Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 11, November 2014

Die Geschichte und Entwicklung des Glogauer Heimatbund e.V.

11. Die Bezirksgruppen und Ortsgemeinschaften
11.23 Die Ortsgemeinschaft Priedemost (Vorbrücken)

von Richard Scholz

 

44. Fortsetzung aus NGA09/2014

 

Richard Scholz

>Richard Scholz<

Vorspann: Richard Scholz (geb. am 09.01.1925) gehört heute zu den ältesten treuen Mitgliedern des GHB. Seine Verdienste um den Heimatbund und sein langjähriger Einsatz für die Ortsgemeinschaft Priedemost wurde bereits 1989 mit der kleinen und 2013 mit der „Großen Goldenen Ehrennadel" des Glogauer Heimatbundes gewürdigt.
Nachstehend sein Beitrag für unsere Chronik der Ortsgemeinschaft Priedemost (der Name wurde in den 30er Jahren in „Vorbrücken" umgewandelt).

Bei Kriegsende waren mehrere Trecks aus dem Glogauer Land nach Oberfranken gekommen. Die beiden Priedemoster Trecks wurden Ende März 1945 in Lichtenfels aufgelöst So gibt es noch heute in vielen Orten des Kreises und auch der Nachbarkreise ehemalige Priedemoster. Ein Teil von ihnen versuchte nach Kriegsende die Heimkehr, was allerdings nicht mehr möglich war. Sie landeten in der Lausitz, Brandenburg und Sachsen.
Natürlich gab es hier bald gegenseitige Besuche auch durch Verwandtschaften und Freunden zu Leuten anderer Dörfer des Kreises Glogau. Bei Beerdigungen trafen sich dann viele Heimatfreunde und nahmen Verbindung auf. Es gab bald den Wunsch, sich nicht nur bei Beerdigungen zu treffen. In meiner Erinnerung ist ein lockeres Treffen in Neuenmarkt, ein zweites danach in Bamberg. Mit Gründung des Glogauer Heimatbundes gab es organisierte Treffen. Zu den Bundesheimattreffen kamen auch viele Priedemoster. Aber erst im Mai 1982 gab es ein Heimattreffen der Priedemoster in Lichtenfels und zur Gründung der Ortsgemeinschaft. Der erste Vorstand ist mir nicht mehr bekannt. In den 80iger Jahren waren es Erich Sieber († 1999) sowie Gotthard Mahler († 1996), danach und bis heute Richard Scholz.Vorbrücken

Erstmals gab es damals auch Busfahrten zu den Bundesheimattreffen nach Hannover. Zu den Bezirkstreffen nach Lichtenfels - organisiert durch Hfrd Kinzel kamen über 300 Besucher, darunter über 100 Priedemoster. Die Zahl der Autofahrer nahm mit steigendem Wohlstand zu. Die Teilnehmerzahl blieb viele Jahre konstant. Termin unserer Zusammenkünfte war immer Ende April oder Anfang Mai. Es wurde dann noch ein zweites Bezirkstreffen in Forchheim immer im Herbst durchgeführt, bei welchem die Rostersdorfer die Mehrzahl waren. Der Rostersdorfer Treck war bis Spardorf bei Forchheim gekommen.
Bei den Treffen in Lichtenfels waren neben dem Austausch von Erinnerungen, dass Herumreichen von alten Bildern aus der Heimat immer sehr gefragt. Auch Schriftliches wie Einwohnerlisten fanden immer Interesse. Eine Anfrage bei Hauptlehrer D. Heinrich Schulz, ob er eine Dorfchronik von Priedemost schreiben könnte, lehnte er wegen seines hohen Alters ab.Priedermost Abendmahlskeclch

>Priedemoster Abendmahlskelch von 1913<

Doch es gab einen Glücksfall. Alwin Henni, damals Rektor einer Schule in Friesland, widmete sich der großen Aufgabe, eine umfangreiche Dorfchronik über „Priedemost, Ort und Landschaft" zu schreiben, ab vorgeschichtlicher Zeit bis Gegenwart. Sein Buch war nach wenigen Wochen vergriffen. Auch ich hatte über mehrere Jahre einiges geschrieben. Z.B. Sommersingen, Fischfang im Schwarzgraben, Suppgriens, Marktmachen - Marktfahren, Priedemoster Anekdoten, eine Verstorben- und Gefallenenliste und noch Anderes. Eines, das viel Anerkennung fand: Unser Fluchtbericht, geschrieben bei einem 5wöchigen Aufenthalt im Kulmbacher Klinikum unter der Überschrift „Ankunft der Priedemoster in Oberfranken" wurde er im Jahrbuch des größten fränkischen Geschichtsvereins (Colloquium Historikum Wirsbergensis (CHW) abgedruckt). In dem Buch Flüchtlingsschicksale im Kreis Augsburg, geschrieben von Christiane Freifrau von Schnurbein, geb. von Rotenhan, ist als Beispiel für Schlesien „Der lange Treck", Lebensweg mit Flucht von Elisabeth Schuster, geb. Jungnickel aus Priedemost.
Wegen Nutzungsänderung musste das Lokal in Lichtenfels für unsere Heimattreffen gewechselt werden. Wir gingen in die Stadthalle, wo genügend Platz für unsere Heimatfreunde war. Unser Ortstreffen fand immer zusammen mit dem Treffen der Bez. Gr. Franken statt. In mündlicher Absprache trafen wir uns dann bereits am Freitagabend, bevor das Bezirkstreffen am Sonnabend stattfand, sowie dann noch am Sonntagnachmittag. Den Abend vorher und den Sonntagnachmittag nutzten wir, um ausführliche Gespräche mit den zum Teil weithergereisten Heimatfreunden zu führen. Wegen des zu kleinen Salons im „Preußischen Hof“ mussten wir in die „Walachei" wechseln, wo wir bis jetzt noch Treffen durchführen.

