Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 12, Dezember 2015

Der Vorstand des Glogauer Heimatbund e.V. war zur Eröffnung der wegweisenden Museumsausstellung „Glogau 1945“ in Polen

 

von Dr. Martin Sprungala

 

Bereits seit einiger Zeit berichtet der Bundesvorstand von dem geplanten Projekt einer Ausstellung zum Thema „Glogau 1945“. Mitte Oktober war es nun soweit. Die Arbeiten in Polen konnten beendet werden und am 15. Oktober 2015 fand die Eröffnung der Museumsausstellung statt.
Die Zeit war knapp, das hatten wir schon erwartet, dennoch ist auf den Punkt alles fertiggeworden. So kenne ich es aus Polen.
Bereits vor zwanzig Jahren hatte der Museumsdirektor Leszek Lenarczyk des Muzeum Archeologiczno-Historyczne w Glogowie (Archäologisch-Historisches Museum zu Glogau) die Idee zu dieser Ausstellung, doch damals war die Zeit dafür noch nicht reif. Um so mehr freute es ihn, dass er diesen Plan noch vor seiner Pensionierung realisieren konnte. Die Idee dazu reifte über Jahre, auch durch die enge Zusammenarbeit mit dem Glogauer Heimatbund e.V. (GHB), dem Beiratsmitglied Dr. Klaus Schneider, Leipzig, der seit 1986 einen intensiven Meinungsaustausch mit seinem Freund führt.
Viele gemeinsame, gute Projekte hat der GHB in dem vergangenen Vierteljahrhundert zusammen mit seinen Glogauer Partnern realisiert, das aktuelle stellt jedoch einen besonderen Höhepunkt dar. Bereits vor zwei Jahren wandte sich das Glogauer Museum zusammen mit seinem Kooperationspartner, dem Schlesischen Museum zu Görlitz unter der Leitung von Dr. Markus Bauer und seiner Mitarbeiterin Dr. Martina Pietsch, an den GHB mit der Bitte um Mithilfe bei einer Ausstellung zum Thema „Glogau 1945“.
Nach mehreren Vorgesprächen und der finanziellen Unterstützung durch das polnische Ministerium für Kultur und nationales Erbe wurde das Projekt zum Jahresbeginn 2015 – 70 Jahre nach Flucht und Vertreibung, 70 Jahre nach dem Ende des alten Glogau, das zur Festung erklärt und durch die Belagerung in Trümmern lag – in Angriff genommen.
Auch beim GHB war das Projekt Chefsache und eine Delegation des Bundesvorstands unter der Leitung des Vorsitzenden, Dr. Martin Sprungala, traf sich am 11.3.2015 in Glogau zu einem Antrittsbesuch bei dem neu gewählten Stadtpräsidenten Rafael Rokaszewicz und anschließend zu einem Arbeitsgespräch mit den Partnern der Museen in Glogau und Görlitz (siehe NGA 6/2015).
Bei dieser Gelegenheit stellte der Direktor Lenarczyk seine Grundidee vor, Glogau vor 1945 zu zeigen, dann über einen schmalen Gang, der Flucht und Vertreibung der deutschen Bevölkerung zeigen sollte, ging es in den zweiten Raum, der die Ankunft der polnischen Bevölkerung und die Folgen der Belagerung zeigt. Herr Lenarczyk erklärte, dass seine Familie, ebenso wie die der meisten heutigen Glogauer selbst Vertriebene gewesen seien, aus der Ukraine und Weißrussland. Wir wie ihr seid Opfer der Politik der Nationalsozialisten als auch der Kommunisten gewesen, erläuterte der Direktor. Seine Idee war es, die Geschehnisse aus der Sicht der einfachen Menschen darzustellen, wozu auch Zeitzeugenberichte und Familiendokumente zählen, die u. a. der GHB samt anderer Unterlagen aus seinem Archiv beigetragen hatte.

