Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 2, Februar 2013

Die Geschichte und Entwicklung des Glogauer Heimatbund e.V.

11. Die Bezirksgruppen und Ortsgemeinschaften
11.3 Die Ortsgemeinschaft Beuthen von Charlotte Menzel

 

24. Fortsetzung aus NGA01/2013

 

Beuthen war und ist eine ruhige, idyllische Kleinstadt an der Oder, mit ihren drei Türmen und dem wunderschönen barocken Marktplatz.BeuthenSeit dem Krieg gibt es aber leider unsere prächtige Oderbrücke mit dem Großen und den vielen kleinen Bögen nicht mehr. Sie wurde gesprengt. Und die Oder ist, als unser besonderer Lebensnerv, seither so versandet, dass kein durchgehender Schiffsverkehr mehr möglich ist. Es gibt wohl Pläne, vielleicht scheitern sie an den Finanzen.
Man nannte Beuthen auch eine Ackerbürger- und Fischerstadt und es gab auch die „Borste“ und die Weidenindustrie. Und vor allem, man nannte es das „liebe Kuh-Beuthen“, so benannt nach den großen Viehmärkten, die hier stattfanden auf dem Spittelplatz „früher“!
Aber das gehört alles zur Beuthener Geschichte, die ja seit 900 Jahren zählt und so ungeheuer vielfältig ist.
Und nach dem Jahre 1945?
Wir mussten fort. Die neuen Bürger kamen meistens aus den Ostgebieten Polens, selbst Vertriebene. Genaue Zahlen kann ich nicht nennen. Beuthen hatte 1939 3176 Einwohner, heute sicher einige mehr, obwohl in der Stadt selbst Industrie fehlt.
Es gibt jetzt ganz gute Bahnverbindungen, eine neue Fernstraße ist auch gebaut.
Die Erinnerung an unser schönes Beuthen steckt wohl in jedem von uns tief drin (unsere Gene?)
Aus der damaligen DDR konnten nur wenige Heimatfreunde die Heimattreffen der Schlesier in der BRD besuchen. Wer „Familiengrüße“ bekam, freute sich besonders.
Ich selbst hatte mal das Glück, bei Klassentreffen der Zinzendorfschule Neusalz im Haus Schlesien in Heisterbacherrott zu sein. Als es nach der Wende nun auch möglich war, dass sich die Beuthener wieder zusammenfinden konnten, rief Günther Baberske die Beuthener 1990 erstmals zu einem „Familientreffen“ nach Pahren Kr. Zeulenroda.Beuthen Si
Einmal jährlich trafen wir uns dann. Der Kreis wurde immer größer. 1994 kamen schon 84 Teilnehmer (31 Männer, 59 Frauen). Weil die Räumlichkeiten in Pahren zu eng wurden, wurden 1998 unsere Zusammenkünfte nach Bodelwitz in die Gaststätte „Grüner Baum“ verlegt. 1998 wurde dort die höchste Teilnehmerzahl erreiht. 109 Heimatfreunde waren gekommen. Unsere Treffen in Bodelwitz finden in einem sehr schönen Saal statt. Auch den großen Garten können wir benutzen. Wir sind dort nun schon sehr lange bekannt und werden auch entsprechend behandelt. Z.B. gibt es für unsere Treffen eine extra Speisekarte und einiges mehr.
Pfarrer Gregor Decker, auch ein Beuthener Kind, bis zum 1.1.2011 im Amt, war fast immer hilfreich zur Seite. Andererseits organisierte er auch mit seiner Gemeinde zahlreiche Wallfahrten in die schlesische Heimat.
Sterbefälle und Krankheiten haben in den folgenden Jahren dann wieder zu einem Absinken der Teilnehmerzahlen bei unseren Heimattreffen geführt. Immerhin kamen 2010 noch 50 heimattreue Beuthener nach Bodelwitz. Viele trotz ihres hohen Alters und anderer Beschwerden. Die Verbundenheit der Beuthener mit ihrer Heimat zeigt sich auch darin, dass bei unseren Treffen ehemalige Beuthener teilnahmen, die jetzt im Ausland leben. So gab es Überraschungsbesuch aus Österreich, England, Frankreich, Amerika, ja einmal sogar aus Australien.
Gründer und Leiter unserer Heimatgruppe war:Beuthen Baberske
Günther Baberske geb. am 15.4.1925 in Beuthen, Bauernsohn, nach Kriegseinsatz und Vertreibung LPG Vorsitzender in Pahren. Er bekam ein schweres Krebsleiden, das ihm die Leitung unserer Heimatgruppe unmöglich machte. Deshalb übergab er 2003 die Verantwortung an Gertrud Stauß, Edith Heine und mich, Charlotte Menzel. Hfrd G. Baberske hat seit Gründung der Heimatgruppe diese geleitet und versuchte auch später noch, an unseren Treffen teilzunehmen. Er ist am 25.8.2005 gestorben. Wir haben seiner anlässlich einer Andacht in der Kapelle auf dem Altvaterturm auf dem Wetzstein bei Lehesten gedacht.

