Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 4, April 2016

Die Geschichte und Entwicklung des Glogauer Heimatbund e.V.

11. Die Bezirksgruppen und Ortsgemeinschaften
11.33 Die Ortsgemeinschaft Weißfurt/Krolkwitz

 

Zusammengestellt von Prof. Dr. A. Palissa nach Unterlagen von Gotthard Liebich

 

54. Fortsetzung aus NGA03/2016

 

>Gotthard Liebich (2014), Ortsgemeinschaftsleiter Weißfurt<

Krolkwitz, seit 1937 Weißfurt, hatte 1943 etwa 157 Einwohner, meist Bauern. Es liegt links der Oder, etwa 5 km von Beuthen/Oder entfernt und gehört amtlich und kirchlich zu Beuthen. Die Mehrzahl der Dorfbewohner verließ gegen Kriegsende das Dorf in Richtung Westen. Es gab offenbar keinen zentral organisierten Treck, so dass die ehemaligen Dorfbewohner im „Westen" weit verstreut nach einer Bleibe und Arbeit suchten. Deshalb war es praktisch nicht möglich, einen festen Standort für eine Ortsgemeinschaft Weißfurt des Glogauer Heimatbundes zu finden. Außerdem war die Mauer ein Hindernis für den Zusammenschluss der damals in der DDR oder der Bundesrepublik ansässigen Weißfurter.
Hfrd. Gotthard Liebich war während des Krieges 1944 in der Normandie in Gefangenschaft geraten. Er war mit einer englischen Frau verheiratet und kehrte nach seiner Entlassung wieder auf die Insel zurück. Von England aus bemühte er sich dann, schriftlich Kontakt zu den weit im Lande verstreuten Weißfurtern zu bekommen. Aus beruflichen Gründen war oft in der Bundesrepublik und konnte die von seiner Mutter gesammelten aktuellen Aufenthaltsorte vieler ehemaliger Dorfbewohner von Weißfurt vervollständigen. Seine geschäftlichen Aktivitäten in Deutschland dauerten bis etwa 1993.
Aus Altersgründen lebte er dann fest bei seiner großen Familie (5 Kinder) in England. Deutschlandfahrten gab es aber für ihn weiterhin - privat.
Nach der Wende 1989 kam er auf die Idee, seine Kontakte zu den Weißfurtern zu nutzen - für eine gemeinsame Busreise in die Heimat. Es hat auch geklappt. So entstand die Ortsgemeinschaft Weißfurt mit einer im Glogauer Heimatbund einmaligen Struktur. Die Leitung hatte Hfrd. Gotthard Liebich. Den Kontakt zu den ehemaligen Dorfbewohnern hielt er nicht nur brieflich von England aus aufrecht. Bei über 80 Reisen nach Deutschland konnte er auch alle ehemaligen Dorfbewohner persönlich aufsuchen. Anstelle von örtlichen Heimattreffen traten insgesamt 6 Schlesienreisen. An der ersten von ihm organisierten Busreise nahmen 54 Personen teil, aus Krolkwitz, aber auch aus den Nachbardörfern und aus Beuthen/O. Sogar Heimatfreunde aus Finnland, Spanien und England reisten damals (1995) mit. Von 1995 bis 2010 hat Gotthard Liebich alle 3 Jahre solche Busreisen in die Heimat, nach Schlesien organisiert - von England aus und ohne finanzielle Hilfe. Neben diesen Busfahrten gab es auch private Einzel- bzw. Familienreisen nach Weißfurt.

>Heimatreise nach Krolkwitz 1995<


Zur Vorbereitung der Busreisen führ Hfrd. Liebich oft nach Schlesien, vor allem um entsprechende Unterkünfte zu vereinbaren. Dadurch entstand auch ein gewisses Vertrauensverhältnis zu den jetzigen polnischen Bewohnern und auch zu amtlichen Stellen. Auf Grund seiner Initiative entstand dadurch eine Partnerschaft zwischen Pößneck und dem heutigen polnischen Beuthen. Auch Erinnerungstafeln an die deutschen Toten auf den Friedhöfen in Krolkwitz und Beuthen/O. konnte er mit gesammelten Spendengeldern anbringen lassen; in Beuthen auch eine Gedenktafel an den Dichter Jochen Klepper.
Anlass für die erste Schlesienreise im Juli 1995 war der 50. Jahrestag der Vertreibung aus unserer Heimat und die Erinnerung an das Fluchtgeschehen. Für viele Teilnehmer war es das erst Wiedersehen mit der Heimat.

