Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 11, November 2015

 

Die Friedhöfe in Glogau

 

 

November! Selbst wenn die Sonne über den Fluren liegt, erfüllt ihn etwas wie Schwermut. Es sind nicht nur das fallende Laub, die kahlen Äste, die kühle Luft und Stimmung die bedrücken. Es sind die beiden die nebelverhangene Landschaft, die unsere Tage, die seinen Ausgang begleiten, aber auch seinen Beginn bilden: Allerseelen und Totensonntag. Monat des Gedenkens an unsere Lieben, die uns eine Wegstrecke, des Lebens begleiteten, dann Abschied nehmen mussten für immer, schwer dahingehend die einen, erlöst von langem Schmerzenslager die andern, plötzlich hinweggerissen die Dritten. Die Scheidestunden werden lebendig in uns, stille Erinnerung erfüllt dieses Herz, noch ungestillter Schmerz zerwühlt die Seele jener. Vielleicht sind gerade von denen, die selbst dem Rande des Lebens nahestehen, beide Totengedenktage in früheren Zeiten nie so tief gefühlt worden wie jetzt, haben sie doch zweimal das ungeheure Streben erlebt, das die zweite Hälfte ihres Daseins begleitete. Es gibt wohl keinen Friedhof, auf dem nicht Opfer der beiden Kriege ruhen, hier in unserm Vaterlande, aber auch draußen in der weiten Welt, und wie viele ruhen im Weltmeer! Väter, Söhne, Brüder, die noch lange hätten leben und schaffen sollen; an ihren Gräbern stehen körperlich oder im Geist Millionen und Abermillionen. Und wie jene, die nur ihre Gedanken an die Ruhestätten in fremdem Land schweifen lassen können, so dürfen auch wir Heimatvertriebenen nur an die Lieben denken, deren letzte Ruhestätte wir sonst an ihren Gedenktagen mit besonderer Liebe schmückten.

Stille Wanderzüge würden sich die Lindenruher und Rauschwitzer Straße hinaus bewegen, zu den weiten Feldern, die blumenreich vor dem Auge der Gedenkenden sich breiten. Durch die Pforte des Domfriedhofs und die des Militärfriedhofs an der Promenade würden sie ziehen, und viele würden die Gräber des alten evangelischen Friedhofs an der Rauschwitzer Straße umkränzen. Die Glocken beider neuen Friedhöfe würden ihre Klänge über die Felder schwingen, die Worte der Geistlichen drängen in die Herzen. Allerseelen und Totensonntag in Glogau!

>Die Kapelle auf dem evangelischen Friedhof<

Unsere Friedhöfe in Glogau hatten in unserer von der Historie umwehten Stadt ihre Geschichte, die nach den uns heut noch vorliegenden Quellen bis in an Anfang des 14. Jh. zurückgeht. Die erste Nachricht teilt mit, dass 1332 die Domherren der Kollegiatkirche mit Einwilligung des Bischofs gestatteten, dass auf dem Friedhof bei der Pfarrkirche, wo die meisten Bürger begraben lagen, Prozessionen abgehalten würden. Glogau hatte auch eine Heilige Leichnamsgasse - die spätere Breslauer Straße —; 1403 wurde in der Fleischergasse — Jesuitenasse — ein der Ehre des Leibes Christi geweihtes Gotteshaus, die Heilige Leichnamskirche, errichtet, 1542 in die Brostauer Vorstadt verlegt und um 1630 bei der Anlage der Festungswerke weggerissen. 1606 legten die Evangelischen vor dem Leichnamspförtel einen besonderen Begräbnisplatz an; bei dem größten Brand, der Glogau heimsuchte, wurde das Heilige Leichnamspförtel 1615 vernichtet. 1493 wurde ein Friedhof von St. Johann südlich der Pfarrkirche angelegt. 1614 vor dem Spitteltor — wo sich zu unserer Zeit die Militärbäckerei befand -die Kirche Zum Heiligen Geist mit dem Armenfriedhof errichtet, im 30jährigen Kriege jedoch wurde der Boden eingeebnet. Auch der Beginn der schlesischen Kriege wirkte zerstörend auf den Ruheplatz der Toten. Am 8. Dezember 1740 begann zur Verteidigung der Stadt gegen die Preußen die Niederlegung der vor den Wällen gelegenen Baulichkeiten. Dazu gehörte auch die Barbarakirche mit dem Friedhof, die schon neben der Heiligen Leichnamskirche im Jahre 1488 durch Herzog Hans den Grausamen zerstört, dann aber wieder errichtet worden war. Der zu dieser Kirche gehörende Friedhof ist auf einem Grundstück angelegt worden, das 1657 von der Katholischen Gemeinde angekauft wurde; es lag vor dem Polnischen Tore, der Friedhof hat bis in die jüngste Zeit bestanden. Als 1740 die Niederlegung der Wälle erfolgte und damit auch die Einebnung des Friedhofs erfolgen musste, war es überaus traurig anzusehen, als die katholischen Einwohner die Kreuze von den Gräbern ihrer Angehörigen auf dem Barbarakirchhof entfernten und in die Stadt trugen!"

