Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 5, Mai 2016

Andreas Gryphius – seinLeben und sein Werk

Fortsetzung aus NGA 02/16

von Klaus Chr. Röhrbein

 

Versetzen wir uns noch einmal kurz in das für das weitere Leben unserer bedeutenden Glogauer Persönlichkeit so in das Jahr 1628. Im Frühjahr war seine Mutter an der Schwindsucht verstorben. Im gleichen Jahr verfügte die nun katholisch gewordene Obrigkeit, dass alle Bürger, die nicht den katholischen Glauben annehmen wurden – also konvertieren würden – die Stadt zu verlassen hätten. Diese nun folgenden Ereignisse waren prägend für die weitere Entwicklung von dem jungendlichen Andreas Gryphius. Was war also geschehen?
Mit der Besetzung der Stadt Glogau durch die kaiserlichen Söldner und aufgrund der Anordnung durch den kaiserlichen Landeshauptmann erfolgte nun mit Hilfe der berüchtigten Lichtensteiner Dragoner die Zwangsrekatholisierung von etwa 6000 Bürgern der noch verbliebenen Bevölkerung. Für all die Menschen, die dieser Aufforderung nicht Folge leisteten, folgte nun die Vertreibung aus ihrer Heimatstadt. All ihre Besitztümer mussten in der Stadt verbleiben. Aufgrund einer Verfügung seitens der neunen katholischen Machthaber mussten die auswandernden, besser, die vertriebenen Protestanten alle Mädchen unter 13 und alle Jungen unter 15 Jahren mit dem ihnen zustehenden Vermögen in der Stadt verbleiben. Parallel dazu wurde aufgrund der Anweisungen der Obrigkeit das protestantische Gymnasium aufgelöst und ein katholisches Gymnasium unter der Leitung von Jesuiten neu gegründet. Erst am Ende dieses tragischen Jahres 1628 gelang es seinem Stiefvater Michael Eder Andreas nach Driebnitz – einem zum polnischen Kreis Fraustadt gehörenden Zufluchtsort – zu holen und ihm auch dort Unterricht zu erteilen.
Von nun an begann für Gryphius ein unstetes Leben, das zunächst geprägt war durch die dauernden konfessionell geprägten Auseinandersetzungen, die für ihn eine kontinuierliche Ausbildung unmöglich machten.
Ab Ostern 1631 wollte Gryphius das Gymnasium in Görlitz besuchen, konnte aber aufgrund der folgenreichen kriegerischen Auseinandersetzungen dort keine Unterkunft finden und er trat nun für eine kurze Zeit eine Stelle als Hauslehrer bei einer in Glogau verbliebenen protestantischen Familie an. Aber auch diese Tätigkeit wurde abrupt durch eine im Juni des Jahres erfolgte Feuerbrunft, bei der bis auf 6o Häuser die gesamte Bebauung Glogaus zum Opfer fiel, beendet.
Gryphius fand nun für kurze Zeit eine Unterkunft bei seinem Bruder Paul in Reichersdorf; sein Vater Michael Eder wurde Pastor in Fraustadt und am 3.6.1632 wurde Andreas Gryphius nun Schüler am Fraustädter Gymnasium und gleichzeitig Hauslehrer im Hause des Arztes Casper Otto. In dieser Zeit entstanden die ersten Dichtungen, öffentliche Lobreden sowie Theaterspiele.
Im Folgejahr vernichtete die sich immer weiter schnell ausbreitende Pest mehr als die Hälfte der Bevölkerung Schlesiens; allein in Breslau fanden in dieser Zeit mehr als 18.000 Menschen den Tod. In dieser Zeit verfasst Gryphius sein erstes lateinisches Herodesepos, welches 1634 in Glogau publiziert wurde.
