Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 5, Mai 2017

Schloss Carolath in Schlesien

 

 

Jeder Schlesier horcht auf, wenn er dem Namen Carolath begegnet. Erinnerungen werden lebendig an den hoch über der Oder gelegenen alten Herrensitz mit dem prächtigen Renaissancegiebel, an das altersgraue Portal mit der hochragenden Bastei, an die massive Schlossbrücke und an die jahrhundertealten lebensgroßen Statuen, an den Aussichtsturm auf der „Adelheidshöhe" mit dem Fernblick auf das weite Odertal, an den mit üppigen Fliederbüschen bestandenen Höhenweg mit der Brücke über die Straße nach Schlawa.Carolath Adelheitshöhe

>Carolath – Adelheidshöhe<

Die Geschichte des Ortes geht bis in das 13. Jahrhundert zurück und weiß von einer umwallten Feste zu berichten. Wo sich heute die Ruine des Schlosses befindet, stand um 1360 ein Jagdhaus, das dem deutschen Kaiser Karl IV. gehörte. Mit dem ausgedehnten „Karlswald" ging es 1381 als Lehen in den Besitz der Rechenbergs über, die hier eine größere Siedlung und Gutsherrschaft schufen. Längst war das Jagdhaus räumlich erweitert und durch einen massiven Steinbau ersetzt worden, als es 1561 durch Franz von Rechenberg an den Ritter Fabian von Schönaich verkauft wurde. Erbauer des uns bekannten Schlosses, dessen Kern bereits 1592 entstand, war der Philantrop und Humanist Georg von Schönaich-Carolath, der es nach den Plänen des Liegnitzer Architekten Becker von 1597 bis 1600 errichten ließ, während die Bildhauerarbeiten und besonders das Portal dem Liegnitzer Meister Kaspar Berger zu verdanken sind.

In seiner wechselvollen Geschichte, besonders während des Dreißigjährigen Krieges hat Schloss Carolath viele Veränderungen erfahren. Noch in das 17. Jahrhundert fällt der Bau der wundervollen Schlosskapelle während die umfangreiche und wertvolle Bibliothek eine Schöpfung des 18. Jahrhunderts ist. Carolath Schloss Hauptportal

>Carolath – Das Schloss-Hauptportal<

Es kamen hinzu der Fürstensaal mit den 40 Kaiserbildern und vielbewunderten Stuckarbeiten eines Bildhauers Scholz und unter dem Grafen Hans Carl der große Theatersaal für das eigene Ballett und die eigene Theatergruppe. Wohl am schönsten war aber die Sala terrena, die dem Freystädter Baumeister und Bildhauer Wagner (1713 bis 1715) zu danken ist. Sie zeigte wundervolle Bilder der antiken Mythologie.Carolath Schlosskapelle

>Carolath – Schlosskapelle mit Kanzel<

Schloss Carolath mit seinen vielen Kunstschätzen übte auf Künstler, Forscher und Erzieher eine starke Anziehungskraft aus. Hier müssen der von Hans Carl ernannte Hofprediger Martin Crugot (1747) und der spätere Universitätsprofessor Arelius Feßler (geb. 1754 in Wien) genannt werden. Auf Anregung der Fürstin Amalie geb. Gräfin und Burggräfin zu Dohna schrieb Crugot ein Erbauungsbuch „Der Christ in der Einsamkeit", dem der Großkanzler Graf Carmer seine besondere Förderung angedeihen ließ. Die Nichte Talleyrands und spätere Herzogin von Sagan war während ihrer Jahre in Günthersdorf und Deutsch-Wartenburg
(1840 und später) wiederholt gern gesehener Gast im Schloss, in der „Cottage" und in „Heinrichslust", wohin Fürst Heinrich Carl Wilhelm auch den Dichter Emanuel Geibel (1849, 1850 und 1852) einlud. Auch der verdienstvolle Übersetzer und Freund des bekannten Arztes und Naturforschers Karl Gustav Carus, Johann Gottlob Regis (1791 bis 1854) aus Breslau, war wiederholt Gast des Fürsten Heinrich in Carolath, wo er auch einen Teil seiner Michelangelo-Übersetzung vollendete.

Die Oder im Frühling

Wie fließest du so sacht und still
ins weite, feierliche Land!
Wie jemand, der nach Hause will
und seinen Heimweg wiederfand.
Die ersten Blumen blühen auf
am Weidenbusch und Uferhang.
Sie lauschen alle deinem Lauf
und deinem heimlichen Gesang.
Wo bliebst auch du, wo kommst du her,
Zugvogel, Bruder Vagabund?
Er sieht stromab wie übers Meer
und übers ganze Erdenrund.
Bald kehren auch die Schwalben heim
und mancher andre Vogelzug.
Sie singen dir den schönsten Reim
und wissen dir nicht Lob genug.
Wir selber ziehen wieder jung
zum Ufer hin im Frühlingslicht,
und sehen voll Verwunderung
des Stromes ewiges Gesicht.
Wie fließest du so sacht und still
ins weite, feierliche Land!
Wie jemand, der nach Hause will
und seinen Heimweg wiederfand.

Von Hans Niekrawietz

zum Seitenanfang

zum Seitenanfang