>Die Kapelle auf dem neuen katholischen Friedhof<


Später wurde der Friedhof an der alten Stelle wieder angelegt. Im April 1876 kündigte die Polizei die Schließung dieses Friedhofs im neuen Stadtteil (das war die erste Ausdehnung der Stadt nach Osten) an, da man beabsichtigte, einen Kommunalfriedhof anzulegen, doch kam der Plan nicht zur Ausführung, sowenig wie in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg, als dafür ein großes Grundstück neben dem Wege zwischen Rauschwitz und Gurkau zu abgesteckt und eingefriedet wurde. Zwischen Rauschwitzer Straße und Promenade befand sich in neuerer Zeit der große Evangelische Friedhof, auf dem zahlreiche Grabsteine angesehener Glogauer Bürger dem Besucher von der Geschichte der Stadt erzählten, darunter das des Freiherrn von Cocceji, Gatten der Barbarina, eine verwitterte Steinsäule. Auf dem Boden des Friedhofs hat die erste Evangelische Kirche gestanden, die Hütte Gottes.

Vom Domfriedhof ist zu berichten, dass sich am Dom die älteste Begräbnisstätte befand. Dies lässt sich daraus schließen, dass im Dom verschiedene Herzoginnen ihre letzte Ruhe fanden.

Am Ende des ersten Weltkrieges erwies sich für die Evangelische Gemeinde die Anlage eines neuen Friedhofs als unabweislich. Als Platz dafür wurde ein Gelände auf Rauschwitzer Flur gewählt, im Mai 1918 erfolgte die erste Beisetzung. Das Bild der Pforte, die Kapelle, in der an jedem Totensonntag ein Gedächtnis-Gottesdienst stattfand, der Blick von der Höhe des ganz mäßig ansteigenden Geländes auf die Stadt, der einen Teil der Anlage bildende Waldfriedhof sind uns allen noch in Erinnerung. Nur wenige Jahre später machte sich auch für die Katholische Gemeinde die Notwendigkeit der Errichtung eines neuen Friedhofs geltend, der in der Nähe des evangelischen, an der Straße Rauschwitz-Jätschau, seinen Raum fand. Und nun wiederholte sich etwas, nämlich das Schicksal, das den früheren Katholischen Friedhof in seiner Geschichte begleitet hatte: Der Beginn der Hitlerzeit brachte die neue Aufrüstung Deutschlands, Glogau wurde wie einst in höherem Maße als bisher Garnisonstadt, es wurden umfangreiche Kasernenbauten in Gang gebracht, darunter die Beseler-Kaserne zwischen Garnisonlazarett und Oder, auf dem Boden des damaligen Friedhofs, von dem die Gebeine derer, die lange dort geschlummert, nach dem neuen katholischen Friedhof überführt wurden.
Die Größe Glogaus als Militärstadt und die wachsende Einwohnerzahl führten schließlich auch zur Anlage eines Garnisonfriedhofs, der von 1824 bis 1826 an der Promenade, damals Festungsgelände, eingerichtet und später wiederholt erweitert worden ist. Unter den dort beigesetzten Soldaten befanden sich aus den Kriegszeiten natürlich auch viele Gefangene.
Schließlich ist noch des Friedhofs unserer einstigen jüdischen Mitbürger zu gedenken. Die älteste Niederlassung der Juden in Glogau war südlich vom alten Evangelischen Friedhof zu suchen, ihre Begräbnisstätte befand sich rechts von dem Wege, der sich von der Vorstadt nach Beichau abzweigt. Nach 1666 wurde sie in die Nähe des Schützenhauses verlegt, dort, wo sich später das Elektrizitätswerk befand. Wann der neue jüdische Friedhof, der seinen Raum hinter dem Logengarten an der Promenade erhielt, eingerichtet worden ist, besagt keine der vorliegenden Quellen.
Glogau besaß in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg nicht weniger als sieben Friedhöfe: zwei evangelische, zwei katholische, den katholischen auf dem Dom, einen Militärfriedhof und einen jüdischen.
Liebe Tote in der Heimat! Es ist ihnen viel erspart geblieben!

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