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Um einer Persönlichkeit wie Andreas Gryphius (eigentlich Andreas Greif), die in diesem Jahr vor 400 Jahren geboren wurde, näher zu kommen, können Zeitzeugen hilfreich sein.
Sein erster Biograph ist Baltzer Siegmund von Stosch, der nach der Bestattung von Gryphius diese Rede in der Ev-.luth. Kirche von Groß-Glogau, der ersten in Schlesien entstandenen Friedenskirche, an die Trauergemeinde richtete: Last- und Ehren- auch daher immerbleibende Danck- und Denck-Seule. Ein Jahr später lag diese gedruckt vor. Im Gegensatz zu allen späteren Biographen kannte Stosch Gryphius persönlich. Dabei bezog er sich auch in seiner Rede auf ein von dem Verstorbenen selbst verfasstes Diarium bzw. Tagebuch. In seiner Laudatio ist nun schon im ersten Teil der Lebensbeschreibung der Ausdrucksstiel jener Zeit erkennbar:
Als man geschrieben 1616. Den 2. Wein-Monats/umb 12.Uhr nach Mittage/ist der Selige gesund an diese Welt geboren/ und hat in dieser königlichen Stadt Großglogau die Wiegen begrüßt/ da er itzo seine Ruhestatt findet. Es hat ihm nicht dörffen vorgeworffen werden/ … daß er seinem Vaterlande zur Schande erzeuget sey. Sondern wie das werthe Schlesien eine fruchtbare Mutter gelehrter Männer allezeit gewesen: Also hat es durch den Seligen nicht weniger/ als durch andere berühmte land-Kinder … seinen Glanz in der Welt erweitert gesehen/ wiewol der Selige darauff gar wenig gebauet/ … sondern sich nach der Weltweisen Erinnerung vielmehr bemühet …
Geburts- und Sterbeort, Wiege und Grab, beides findet sich in dieser damals bedeutenden schlesischen Stadt Glogau.
Ein zweiter Biograph von Gryphius ist Johannes Theodor Leubscher. Sein Werk erschien erst fast 40 Jahre nach dem Tod dieses Dichters, der markante Spuren seiner Zeit in genialer Weise der Nachwelt hinterlassen hatte. Gewidmet hatte der Autor dieses dem ältesten Sohn des großen Dichters Christian Gryphius – seinem eigenem Schwiegervater – anlässlich seines 54. Geburtstages. Entscheidend ist für den Autor weniger das äußerliche als vielmehr nun der geistige Bildungsgang.
Eine weitere Abhandlung des Lebens von Andreas Gryphius verfasst 35 Jahre später einer der Lieblingsschüler seines Sohnes Christian Stieff, der seit 1717 - wie auch schon sein Lehrer zuvor – als Rektor des Breslauer protestantischen Magdalenengymnasiums wirkte. Sein Ziel ist es, diesem bedeutensten schlesischen Barockdichter seinen bleibenden Platz in der Literaturgeschichte und damit Schlesien den Rang einer Kulturlandschaft zu sichern. (s. Kaminski S.12). Dieses scheint dem Autor in einer Zeit, in der im Zeichen von aufgeklärten Bewertungskriterien dieser Literaturzweig zunehmend auf Ablehnung stößt, besonders wichtig zu sein.
Andreas Gryphius wurde am 2. Oktober 1616, in einer Zeit großer Unruhe und sich anbahnender kriegerischer Ereignisse, als Sohn von Paulus Gryphius (1560-1621), in der Evangelischen Gemeinde in Großglogau treuverdiente(m) Archi-Diaconus, und seiner Frau Anna Erhardin (1592-1628)/eine(r) Frau mit heiligster Gottesfurcht/ keuschesten Sitten und Verstande/ über ihr Geschlechte außgezieret (Stosch )geboren. Die Heimatstadt war ein Jahr zuvor durch eine fürchterliche Feuerbrunst bis auf wenige Häuser – einschließlich der meisten Kirchen – zerstört worden. Das Erzherzogtum Glogau unterstand zu dieser Zeit unmittelbar der böhmischen Krone und damit in der persönlichen Verfügungsgewalt des Habsburger Kaisers. Die Kriegswirren des 30jährigen Krieges und die folgenden 2 Jahre unter schwedischer Besatzung sorgten ständig für schwerste menschliche Opfer in dieser Stadt.