Gertrud Stauß ist am 26.3.1923 in Beuthen geboren. Sie war in der Borstenfabrik in Beuthen beschäftigt. Nach der Flucht 1945 als Landwirtschaftshelferin gearbeitet, später und bis zur Rente im Kindergarten in Bodelwitz. Unsere Gertrud war unser Quartier- und Verpflegungsmeister und hat sich bei unseren Treffen vor allem um die Unterbringung der Teilnehmer gekümmert. Manche kamen ja von weit her und hatten keine Bekannten und Verwandten in der Nähe, bei denen sie übernachten konnten.

Edith Heine stammt ebenfalls aus beuthen. Sie ist am 9.7.1939 geboren und hatte nach der Schulzeit eine Ausbildung als Hilfsschullehrerin. Sie hat sich immer bei der Vorbereitung und Durchführung unserer Heimattreffen engagiert.

Charlotte Menzel geb. am 27.9.1921 in Beuthen, Zinzendorfschule Neusalz, Höhere Handelsschule Glogau, und bis zur Vertreibung Dresdner Bank Glogau. Nach dem Krieg Arbeit im Gemeindeamt Krölpa, bis zur Rene im Rat des Kreises Pößneck Abt. Handel und Versorgung.Karte Beuthen Wir drei Frauen haben immer versucht, die Aufgaben gemeinsam zu lösen. Anders wäre es ja auch nicht möglich gewesen. Jede das, was sie am besten konnte.
Bei unseren jährlichen Heimattreffen war die „Wiedersehensfreude, das Erzählen über das eigene Ergehen natürlich wichtig und über das Leben in Beuthen und jetzt. Wir erinnerten und sprachen auch über bekannte Persönlichkeiten, die aus Beuthen stammten, oder hier gelebt haben. Wie z.B. Andreas Gryphius, der in Beuthen das Gymnasium Academicum besucht hat. Das Schicksal des Schriftstellers Jochen Klepper und seiner jüdischen Frau hat uns sehr berührt. Die ganze Familie Klepper stammte ja auch Beuthen und hat dort viele Jahre gewohnt. Wir haben uns in Bodelwitz bei den Treffen immer bemüht, diese Zusammenkünfte vielfältig zu gestalten, um alle anzusprechen.
Beuthen stand zwar immer im Mittelpunkt unserer Themen, aber ganz Schlesien wurde angesprochen mit seiner Vergangenheit, seinen bekannten Kurorten, dem Riesengebirge mit seiner Schönheit und seinen Sagen. Und natürlich haben wir auch an die vielen Schlesier gedacht, die maßgeblich als Literaten, Wissenschaftler (Nobelpreisträger) die deutsche Kultur und das deutsche Ansehen bestimmt, mit bestimmt und bereichert haben. Kießlings und MenzelJedenfalls ging uns der Stoff für die Gestaltung unserer Zusammenkünfte nie aus. Dabei haben wir auch immer versucht, mit einer kleinen Ausstellung von Erinnerungsbildern, Postkarten, Karten und Büchern die Diskussion zu unterstützen und anzuregen. Und natürlich haben wir unsere schlesischen Volkslieder nicht vergessen, meist begleitet von einem Heimatfreund mit dem Schifferklavier.Beuthen Ausstellung
Unsere Heimatstadt Beuthen/O. haben wir als Heimatgruppe 4 mal mit einem großen Bus besucht. Hinzu kommen noch die vielen privaten Fahrten unserer Mitglieder, insbesondere auch derer, die heute in naher Entfernung leben. Es gibt aber auch Beuthener, die damals noch
recht klein waren, sich dann bei uns durch uns erst einmal orientieren und bei uns erst Station machen, ehe sie nach Beuthen fahren.
Aber auch wir besuchten Görlitz, Grünberg, Neusalz, Glogau, Bunzlau mit dem schönen Bunzlauer Geschirr. Aber mir kam es vor, als bekäme man dort nur 2. Wahl.
Wir waren auch in Schlesiersee (heute wieder Schlawa - unser schlesisches Meer). Weitere Ziele waren Krummhübel, die Kirche Wang, die Schneekoppe, die aale Gake!

Am 4. April 2002 wurde zwischen der Stadt Pößneck (Bodelwitz liegt nur etwa 2 km entfernt) und unserem Beuthen (Bytom) ein Partnerschaftsvertrag geschlossen.Pfarrer Decker
Da die Stadt Pößneck oft mit Grußbotschaften bei unseren Heimattreffen präsent ist, erhielten auch wir eine Einladung dazu. In der Folge waren wir dreimal mit der Partnerschaftsbeauftragten von Pößneck, Frau Christel Hoffmann in unserer Heimatstadt und jedes Mal waren wir beim Bürgermeister, Herrn Jacek Sauter eingeladen.
Frau Christel Hoffmann, seit 2009 in Rente, wurde von Bytom zur Ehrenbürgerin ernannt. Sie selbst ist keine Schlesierin. Und so konnten wir also immer wieder Vertreter der Stadt Pößneck und auch Herrn RYSZARD SZCYGIEL, Stadtrat in Bytom mit Frau Sofia, als Gäste bei uns in Bodelwitz begrüßen.
Auch kam aus unserem Beuthen, so lange sie gesund war, Frau Elfriede Ludwig (später Kedziersky) zu unseren Treffen.
Unabhängig davon hat unser schlesischer Heimatfreund aus Krolkwitz, (Krolkwitz gehörte zum Kirchspiel Beuthen/Oder) Gotthard Liebich besondere Verdienste um die Gedenktafeln auf dem alten Friedhof in Beuthen für Jochen Klepper und die Tafeln zur Erinnerung an die hier beerdigten Beuthener und Krolkwitzer.Beuthen Erinnerungstafel