>Heimatreise nach Krolkwitz 2010<


An der 2. Schlesienreise nahmen 46 Heimatfreunde teil, die meisten nicht aus Krolkwitz, sondern aus den umliegenden Dörfern aber auch wieder einige Heimatfreunde aus Spanien, England, Dänemark und Finnland. Von Krolkwitz ging die Busfahrt weiter. Zielorte waren u.a. Kloster Leubus, die Friedenskirche in Jauer, der Marktplatz in Hirschberg, die Schneekoppe und natürlich auch die Kirche Wang. Unterwegs haben wir gerne registriert, dass die jetzige polnische Bevölkerung uns Deutsche sehr freundlich und hilfsbereit begegnet. Wir wurden in der Regel gut bewirtet und man kam auch ohne gemeinsame Sprache gut zurecht.
Vom 30. Juli bis 4. August 2010 starteten wir mit 47 Personen zu einer weiteren Busreise nach Schlesien. Im Krolkwitzer Friedhof sind noch einige deutsche Gräber erhalten und werden gepflegt.
Nach den Stationen Beuthen/Oder, Krolkwitz und Glogau ging es weiter in Richtung Krummhübel und Schneekoppe. Unterwegs wurde noch die
Friedenskirche in Schweidnitz besucht; sie ist ein großer Fachwerkbau, der etwa 7500 Kirchgängern Platz bietet. Die Weiterfahrt ging dann zur Schneekoppe - Krummhübel - Kirche Wang - Agnetendorf mit Gerhart-Hauptmann-Haus und Hirschberg. Es war unsere 6. Reise nach Schlesien.
Hier noch eine Übersicht der von Gotthard Liebich organisiert und betreuten Busreisen der Krolkwitzer nach Schlesien:
1995 - 54 Personen + 17 Alleinreisende
1998 - 46 Personen + 7 Alleinreisende
2001 - 39 „ + 2
2004 - 48 + 0
2007 - 38 „ + 0
2010 - 47 + 6

Zwischen diesen organisierten Busreisen nach Schlesien gab es noch zahlreiche Aufenthalte von Hfrd. Liebich in Polen. Sie waren nötig, um die Reiserouten vorzubereiten, die nötigen Übernachtungsquartiere zu besorgen, Verpflegungsmöglichkeiten zu erkunden, Besuchserlaubnisse für die Reisegruppe zu bekommen usw. Dazu bedurfte es natürlich einer langfristigen Vorbereitung meist von England aus durch briefliche und telefonische Kontakte bzw. Absprachen mit den Teilnehmern oder auch durch persönliche Besuche in Schlesien.
Zwischendurch wurden durch Hfrd. Liebich auch persönliche Fahrten mit Lebensmitteln u.a. nach Schlesien gebracht. Einmal fuhr auch während der politischen Entspannung durch die „Solidarnosz" ein LKW mit gesammelten Hilfsgütern, Bekleidung usw. bis in den Raum Breslau, Gleiwitz, Kattowitz.
Hfrd. Liebich hat inzwischen wegen körperlicher Beschwerden die Aktivitäten für den Glogauer Heimatbund aufgeben müssen. Die Heimatgruppe Weißfurt ist damit aufgelöst. Heimatfreund Gotthard Liebich hat sich durch seinen langjährigen Einsatz für die Krolkwitzer und seine Heimat Schlesien viele Verdienste um den GHB erworben und zahlreiche Kontakte zur jetzigen Bevölkerung und den polnischen Behörden entwickelt und gepflegt. Auf Vorschlag von Prof. Palissa hat der Vorstand des Glogauer Heimatbundes den Einsatz und die Leistungen von Hfrd. Liebich durch Verleihen der „Silbernen Ehrennadel" gewürdigt.

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