Das Alltagsleben der Eltern war, so wird überliefert, christlich-gottesfürchtig geprägt. Der Vater Paul Gryphius war seit 1602 Diakon und ab 1604 Archidiakon in Glogau. In dieser Rolle als Oberhaupt der lutherischen Gemeinden in Glogau spielten die religionspolitischen Auseinandersetzungen im Alltagsleben des Vaters eine Schlüsselrolle. Die erreichten am 4. Januar des Jahres 1621 einen tragischen Höhepunkt, da an diesem Tage der sich zum Calvinismus bekennende Winterkönig Friedrich der V. auf seiner Flucht nach der verlorenen Schlacht am Weißen Berg von der lutherischen Gemeinde in Glogau die Herausgabe des Silberschatzes von dem Vater verlangte, der wenige Tage nach diesem Vorfall (wahrscheinlich aufgrund einer Vergiftung) verstarb.
In seiner Ode In einer tödlichen Kranckheit setzte sich Gryphius mit diesem Schicksalsschlag auseinander: Was kann wo einer nennen / Aus aller Jammer Heer / daß ich nicht werde kennen/ …eh mich das vierdte Jahr Der vierte Winter fand/ lag dieser auf der Bahr Den ich ihm schuldig bin/ und diß mein müdes Leben; Er fiel durch Gift/ das ihm ein falscher Freud gegeben/Der offt vor seinem Muth und hohen Geist erblast…
Die Mutter heiratet ein gutes Jahr später den evangelischen Magister Michael Eder. Dieser musste nun die Zeit der Zwangsrekatholisierung und später die Ausweisung aus der Stadt - gemeinsam mit all den Gläubigen, die sich weiterhin zu ihrem lutherischen Glauben bekannten - erfahren. Die Mutter erlebte dieses nicht mehr, denn sie war bereits ein halbes Jahr zuvor am 21.3.1628 an der Schwindsucht gestorben. Die katholische Obrigkeit verfügte nun, dass alle die Stadt verlassenden Protestanten ihre Kinder (die Söhne unter fünfzehn und die Töchter unter dreizehn) mit dem ihnen zustehenden Vermögen zurücklassen mussten. Erst am Jahresende konnte der Stiefvater Eder ihn nach Driebitz nachholen. Von nun an begann für Andreas Gryphius ein völlig unstetes Leben, das in diesem Zusammenhang nur stichpunktartig angerissen werden kann. Aber wir können festhalten,
das seine Persönlichkeit in den ersten 18 Lebensjahren – neben allen individuellen Schicksalsschlägen – besonders von den konfessionellen Auseinandersetzungen, die eine kontinuierliche Ausbildung unmöglich gemacht hatten, in Schlesien geprägt worden sind. Diese damals gesammelten grausamen Erfahrungen bestimmten nun sein weiteres Leben und Wirken.
Es ist alles eitel
Du siehst, wohin du siehst, nur eitelkeit auf erden.
Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein;
Wo ietzundt städte stehn, wird eine wiese seyn,
Auf der ein schäfers-kind wird spielen mit den herden;
Was ietzundt prächtig blüht, sol bald zutreten werden;
Was ietzt so pocht und trotzt, ist morgen asch und bein;
Nichts ist, das ewig sey, kein ertz, kein marmorstein.
letzt lacht das glück uns an, bald donnern die beschwerden.
Der hohen thaten ruhm muss wie ein traum vergehn.
Soll denn das spiel der zeit, der leichte mensch bestehn?
Ach, was ist alles diß, was wir vor köstlich achten,
Als schlechte nichtigkeit, als schatten, staub und wind,
Als eine wiesen-blum, die man nicht wieder find't!
Noch wil, was ewig ist, kein einig mensch betrachten. |
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