In diese Zeit fiel auch das Angebot, den silbernen Abendmahlskelch der Friedhofkapelle Priedemost, gestiftet 1913 von Deisenschmidt-Beutnig gegen die Kosten der Restaurierung in das Eigentum der Ortsgemeinschaft zu führen. Vermittler war Erich Rohnke, Leverkusen. Dafür sammelten wir ca. 700,- DM. Der Kelch steht heute als Dauerleihgabe im Haus Schlesien, Heisterbacherrott.

>Priedemoster beim Heimattreffen in Hannover 1958<

>Schlesischer Ackerwagen aus Klein-Gräditz beim historischen Festumzug in Mainleus 1983<

Zu einem Jubiläum in Mainleus 1983 bemühte ich mich, mit einem Fluchtwagen am historischen Festzug teilzunehmen. Einen ganzen Originalwagen gab es nicht mehr. Doch ich bekam von Heimatfreund Hampel aus Klein-Gräditz einen schlesischen Ackerwagen. Ich ließ Spriegel machen und trieb eine ausrangierte Wagenplane des Fuhrunternehmens Murrman, Kulmbach auf. Der Name ist noch zu sehen. Der Wagen steht ebenfalls im/am Haus Schlesien Heisterbacherrott. Der Wagen wirkte sehr echt, wir nahmen am Umzug teil. Tage danach sagte mir ein Zuschauer: Dass ihm die Tränen beim Anblick des Wagens gekommen seien, er konnte sich an das traurige Bild des Trecks 1945 erinnern.
Dank guter Zusammenarbeit mit anderen Ortsgemeinschaften, wie Hohenborau, Klein-Gräditz, Carolath, Brostau und Lindenkranz hatten wir in etwa 12 verschiedenen Orten Zusammenkünfte mit bis zu 30 Besuchern. Beim 132. Treffen (Ortstreffen) in der „Walachei" am 14.12.2013 kam aber nur noch eine Tischrunde zusammen. Unsere Generation verabschiedet sich allmählich. Wir beschlossen, uns auf die größeren Treffen zu konzentrieren.

>Priedemoster Heimattreffen 2004 im „Grünen Baum“<

Ein Großereignis am 6. Juni 2009 war die Einweihung des Gedenksteines auf dem Priedemoster Friedhof, mit Genehmigung des Bischofs und des Denkmalschutzes. Thomas Kinzel, unser Bezirksgruppenleiter von Franken hat alles organisiert und für die Finanzierung gesorgt (ca. 6000 Euro). Der Text der Kupfertafel am Granitblock ist in Deutsch und Polnisch und lautet:

„Zur Erinnerung an die ehemaligen deutschen Bewohner von Priedemost, die hier geboren wurden, gelebt haben - gestorben sind."Priedermost Gedenktafel

>Gedenktafel in Priedemost 2009<

Hier eingefügt sind die Vor- und Nachnamen der in den Jahren 1943 bis 1945 belegbaren Haushaltsvorstände „In Liebe bleiben sie und ihre Nachkommen der Heimat verbunden".
Für die heimatvertriebenen Priedemoster war es ein Bedürfnis, ihr Dorf nicht zu vergessen und Kontakte zu den heutigen Bewohnern zu knüpfen. So haben sich bei unseren Besuchen in der alten Heimat auch freundschaftliche Beziehungen zu mehreren heutigen polnischen Dorfbewohnern entwickelt. Als ich 1977 mein Geburtshaus, Priedemost 91 betrat, begrüßte mich die Hausfrau mit: "Endlich kommt mal jemand, der früher hier gewohnt hat!" Inzwischen habe ich mehrere junge Polen kennengelernt und viele Briefe bekommen. Es besteht großes Interesse an der Geschichte und dem früheren Leben von Priedemost. Wenn in einem Brief steht: „Alles Gute und Grüße aus tiefster Seele" und im nächsten Brief „Deine Aleksandra", ich habe da fast einen roten Kopf bekommen. Denn zeigt es doch, dass eine neue Zeit gekommen ist.
Ich meine, dass Polen einmal ein starker Verbündeter in der Verteidigung der abendländischen Kultur sein wird. In Bezug auf Vergangenes möchte ich zum Schluss einen Satz aus dem Tagebuch von Anne Frank nennen, dieses großartigen Mädchens, das so viel Schlimmes erlebt hat.
Ich zitiere Anne Frank: „Trotz allem glaube ich, das der Mensch im Grunde seines Herzens gut ist".

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