Gryphius verließ nun Fraustadt und sein Weg führte ihn über Thorn – immer der Weichsel folgend – nach Danzig. Die Hansestadt war zu diesem Zeitpunkt eine der reichsten und wichtigsten Städte Europas und bedeutender Umschlagplatz für den polnischen Im- und Export. Dort wurde er nun Hauslehrer bei dem einflussreichen schottischen Admiral der polnischen Flotte Alexander von Seton, in dessen offenem Haus viele bedeutende Persönlichkeiten ein- und ausgingen. Auf diese Art konnte Gryphius aufgrund der so neu entstandenen Kontakte vieles von dem umfangreichen Wissen dieser Persönlichkeiten aufnehmen und sein eigenes vertiefen. Unter dem Einfluss der so kennengelernten neuesten deutschen Literatur verfasste er nun u.a. seine erste deutschsprachige Sonette.
Im August des Jahres 1636 verließ Gryphius Danzig und wurde nun Hauslehrer bei dem kaiserlichen Pfalzgrafen Georg Schönborner in Schönborn, der mehrfach während seiner Tätigkeit im kaiserlichen Auftrag die Konfession gewechselt hatte, dessen Gut nun den verfolgten Protestanten ein erster Zufluchtsort wurde.
Die Mutter Maria Eder verstarb im Folgejahr und sein erstes Sonettenbuch erschien mit finanzieller Unterstützung des Gutsherren in Lissa. Im Juli des selben Jahres 1637 zerstörte eine furchtbare Feuerbrunst Freystadt und unser Autor verfasste eine später manchen Protest auslösende Schrift mit dem Titel Fewrige Freystadt.
Die Auseinandersetzungen im politischen Umfeld nahmen stetig zu, da durch die resolut durchgeführte Arbeit der kaiserlichen Kommission im Rahmen der Gegenreformation nun die Schließung aller noch bisher protestantischen Kirchen erzwungen wurde.
Am 30. November 1637 erfolgte durch den kaiserlichen Pfalzgrafen Georg Schönborner die Dichterkrönung (poeta laureatus) von Andreas Gryphius. Weiterhin erfolgte durch ihn die Ernennung des Dichters zum Magister – die mit der entsprechenden Lehrbefugnis verbunden war - und die Verleihung des Adelsprädikats, die aber bei dem so Geehrten keine weitere Verwendung fand. Am 23. Dezember des gleichen Jahres verstarb der Mäzen und am 29.12. hielt Gryphius seine vermutlich erste Trauerpredigt Brunnen Discours bey dem hochkläglichen Leichbegängnuß.
Im folgenden Jahr heiratete Michael Eder zum 3. Mal und es folgte nun eine nicht näher beschriebene Erbauseinandersetzung von ihm mit Andreas Gryphius, der im Mai 1638 mit den Söhnen Schönboners und einigen anderen wohlhabenden jungen Schlesiern zu weiteren Studien nach Holland aufbrach. Dort immatrikulierte er sich an der Universität Leyden, wo er nun u.a. Anatomie und Jurisprudenz studierte. Bereits im folgenden Jahr 1639 hielt er selbst einige Kollegien in den Fächern Metaphysik, Historie, Poetik, Logik, Astronomie, Mathematik, Tragödie, Naturphilosophie und der praktischen Anatomie, die dort auf große Resonanz stießen. Dabei hatte er auch engen Kontakt zu verschiedenen anderen ebenfalls in Leyden studierenden Schlesiern aufgenommen und die Beziehungen zu ihnen gepflegt; die damals so entstandene Freundschaft mit Hofmann von Hofmannswaldau blieb bis zu seinem Tode bestehen. Zahlreiche Publikationen wurden von unserem Glogauer während seiner Leydener Zeit verfasst.
Im Juni 1644 verließ nun Gryphius als Reisebegleiter des Stettiner Kaufmannssohns Wilhelm Schlegel Leyden. Die Reise führte zunächst nach Frankreich, wo der erste Aufenthaltsort Paris war. Dort hatte er die Möglichkeit in der großen Bibliothek von Kardinal Richelieu arbeiten zu dürfen. Und weiter ging die Bildungsreise über Angern, wo er auch Zeuge des Einzugs der aus England vor ihrem Ehemann, dem englischen König Karl I., geflohenen Königin Maria Henrietta wurde. Später wurde die Königin in England nach einem – aus heutiger Sicht – wohl ziemlich merkwürdigen Prozess auch hingerichtet.