Die wissenschaftliche Konferenz zum Thema
Am 15.10.2015 war die Ausstellung unter Hochdruck fertiggestellt, so dass sie der breiten Öffentlichkeit präsentiert werden konnte. Vorab fand eine wissenschaftliche Konferenz statt, bei der auch der Bundesvorstand des GHB, vertreten durch die Beiratsvorsitzende Renate Schildt, den Schriftführer Günter Sonntag, die stellvertretenden Vorsitzenden, Hans-Karl Hänel und Klaus Röhrbein, sowie der Bundesvorsitzende, anwesend war.
Die Konferenz wurde um 10:30 Uhr durch den stellvertretenden Direktor, Dr. Waldemar Hass, eröffnet. Anschließend hielt der Stadtpräsident Rafael Rokaszewicz sein Grußwort und übergab dann an den Moderator Maciej Izycki, der das Wort an den Direktor Leszek Lenarczyk weitergab.
Nach Lenarczyks viertelstündiger Einleitung folgte der erste Vortrag von Prof. Dr. Jerzy Maron (*1957 Breslau) von der Universität Breslau. Sein Thema war eine allgemeine Geschichte von Glogau faßte später der Dolmetscher Edward Borowski die lange Rede für die deutschen Gäste zusammen.
Um 11:15 Uhr ging Marek Wlodarczyk detailliert auf polnische Archivalien aus Warschau zur Belagerung der Festung Glogau 1945 ein und zeigte viele Quellen.
In der um 12 Uhr folgenden Kaffeepause konnten wir zahlreiche Bekannte und Freund begrüßen, wie den Lokalhistoriker Antoni Bok und die Dolmetscherin mgr Zofia Kaczynska aus Lüben (Lubin). Der Vorsitzende konnte hier dank des Vorhandenseins eines Dolmetschers ein erstes persönliches Gespräch mit dem Direktor führen.
Um 12:30 Uhr ging es dann mit einem Vortrag von Zbigniew Mazurek vom Glogauer Geschichtsverein TZG weiter, gefolgt von einem Referat von Silke Findeisen, der Bibliothekarin im Haus Schlesien in Königswinter. Der Text, der vielfach aus Zeitzeugenberichten bestand, wurde von dem Dolmetscher ins polnische übersetzt.
Um 13:40 Uhr folgte dann ein Vortrag von Wieslaw Maciuszczak und um 14:10 Uhr Dr. hab. Malgorzata Konopnicka, Historikerin der Universität Grünberg. Die letztgenannten Referate behandelten u. a. die Lebensbilder der letzten Kommandanten der Festung Glogau.
Der letzte Vortrag (ab 14:30) stammte von dem Museumsmitarbeiter Jaroslaw Helwig, der als Höhepunkt einen russischen Propagandafilm aus dem zerstörten Glogau des Jahres 1945 zeigte. Dieser durfte nach Vorgabe der russischen Archive hier leider nur einmal öffentlich gezeigt werden. Es folgten die Abschlussworte; damit endete die Konferenz.

Essen im Ratskeller mit dem Stadtpräsidenten
Bereits vor der Eröffnung der Konferenz überreichte Herr Borowski dem Vorsitzenden eine Einladung des Stadtpräsidenten mit folgendem Text: der „Präsident der Stadt Glogów Rafael Rokaszeicz hat die Ehre Herrn Martin Sprungala in der Zeit zwischen der Konferenz ‚Glogau 1945‘ und der Eröffnung der Ausstellung ins Restaurant ‚Pod Starym Glogiem‘ zum Mittagessen einzuladen. Der Bus fährt vom Museum um 14:15 Uhr ab.“ Die Einladung bezog sich auf alle Anwesenden des Vorstands.
Wie es oft der Fall ist, haben die Referenten ihre Vorträge überzogen, so dass die Zeit knapp wurde, doch dank bester Organisation schafften wir alles auf die Minute genau.
Im weiten Bogen ging es in die Innenstadt zum ehemaligen Ratskeller, dem heutigen „Pod Starym Glogiem“ (Zum alten Glogau), der sehr schön restauriert worden ist und gut bewirtschaftet wird.
Vor dem Essen hielt der Stadtpräsident eine kleine Ansprache an die anwesenden deutschen Gäste, Mitarbeiter und Referenten. Anschließend bat auch Dr. Sprungala ums Wort und dankte für die Einladung und die gute Zusammenarbeit, vor allem mit Direktor Lenarczyk.
Auch Klaus Röhrbein schloss sich diesen Worten in seiner Eigenschaft als Mitglied im Ausschuss der Patenschaft mit der Stadt Langenhagen.
Nach dem Essen ging es eilends zurück zum Museum.

