|
Gutendorf, ein Bauerndorf, an der Oder gelegen, hatte 1943 etwa 418 Einwohner. Es gab keine eigene Kirche, man besuchte die evangelische Kirche in Alteichen bzw. die katholische in Brieg. Das Dorf hatte eine Schule, eine Mühle und 2 Gaststätten, Bäcker, Schmied, Kurzwaren. Die Wege nach Glogau (etwa 15 km) oder Beuthen/O (etwa 4 km) waren über die Landstraße oder die Eisenbahn (mit einer Haltestelle Gutendorf) zu erreichen. Am Bahnhof gab es noch eine Bahnhofsgaststätte. Die Oder konnte man über eine Fähre passiere.
Als die Ostfront immer näher rückte, verließ ein Flüchtlingstreck am 28. Jan. 1945 das Dorf in Richtung Oberfranken. Einige Gutendorfer verließen unterwegs den Treck und setzten ihre Flucht mit der Bahn fort, meist in Richtung Thüringen. Der Sammeltreck ging aber weiter über Niesky – Kamenz – Mittweida bis Mistelgau (bei Bayreuth). Dort kam es am 30. Mai 1981 zu einem 1. Heimattreffen der vertriebenen Gutendorfer im „Goldenen Stern". Organisiert wurde diese Zusammenkunft damals von Renate Schmidt, Walter Pohl und Gerhard Webers. Man war gern beisammen, tauschte Erinnerungen an die verlorene Heimat aus und besprach die aktuelle Situation in der neuen Umgebung.
>Gutendorfer Heimattreffen 1983 in Mistelgau „Zum goldenen Stern“<
Man wollte solche Treffen auch fortsetzen und traf sich 1983 am gleichen Ort wieder. Gerhard Webers übernahm die Leitung und kümmerte sich auch um die Organisation der Heimattreffen in den folgenden Jahren. So traf man sich z.B. am 18./19. Juni 1988 wieder im „Goldenen Stern“ in Mistelgau. 80 Personen waren gekommen. Bei den Heimattreffen wurde bald auch der Wunsch nach einem Besuch der alten Heimat laut. So gab es Busfahrten nach Schlesien und natürlich Gutendorf in den Jahren 1977, 1989, 1995. Für viele Teilnehmer war es nach 45 Jahren oder länger das erste Mal, die Heimat richtig wahrzunehmen und sich bewusst zu werden, was wir an materiellen Werten - wie die heimatlichen Fluren, Wald und Feld, Teiche, Seen und Gewässer; Frühlings-, Herbst- und Wintergeschehen am Heimatsort, Dorffeste und -Feiern und vieles andere, das materiell gar nicht fassbar ist und dass wir für immer verloren haben.
>Gutendorfer Heimatfreunde in Glogau und Gutendorf im Mai 1989. Hier vorm Hotel „Kasztelanski<
Durch die Busfahrten nach Schlesien wurde auch an viele Orte erinnert, die einfach zu Schlesien gehören, die man vorher aber nicht bewusst gekannt, gesehen oder erlebt hatte. Zu den Gutendorfer Reiserouten gehörten Fahrten z.B. über Neusalz, Lüben, Liegnitz, Jauer, Bolkenhain, Krumhübel, Kirche Wang, Schreiberhau, Schneekoppe, Hirschberg, Warmbrunn und andere Bäder wie Bad Kudowa, Bad Reinerz und Bad Altheide.
In Gutendorf ist durch Kriegshandlungen praktisch nichts zerstört worden. An einigen Häusern hat natürlich der Zahn der Zeit auch merklich genagt. Es sind inzwischen aber auch am Ortseingang einige Einfamilienhäuser neu entstanden und auch eine katholische Kirche ist im Bau, modern gestaltet und inzwischen fertiggestellt.
Bemerkenswert und in guter Erinnerung ist allen Reiseteilnehmern der überwiegend freundliche Empfang durch die heutigen polnischen Bewohner. Die deutschen Alteigentümer wurden von den neuen polnischen Besitzern ins Haus eingeladen, man konnte alle Räume ansehen und wurde sogar zum Essen eingeladen. Die Besuche in Gutendorf waren eine Erinnerung an die Vergangenheit und viele haben registriert, dass ihre Häuser nicht nur bewohnt sondern auch erhalten werden, dass die Felder wieder bestellt werden und das Leben in Gutendorf weitergeht.
Daneben wurden alljährlich die Heimattreffen in der „neuen Heimat" fortgesetzt. Eine große Zusammenkunft der Gutendorfer Heimatfreunde fand am 26. April 1997 in Großbodungen statt. Hfrd. Webers hatte dazu auch die Nachbarn aus Alteichen, Brieg, Friedrichslager, Schönau, Skeyden und Nenkersdorf eingeladen. Es kamen über 60 Heimatfreunde zusammen und es wurde ein wunderschöner Tag. Man schwelgte in Erinnerungen und fühlte sich fast wie „zu Hause" Aber es zeichnete sich damals schon ab, dass die Strapazen der vergangenen über 50 Jahre immer deutlichere Folgen hatten: Tod, Altersschwäche, Krankheiten usw. haben ihren Tribut gefordert - wir von der Erlebnisgeneration werden immer weniger und der Nachwuchs im GHB fehlt. Hfrd. Gerhard Webers hat seit 1985 über 10 Jahre die Ortsgemeinschaft Gutendorf geleitet und geführt.
2011 kam es zu einer letzten Zusammenkunft der Gutendorfer Heimatfreunde unter seiner Leitung in Kirchahorn. Er war alters- und kräftemäßig so ausgelaugt und krank, dass er die Leitung der Ortsgemeinschaft abgeben musste. Seine Verdienste für die heimatvertriebenen Gutendorfer und der GHB wurden am 6.5.2000 durch die Verleihung des Verdienstordens der BRD gewürdigt.
Die Jahrestreffen in Kirchahorn (Oberfranken) gab es noch bis 2015 weiter. Einige aktive Frauen, u.a. Hfrdin Renate Schmidt, Mistelgau, haben sich um die Einladungen gekümmert. Etwa 20 Gutendorfer kommen noch zusammen, aber der Kreis wird immer kleiner, nur noch Heimatfreunde aus der näheren Umgebung kommen. Der Wunsch, sich wiederzusehen und den Kontakt nicht zu verlieren, besteht aber weiter und man will versuchen, auch künftig zusammenzukommen. |
|
|