Das nächste Reiseziel war Marseille, von wo aus die Verschiffung nach Florenz erfolgte, wo dann von ihm u.a. auch die Kunstkammer des Großherzogs besucht wurde. Zu Beginn des Jahres 1646 traf die Reisegruppe in Rom ein. Neben vielen Begegnungen mit großen Persönlichkeiten ihrer Zeit machte er dort auch die Bekanntschaft mit dem Jesuiten Athanasius Kircher und dem zu dieser Zeit sehr bekannten Alchemisten, dem Ritter Borrhi.
Weiter ging die Reise über Tusculum nach Florenz, dann über Ferrara und Francolino nach Pulicella am Po und per Schiff weiter nach Venedig, wo er dem dortigen Senat ein lateinisches Epos über die Leiche Christi, das er der Stadt Venedig widmete, überreichte.
Nach der Weiterreise nach Straßburg löste sich die Reisegruppe im Jahre 1646 auf; die bestehenden freundschaftlichen Beziehungen wurden aber weiterhin gepflegt.
Der Umgang mit den Professoren der dortigen Universität in Straßburg bildete die fruchtbare Basis für weitere Publikationen wie z.B. die seines ersten Trauerspiels Leo Armenius.
Ein Jahr später erfolgte die Weiterreise nach Speyer, wo er das dortige Reichskammergericht näher kennenlernen konnte, dann über Mainz nach Frankfurt/Main, dann nach Köln und von dort weiter über Amsterdam nach Stettin. Dort traf er sich im Juli 1647 mit Wilhelm Schlegel und hier fand auch sein Trauerspiel Catharina von Georgien seinen Abschluss.
Am 20. November 1647 traf er wieder in Fraustadt, dort wo auch noch Michael Eder lebte, ein. Kurze Zeit später brachte der Westfälische Friedensschluss von Münster und Osnabrück das lange ersehnte Ende des 30 jährigen Krieges.
Gryphius erhielt in dieser Zeit jeweils einen Ruf von den Universitäten in Heidelberg, Frankfurt/Oder und Uppsala, die aber alle von ihm abgelehnt werden.
Die Zeit der Orientierung und des Suchens in einer Umgebung, die von schicksalhaften Ereignissen geprägt war, die war nun vorüber. Die dabei gemachten Erfahrungen und das dabei erworbene Wissen waren nun die Basis für sein weiteres Tun in Glogau und auch in seiner schriftstellerischen Arbeit, die höchste Anerkennung bei den Zeitgenossen fand, und die noch heute zu den besten dieser Literaturepoche gezählt wird.
Im Januar 1649 heiratet er Rosine Deutschländer, die Tochter eines Ratsherren und Kaufmanns aus Fraustadt. In dieser Ehe wurden 7 Kinder geboren; 4 starben bereits während der frühen Kindheit; der Sohn Daniel im Jahre 1687 während einer Bildungsreise nach Neapel bereits im Alter von 24 Jahren. Die einzige noch lebende Tochter Anna Rosina, hörte im 5. Lebensjahre aus unbekannten Gründen auf zu wachsen und verlor gleichzeitig neben dem Gehör auch noch ihr Gedächtnis. Sie starb im 44.Lebensjahr in dem Breslauer Hospital zu den Elftausend Jungfrauen. Nur der älteste Sohn Christian trat in die Fußstapfen seines Vaters und war als anerkannter Lehrer und Dichter in Breslau tätig.
Im Jahre 1650 wurde Andreas Gryphius Rechtsberater der Landstände, also ihr Landessyndikus, in Glogau. Während einer Sitzung der Landstände am 16. Juli 1664 wurde diese große Persönlichkeit völlig unerwartet aus ihrer Mitte gerissen.

Doch darüber ist später noch einmal zu berichten…

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