ein Lamm steht neben ihm. Auf der Fahne des Turmes steht „Ren. 1795". An der Nordseite steht das Missionskreuz mit der Jahreszahl 1928. Auf der Westseite des Kirchhofes liegt Pfarrer Sebald Schömmel begraben (gest. 1922), in seiner Nähe Pfarrer und Erzpriester Anton Graupe (gest. 1885) und Pfarrer Eduard Sabisch, Pfarrer in Tschepplau seit 1858. - An der Südseite der Kirche liegt ein Pastor begraben aus der Zeit, ehe die evangel. Kirchengemeinde einen eigenen Friedhof besaß: „Ein treuer Diener des Wortes Gottes Gustav Kahler, Pastor der evangel. Kirchengemeinde zu Tschepplau, ... allhier in seinem heiligen Amte seit dem 24. Januar 1841." Die im Südosten angebaute Kapelle und der Chor haben einen im Sinne der deutschen Renaissance gehaltenen Giebel. An der Nordseite der Kirche war früher die Gruft der Familie von Schweinitz.
Dieses alte Adelsgeschlecht ist urkundlich nachweisbar bis ins 16. Jahrhundert. Ein Nachfahre dieses Christoff von Schweinitz war Graf von Tschepplau und Hansdorf. Dieser musste nach dem Frieden von 1648 den Landeshauptmann des Fürstentums Glogau, der sich meistens in Breslau aufhielt, vertreten. In dieser Zeit behielt die schwedische Regierung in den Orten unseres Landkreises neben der kaiserlichen eine überwiegende Gewalt. Zudem fehlten die energisch einschreitenden Organe der kaiserlichen Behörden. Also war das eine schwierige und undankbare Aufgabe für den Tschepplauer Grafen!
Das Wappen des Grafen von Schweinitz wurde später in der zerstörten Gruft an die im Nordwesten angebaute Sakristei angebracht. Erwähnenswert ist auch, dass vom „Alten Schloß" aus eine später zugemauerte Tür in der Kirchhofsmauer zu den zwei herrschaftlichen Logen in der Kirche führte. Das Schild an der alten Sakristei trägt neben dem Wappen von Burghauß und Schweinitz die Inschrift: „Elisabeth Ulrica Theresia verwittibte Freiin von Schweinitz geborene Gräfin von Burghauss hat diese Gruft erweitert Anno 1736". Die Steinsärge standen auf Löwen und Greifen, die später teils in der Gruft, teils vor dem Pfarrhaus und vor dem Schulhaus standen. Weiter ruhen in dieser Kirche die Geschlechter Nostiz, Zedlitz, Uechtritz, Nimptsch, Schellendorf und Kottwitz. Auf dem vorderen der vier Steinsärge stand die Inschrift: „Ursula Helena vermählte Freiin von Schweinitz geborene von Zedlitz, Freifrau auf Tschepplau, Penckendorf, Wettschütz, Milchau, Wilkau geb. Anno 1688 den 18. Febr., gest. Anno 1726 den 9. Mai, alt 38 Jahr, 2 Monate, 21 Tage." Auf dem Sargdeckel stand rechts:
„Das war mein letztes Haus, das allerkleinste zwar / von allen in der Welt, da meine Wohnung war, / Doch gab mir keines sonst so angenehme Ruh, / Denn dessen Türe schloß mein Jesus selber zu. / Betrachte, Sterblicher, die Nichtigkeit der Welt. / Wenn Tugend, Glück und Stand so bald zu Boden fällt." —
Auch die beiden Söhne des Hans Christoph Schweinitz starben bereits im Alter von 24 bzw. 30 Jahren. Beide Söhne erwarben, wie auf den Grabsteinen ersichtlich, „Qualitäten durch Studia und vernünftige Reisen" über Genf nach Frankreich, Holland, England, Italien. Sie zählten zu den Gelehrten des schlesischen Adels. Den jüngeren Bruder hatte Friedrich der Große „gegraft". Die Grabinschrift besagte: „Dieses Behältnis verwahrt das entseelte Wohnhaus des weiland hoch- und wohlgeborenen Herren, Herrn Karl Friedrich Graf Schweinitz, Freiherrn zu Tschepplau, Erbherrn der Güter Tschepplau, Wettschütz, Milchau, Wilkau, Penkendorf und Altkranz". Durch seine leibliche Geburt 1719 den 25. Juni wurde er zu den vornehmsten Geschlechtern des Landes Schlesien, durch seinen aufgeweckten Verstand und unermüdlichen Fleiß zu den gründlichsten Gelehrten gezählt.
So war das Geschlecht ausgestorben. Der Witwer der Tochter Hans Ernst von Posadowsky erbte die Güter und verkaufte 1754 Tschepplau an den Kosakengeneral Graf von Tottleben, dieser dann an Adam Melchior von Kottwitz. („Ritter, Freiherr und Major bei einem Regiment Kürassiers in römisch-kaiserlichen Diensten".) Auf der Grabinschrift heißt es: „Er war ein Christ, ein wahrer Menschenfreund, ein Vater seiner Untertanen, freute sich, andere glücklich zu machen, starb im Glauben an seinen Erlöser, sein Andenken bleibt in Segen."

Erst im 20. Jahrhundert wurde der Hochaltar errichtet. In den Ecken des Altarraumes standen Barockfiguren des hl. Hieronymus und hl. Augustinus. Das Glasfenster zeigt die Bilder der hl. Hedwig und des Frankenbischofs Martin, des Patrons der Tschepplauer Kirche. Beachtenswert war auch der Taufstein aus Stuckmarmor in klassizistischen Formen. Die einfache Steinkanzel entstammte der Renaissancezeit. Auf dem Turm hing eine Glocke von 1497 mit der Inschrift: „O Rex glorie, veni cum pace. O Koen(ig) der eren, kom mit frede. MCCCCLXXXXVII." —

Wird fortgesetzt

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