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Der Franziskanerplatz zu Glogau ist mir besonders ans Herz gewachsen: Wohnte ich doch von Kindesbeinen an in der Gastwirtschaft von Hieronymus Purtzel, Kleine Oderstraße Nummer 13. Als Knabe, Schuljunge gleich „nach dem Kriege", (nach dem ersten Weltkrieg), hastete ich jeden Morgen, wenn nicht gerade Ferien waren - und damals gab's noch nicht, wie jetzt, mehr als 85 Wochentage Ferien pro Jahr - jeden Morgen also hastete ich zur Schule, den gepflasterten Gehweg entlang, der diagonal über den Platz führte, vom Schnittpunkt Pfefferstraße/Kleine Oderstraße bis zur Bernhardinerstraße; es mündeten in den Franziskanerplatz noch die Kasernenstraße und die Mohrenstraße.
Der Franziskanerplatz war ein großer Platz mit holprigen Kopfsteinen, zwischen denen Jahr für Jahr die Grasbüschel wucherten; und Jahr für Jahr im Frühling befreiten die „Knastbrüder", so wurden die „Gefangenen" genannt, die im Glogauer Gefängnis eine Strafe abzusitzen hatten, in schwieriger Handarbeit das Kopfsteinpflaster vom durchwucherten Gras. Eine mühselige Arbeit!
Den Franziskanerplatz beherrschte ein mächtiges Baudenkmal: Das ehemalige Franziskanerkloster mit seinen hohen, durch schlichte Blenden charakteristisch geschmückten, im Grundriss unten quadratischen und oben achteckigen Turm mit dem wunderschönen Doppelhelm als Dach. Wie oft haben wir als Schüler diesen Turm zeichnen müssen! Diese schlichte bauliche Schönheit, das einfache gotische Ebenmaß hatte es anscheinend unseren Zeichenlehrern angetan: Der Turm war auch leicht zu zeichnen. Dabei haben weder Zeichenlehrer Rindfleisch noch Paschke uns darauf aufmerksam gemacht, was für ein interessantes Wahrzeichen die Wetterfahne darstellte.
>Der Franziskanerplatz mit dem ehem. Franziskanerkloster<
Es war das Wahrzeichen des Franziskanerordens: zwei gekreuzte Arme! Der eine, unbekleidete, soll den Arm Christi darstellen, der andere, bekleidete, den Arm des Ordensstifters Franz von Assisi.
In der großen glatten Wand der Klosterkirche, die den Platz mit ihren typischen gotischen Blenden zu beherrschen schien, befand sich ein ebenfalls gotisches Fenster als einziger Schmuck. (Dass es mir als Kind gelang, in dieses hohe Fenster mit einem kleinen Stein ein Loch zu schmeißen - was sieben anderen Mitschülern, die das auch versuchten, nicht glückte - darauf bildete ich mir damals viel ein. 0 goldene Kinderzeit ... Das Loch blieb; man sah es ja von unten kaum.) Der Franziskanerplatz machte Glogauer Geschichte! Hier fand im August 1914, zu Beginn des ersten Weltkrieges, der „Aufmarsch" der Artillerie mit ihren Pferdewagen, bespannt mit halbrunden Planen, statt. Hier, auf dem Franziskanerplatz, fanden alljährlich die Getreidemärkte statt - der Unternehmer Max Rosenthal hatte hier auch sein stattliches Haus, in dem er seinen umfangreichen Getreide-Großhandel betrieb.
Hier machte übrigens mein damaliger jüdischer Mitschüler Heinz Nossen seine außerschulische Kaufmannslehre und kaufte schon Ernten auf, die noch auf den Halmen standen und reiften - ich erinnere mich, wie beim „Schacherhandel" um die kommenden Ernten ein Landwirt zum anderen sagte: „Lass den Jungen halt machn a Geschäft..." und Heinz Nassen notierte eifrig in sein Büchlein. Ja, der Nossen Heinz handelte schon, während ich noch eifrig über den Pythagoras nachdachte.
Weitere geschichtliche Einzelheiten über den Franziskanerplatz kann man im Blaschke (Geschichte der Stadt Glogau und des Glogauer Landes) nachlesen: Im Kapitel „Neuer Aufschwung" schreibt Julius Blaschke: „ . . . den durch eine vorspringende kleine Straße außerordentlich beengten Franziskanerplatz legte man dadurch frei, dass man die baufälligen Häuser dieser Straße allmählich aufkaufte, niederriss und den geräumigen Platz pflastern ließ. Hierhin verlegte man dann zur Jahrmarktszeit den Topfmarkt..." Dieser befand sich nach der Beseitigung der Vorstädte auf dem südlichen Teile der Mohrenstraße, die früher Topfgasse hieß.
Glogau hatte im späten Mittelalter selbst ein blühendes Töpfergewerbe. Zu unserer Zeit allerdings handelte man auf dem „Tippelmarkt" am Franziskanerplatz bekanntlich vorwiegend mit „Bunzlauer Tonwaren".