Er hat nach dem Krieg in England geheiratet, war oft bei unseren Heimattreffen und hat die Verbindungen zum poln. Pfarrer Tadeucz und zum Bgm. Jacek Sauter geknüpft und dadurch das Anbringen der Gedenktafel ermöglicht. Man bestand allerdings darauf, dass die Beschriftung erst in Polnisch, dann in Deutsch erfolgte.
Wir können berichten, dass bisher bei all unseren Besuchen in Beuthen die Erinnerungsstätten gepflegt und ordentlich sind und jeder der nach Beuthen fährt, sie auch besuchen sollte.
Ganz in unserer Nähe, auf dem Wetzstein bei Lehesten, haben die Vertriebenen aus dem Sudetenland den im Altvatergebirge von den Tschechen gesprengten Altvaterturm mithilfe des Altvaterturm-Vereins wieder neu erstehen lassen. Dieser Turm ist (Initiator Herr Weese) auch aus Liebe und Treue zur alten Heimat entstanden und soll als Erinnerungs- und Begegnungsstätte dienen und auch wir sollen sie nutzen. Zur Einweihung 2003 waren unter den 4000 Besuchern auch viele Beuthener gekommen.
Damals konnten wir nur in der Kapelle eine Tafel von Beuthen mit Einwohnern, Gefallenen und Willkürtoten anbringen. 2006 konnten wir dann ein farbiges, aus Holz geschnitztes Wappen von unserem Beuthen zwischen den dort ausgestellten Erinnerungswappen der vielen verlorenen deutschen Städte Schlesiens anbringen. Es gibt von der Beuthener Heimatgruppe gute Beziehungen z.B. zur Ortsgemeinschaft Carolath, die aber nicht nur Carolath umfasst. Auch von dort waren Vertreter bei unserer Fahrt und Andacht am 10.6.2006 dabei.
Die Überalterung und der Tod vieler Heimatfreunde machen uns sehr zu schaffen. Nachwuchs von jüngeren Leuten fehlt.
Ich muss das heute hier allen unseren Heimatfreunden aus Beuthen sagen, es fällt sehr schwer, einen so vertrauten Kreis zu verlassen. Denn so lange es noch geht, wollen wir doch als Verpflichtung die Erinnerung an unsere verlorene Heimat, an Beuthen in uns und für unsere Nachkommen wach halten und pflegen. Und wir Alten werden dafür auch noch gebraucht. Es ist für uns immer eine Freude, wenn unser Rat gefragt ist und wir über die verlorene Heimat, über Flucht und Vertreibung, bei allem Schmerz dabei, aus eigenem Erleben berichten sollen und können.
So hatten die Schüler des Gymnasiums Pößnecks, angeregt durch die Partnerschaftsbeziehungen der Stadt mit Bytom, ein 2jähriges Projekt als Arbeitsthema bekommen „Flucht und Vertreibung 1944-1948, Spurensuche im Saale-Orla-Kreis“. Unsere Heimatfreunde standen als Informationsgeber gern zur Verfügung und haben sich über das Ergebnis sehr gefreut (die Schüler auch).
Es ist erstaunlich, wie viel Literatur über unser kleines Beuthen vorhanden ist. Ich habe mich bemüht, möglichst viel zusammenzutragen und bei unseren Treffen auszustellen zur Information und als Anregung zum Kauf derselben.
Eine Auswahl:
Adolf Schiller: Ein Führer durch die Stadt und ihre reiche Geschichte.
Adolf Schiller: Heimatbuch des Kreises Freystadt (bis 1932 gehörte Beuthen zum Krs. Freystadt, dann zu Glogau)
Badermann, Elma: Schlesische Mühlen in der Region des ehem. Beuthen
Klepper, Georg: Chronik der evangelischen Kirchengemeinde Beuthen von 1846
Klepper, Jochen: Der Kahn der fröhlichen Leute (Beuthener Schiffer), Er weckt mich alle morgen, Dichter und Zeuge, Kyrie, Unter dem Schatten deiner Flügel, Der Vater, Die Flucht d. Katharina v. Bora

Ich selbst habe auch einiges beigetragen:
Als Unikat: Beuthener Bilderbogen (weit über 400 Bilder mit Text), Eine Jugend in Kuh-Beuthen an der Oder, Beuthener Poesie – Es war einmal

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