Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 11, November 2013

Schulreformer in Schlesien und Österreich: Johann Ignaz von Felbiger (1724-1788) aus Glogau

von Dr. Hans-Ludwig Abmeier

 

In Glogau hat die Wiege vieler deutscher Persönlichkeiten gestanden, die auf den verschiedensten Gebieten Rang und Namen erlangten. Eine von ihnen ist der Abt und Pädagoge Felbiger, der vor 225 Jahren starb.
Johann Ignaz Felbiger wurde laut Taufregister der Glogauer Stadtpfarrkirche St. Nikolaus am 6. Januar, dem Dreikönigstag, des Jahres 1724 in Glogau als Sohn des kaiserlichen Postmeisters Ignatius Anton Felbiger, den Kaiser Karl VI. in den Adelsstand erhob, geboren, dem auch die Mutter angehörte.

Johann Ignaz von Felbiger

Er war also das Kind einer vornehmen Familie. Über seine Kindheit und Jugend lässt sich nicht viel sagen; doch wird er wohl das damals von Jesuiten betriebene Gymnasium der Heimatstadt besucht haben, die einer der führenden Orte Schlesiens war und als "Groß-Glogau" bezeichnet wurde - eine deutliche Unterscheidung zum oberschlesischen Oberglogau. Felbiger studierte in Breslau Theologie, schloss dieses 1744 ab, wirkte 2 Jahre als Hauslehrer, trat 1746 in den Orden der regulierten Augustiner-Chorherren zu Sagan ein, empfing 1748 die Priesterweihe und wurde 1758 zum Abt des Saganer Klosters gewählt.
Der junge Mann begab sich mit großem Eifer und praktischem Sinn an die Verbesserung der Lage des kriegsgeschädigten Klosters, veröffentlichte die Schrift "Von Erkenntnis und Anwendung der verschiedenen Erdarten", erhielt die Ehrenmitgliedschaft der sächsischen ökonomischen Bienengesellschaft, widmete sich der Naturbeobachtung, der Physik und der Astronomie. Ein vielseitig interessierter forschender Geist, der von der Praxis ausging und auf den praktischen Nutzen abzielte! Bekannt, bedeutend und berühmt wurde Felbiger allerdings nicht als Naturwissenschaftler, sondern als Pädagoge.
In der Mitte des 18. Jahrhunderts befand sich das schlesische Schulwesen - auch durch die kriegerischen Auseinandersetzungen Friedrichs des Großen und Maria Theresias um die Provinz (3 Schlesische Kriege) bedingt - in schlechtem Zustand, was Felbiger vor Ort im Saganer Gebiet erlebte und ändern wollte. Da ihm eigene Erfahrungen als Lehrer fehlten, begab er sich nach Berlin und lernte in der vom evangelischen Pädagogen Johann Julius Hecker gegründeten Realschule was und wie man unterrichtete, wobei ihn vor allem die unteren Klassen interessierten, weil sie von mehr Schülern als die oberen besucht wurden und er die Verbesserung des Wissensstandes der breiten Masse erstrebte. Als Kind und Verfechter der Aufklärung jener Zeit, allerdings einer der Kirche verbundenen, versprach er sich von einer Vermehrung des Wissens die Höherentwicklung der Menschen. Ziel der Erziehung war der rechtschaffene Mensch, der treue Sohn der Kirche und gewissenhafte Bürger des Staates. Gelernt werden sollten Lesen, Schreiben und Rechnen, in den Stadtschulen auch die bis dahin vernachlässigte Rechtschreibung. Das Auswendiglernen sollte gefördert werden, das Gedächtnis geschult, der Wille gestärkt, hin zum Guten.
Felbiger entwickelte die Saganische Methode, versuchte das Lernen möglichst zu erleichtern, trat für den Klassenunterricht (Frontalunterricht statt Einzelunterricht) ein. Seine Methode des Lehrens ließ auch von den Schülern an die Lehrer gestellte Fragen zu. Wiederholungen dienten der Verankerung des Gelernten. Felbiger schuf die Saganer Katechismen, die weite Verbreitung fanden, kümmerte sich um die Vermittlung der Biblischen Geschichte und propagierte den Kirchengesang, auch in deutscher Sprache - also in diesem Punkte "gut evangelisch". Ausbildungsstätten für die zum Teil wenig geeigneten Lehrer entstanden, und die Pädagogen erhielten mehr Geld.
Weil der Abt seine Reformvorschläge in die Tat umsetzen ließ und viel über sie schrieb, gewann er zunehmend Beachtung. Im Jahre 1764 betraute ihn der Breslauer Weihbischof Johann Moritz Freiherr v. Strachwitz mit dem Amt des Schulinspektors des Archidiakonats (Seelsorgsbezirks) Glogau. 1765 gipfelten seine Reformbemühungen im "Königlich Preußischen General-Landschul-Reglement für die Römisch-Katholischen in Städten und Dörfern des souveränen Herzogthums Schlesien und der Grafschaft Glatz" - von ihm entworfen und von Friedrich d. Gr. erlassen; grundlegend und richtungweisend.
Felbigers Reformgedanken zündeten auch in Preußens Nachbarland Österreich, und so holte ihn Maria Theresia zur Leitung des deutschen Volksschulwesens nach dort (1774), wo er sich ebenfalls als Methodiker und Organisator bewährte und auch zum Propst in Preßburg (Bratislava), Mähren, ernannt wurde. Nach dem Tod der frommen Herrscherin enthob deren Sohn und Nachfolger Kaiser Joseph II., liberal und weniger religiös als seine Mutter, ihn 1782 seiner hohen Funktion im Schulbereich, und am 17. Mai 1788 verstarb Johann Ignaz Felbiger im Alter von 64 Jahren zu Preßburg. - - - -Felbiger