Den charakteristischen Turm der Franziskanerkirche mussten wir als Schüler - wie oben und auch früher schon in diesen Blättern erwähnt - oft zeichnen, besonders von der Kasernenstraße aus. Hier lag auch der Anbau an die Klosterkirche, die „Herbersteinsche Kapelle", die im Jahre 1680 der Graf von Herberstein gestiftet hatte. Sie war den Glogauern im allgemeinen unbekannt; zu ihr hatte man auch keinen offenen Zutritt, obwohl die reichen Stuckaturen an ihrer Decke wirklich sehenswert waren (und daher auch im Blaschke besondere Erwähnung finden).
Der Franziskanerplatz ist in der letzten Zeit renoviert worden, das holperige Kopfsteinpflaster wurde durch eine glatte Teer-Oberfläche ersetzt.
„Tippelmarkt"
auf dem Franziskaner Platz
Noch einige Jahre nach dem ersten Weltkrieg hatte unsere Heimatstadt Glogau noch immer ihre Jahrmärkte. Sie fanden zweimal im Jahre - im Frühjahr und im Herbst - statt. Da waren Markt und Baudenstraße in eine bunte Stadt von Verkaufsbuden und -ständen verwandelt. Auch um unser Rathaus herrschte reger Jahrmarktsverkehr. Aus verkehrstechnischen Gründen wurde der Jahrmarkt schließlich auf den unteren Teil des Exerzierplatzes verlegt, aber der Staub bei trockenem Wetter und der Schmutz bei Regenwetter sorgten dafür, dass die Besucher immer weniger wurden, bis sich der Jahrmarkt schließlich gar nicht mehr lohnte. So verschwand unsere alter, volkstümlicher Jahrmarkt aus dem Leben der Glogauer.
Ein besonderer Zweig des Jahrmarktes war der Topfmarkt, im Volksmunde hieß er „Teppelmarkt" oder „Tippelmarkt", der auf dem Franziskanerplatz abgehalten wurde. Da kamen viele Händler - meistens stammten sie aus der Bunzlauer Gegend - mit ihren großen, pferdebespannten Planwagen, in deren Innerem alles, was die Hausfrau an Tonwaren und Steingutgeschirren gebrauchen konnte, sorgfältig verpackt war. Und bald nach der Zuweisung des Standplatzes wurde ausgepackt und die vielen Tonwaren wurden sorgfältig ausgelegt. Bald standen auf Stroh- und Deckenunterlagen große Stapel von Tellern, Schüsseln, Töpfen, Trögen in allen Größen und Formen zum Aussuchen bereit. Auch die großen Tontöpfe zum Einsauern von Gurken und Kraut fehlten nicht. Bald schon entfaltete sich ein lebhaftes Kaufgeschäft. Die Händler waren natürlich bemüht, ihre Kunden zufriedenzustellen. Geld und Ware wechselten ihre Besitzer.
Es mag wohl wenige Glogauer Hausfrauen gegeben haben, die mit der Ergänzung ihres tönernen Hausrates oder mit Neuanschaffungen von Schüsseln, Tellern, „Tippeln" nicht bis zum nächsten Jahrmarkt gewartet hätten. Man kaufte dort eben gern, weil man alles offen vor sich ausgebreitet sah, weil man in Ruhe prüfen und vergleichen konnte, weil auch die Preise nicht zu hoch waren.
Auch die Bewohner unserer Dörfer stellten ein beachtliches Käuferpublikum für unseren „Tippelmarkt", ging doch auch in den ländlichen Haushaltungen im Laufe der Zeit manches in Scherben und musste wieder ergänzt werden. Besonders bevorzugten unsere Landfrauen das so vielseitig verwendbare und widerstandsfähige Bunzlauer Geschirr.
Wenn wir bedenken, dass früher bei Dienstverträgen, die zwischen den Bauern als Arbeitgeber und Knechten und Mägden als Arbeitnehmer geschlossen wurden, auch ein Jahrmarktsgeld eingerechnet war, ist es uns verständlich, dass der Jahrmarktsbesuch vom Lande ein recht lebhafter war.
An der Ecke des Franziskanerplatzes und der Kasernenstraße hatte auch Böttchermeister Woitas aus der Grütznerstraße seinen Stand. Waschbottiche und Wannen, Fässer, Tonnen und Kübel für Haushalt und Wirtschaft warteten hier auf Abnehmer. Drei Tage dauerte immer der Glogauer Jahrmarkt, und drei Tage bot auch der Franziskanerplatz mit seinem Topfmarkt ein buntes und völlig
verändertes Bild; dann lag der Platz wieder still, und verträumt da. Die Männer der städtischen Straßenreinigung hatten ihre Not, die Überbleibsel dieser Tage wegzuschaffen. |
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