Die Ausstellungseröffnung
Kurz nach 16 Uhr eröffnete der Stadtpräsident die Museumsausstellung mit einer kurzen Ansprache. Direkt danach folgte die des GHB-Beiratsmitglieds Dr. Klaus Schneider, der erst kurz zuvor eingetroffen war. Sein Vortrag war ursprünglich als Teil der Konferenz vorgesehen, doch wegen wichtiger Termine konnte er erst jetzt anwesend sein. Er fand sehr gute Worte – auf polnisch und deutsch. Es war seine persönliche Geschichte und die der Freundschaft zwischen ihm und dem Direktor des Museums, die bereits 1986 den Kontakt des GHB nach Glogau, zum Museum und zur Stadtverwaltung begründete. Die Umarmung der beiden Freunde am Ende des Vortrags strahlte eine warme Stimmung der Freundschaft und des gegenseitigen Verstehens auf die gesamte Zuhörerschaft aus.
Es folgte dann das Grußwort des zweiten Partners dieser Ausstellung, von Dr. Markus Bauer, dem Direktor des Schlesischen Museums zu Görlitz, der zusammen mit seinen Mitarbeitern maßgeblich an der textlichen Gestaltung u. a. Bereichen mitgewirkt hatte. Lobend erwähnte er auch den Einsatz des GHB seit vielen Jahren und nannte auch namentlich die früheren Vorsitzenden Hans-Joachim Schelenz und Prof. Dr. Alfred Palissa.
Die letzten Worte vor der Eröffnung stammten von den ausführenden Mitarbeitern, von Jerzy Dymytryszyn und Renata Matysiak, die dann die Zuhörer aufforderte, zur Ausstellung herunter zu gehen.
Auch die Vertreter des GHB begaben sich in den gut gefüllten Raum der Dauerausstellung. Es herrschte eine rührige Stimmung und man kam nicht wirklich dazu, sich die Ausstellung anzusehen, da man von vielen Teilnehmern angesprochen wurde und viele Gespräche führte. Aus diesem Grunde baten wir Direktor Lenarcyk darum, uns am kommenden Tag die Ausstellung in Ruhe ansehen zu können. Extra für uns öffnete das Museum vorzeitig, damit man uns alles zeigen konnte.
Zuletzt wurden wir alle in einen Raum gebeten, im dem ein Empfang mit einem großen Buffet stattfand, in dem wir die Gespräche fortsetzen konnten.
An diesem Abend trafen wir uns alle noch im Künstlerkeller neben der Nikolaus-Kirche zu einem gemeinsamen Meinungsaustausch. Alle waren mit dem Verlauf, dem Dargestellten und dem Erreichten sehr zufrieden.
Tags drauf hatten wir noch einen gefüllten Terminkalender mit weiteren Besichtigungen, Exkursion und Beratungsgespräch, ehe es am 17. Oktober wieder heimwärts ging.
Wir konnten sehen, dass die Ausstellung gut besucht war und überall einen guten Anklang fand. Sie soll als Dauerausstellung teil des Museums werden, aber auch verliehen werden, so an das Schlesische Museum in Görlitz u. a. interessierte Partner. Alle Beteiligten können auf eine gelungene Arbeit und gute Zusammenarbeit zurückblicken. Und wir wollen noch so lange wie möglich weitermachen.Fluchtpuppen

Polizist

Soldat

zum Seitenanfang

zum Seitenanfang