>die Felbiger Strasse in Sagan<

Der in Glogau geborene Felbiger, ein mehr praktisch-organisatorisch als philosophisch-spekulativer Schlesier, erwarb sich, von seiner Position als Augustinerabt in Sagan ausgehend, im pädagogischen Bereich große Verdienste. Er führte wesentliche schulische Reformen durch bzw. regte sie an, z. B. die Einführung der verpflichtenden Lehrerbildung und der Schulpflicht. Mancherorts wurden Schulen nach ihm benannt, so in Glogau die Städtische Katholische Volksschule, die freilich nicht an einer Felbigerstraße - eine solche gab es in unserer Oderstadt nicht -, sondern an der Gryphiusstraße lag, und in Sagan. Die Glogauer Anstalt – der Verfasser war zwei Jahre lang einer ihrer Schüler – erhielt, vielleicht 1936, den Namen Herbert-Norkus-Schule, nach einem 1932 getöteten Hitlerjungen. - - -
Mit Fug und Recht steht bereits im 1926 erschienenen 2. Band der von der Historischen Kommission für Schlesien herausgebrachten "Schlesischen Lebensbilder" eine vom Breslauer Universitätsprofessor Dr. theol. Franz Schubert verfasste Biographie Felbigers, den der Tübinger Theologieprofessor Dr. Joachim Köhler in Band 3 des Standardwerkes "Geschichte Schlesiens" (1999) würdigt. Und auch "Das Breslau-Lexikon" Gerhard Scheuermanns erinnert in einem längeren Artikel an ihn (Teil A – L, 1994).
Dagegen ist in dem von Dr. phil. Herbert Hupka herausgegebenen 40 Biographien umfassenden Sammelband "Große Deutsche aus Schlesien" (erstmals 1969; empfehlenswert) kein Text über Felbiger enthalten. - -

Bei dem 1969 in Paderborn durchgeführten Treffen der ehemaligen Schüler des Katholischen "Gymnasiums Fridericianum“ hielt der Verfasser eine Rede über Felbiger, die im blauen Heft „Fridericianum Glogau“ 1969 gedruckt wurde, was für den vorstehenden Text sehr nützlich war.

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