Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 10, Oktober 2012

Die Geschichte und Entwicklung
des Glogauer Heimatbund e.V.

20. Fortsetzung aus NGA09/2012

 


Die Förderung der deutsch-polnischen Beziehungen wurden immer wieder - meist im lokalen oder regionalen Bereich - von der Aktivität Einzelner gefördert und getragen. Im GHB gilt das für die Jahre seit der Wende besonders für Dr. Schneider und den damaligen Vorsitzenden Schelenz. Natürlich war und ist sie auch abhängig von der politischen „Großwetterlage", d.h. den staatlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Polen. Die örtlich Verantwortlichen beider Länder sind natürlich auch Mandatsträger einer Partei und damit in ihren Entscheidungen an bestimmte Vorgaben gebunden. So ist z.B. der im Teil 1 zitierte Ausspruch des ehemaligen Stadtpräsidenten Zielinski in der praktischen Arbeit heute in Polen kaum wiederholbar. Deshalb war es besonders interessant, im Archiv des GHB eine „Gemeinsame Erklärung des GHB und des Vorstandes der Stadt Glogau" vom 14.4.1994 zu finden. Darin wird die Absicht erklärt, „die Geschicke Glogaus wieder mit seiner Geschichte zu verbinden und zu ihrem Fortschritt in eine friedliche und von Wohlstand erfüllten Zukunft beizutragen....". Es wird darin auch auf die Unterstützung des GHB bei den Bestrebungen der Stadt zur städtebaulichen Entwicklung und dem Wiederaufbau des alten Kernes der Stadt als Stadtzentrum hingewiesen. Dabei sollen auch die historischen Gegebenheiten berücksichtigt werden. Es wird auch das Bemühen der Stadtverwaltung um gute Beziehungen zu den deutschen Glogauern festgeschrieben und empfohlen, alle wesentlichen, den in dieser Erklärung dargelegten Absichten und Planvorhaben vor ihrer Entscheidung miteinender abzusprechen und zu beraten. Diese Erklärung ist unterschrieben von Hfrd. Schelenz (als Vorsitzender des GHB) und Zielinski (als Stadtpräsident von Glogów). Ein wirklich erstaunliches Dokument! Es liegt aber genau in der Zielrichtung, die für den GHB durch das Manifest der Heimatvertriebenen von 1950 festgeschrieben ist und hier im örtlich-regionalen Bereich versucht wird, zu verwirklichen. Manches in dieser Erklärung erscheint heute etwas realitätsfremd. Es kennzeichnet wohl aber allgemein die damalige, nahezu euphorische Aufbruchsstimmung in Europa, in Polen gegeben durch die „Solidarnoscz". Auch die Städtepartnerschaft zwischen Langenhagen bei Hannover und Glogów ist durch Vermittlung und Förderung des GHB zustande gekommen.
Die persönlichen Beziehungen von Dr. Schneider zu einflussreichen Personen der Stadtverwaltung von Glogów haben sich bis heute erhalten. Mit der Ablösung von Hfrd. Schelenz als Vorsitzender des GHB konnte die Kontinuität der Kontakte durch die folgenden Vorsitzenden des GHB Maria Schalm und Reinhold Marquardt nicht in gleichem Maße aufrecht erhalten werden. Es muss eben auch die „Chemie" zwischen den Verantwortlichen beider Seiten stimmen, wie es z.B. zwischen Schelenz und Zielinski gegeben war. So hat erst der 2004 in Halle gewählte neue Vorstand des GHB unter seinem Vorsitzenden Prof. Palissa versucht, die Beziehungen zu den Verantwortlichen in Glogów wieder aufzufrischen und vielleicht auch neue Akzente zu setzen.

Prof. Palissa

Prof. Palissa

Zwei Schwerpunkte ergaben sich aus der damaligen Situation. Zum einen, eine endgültige Lösung aller Fragen und Probleme um die Toten im Massengrab des Schlossgartens von Glogau - ein Anliegen, das den Glogauer Heimatbund auch in der Vergangenheit seit vielen Jahren beschäftigt hat, wo aber bisher keine für uns annehmbare Lösung in Aussicht stand. Und zum anderen die Erneuerung und Förderung einer kulturellen Zusammenarbeit. Um beides zu ermöglichen, gab es Aussprachen in Glogów zwischen Vorstandsmitgliedern des GHB (Prof. Palissa, Frau Schalm, Herr Hänel) mit den jeweiligen Stadtpräsidenten von Glogów, Herrn Rybka und später Herrn Zubowski in Anwesenheit des Dolmetschers Herrn Mlynczak. Es gab auch 2007 einen Gegenbesuch von Stadtpräsident Zubowski mit einigen seiner Mitarbeiter in Hannover. Alle diese Zusammenkünfte verliefen in einer entspannten, ruhigen Atmosphäre, zunächst aber ohne praktische, greifbare Konsequenzen.

Doch zunächst zum Thema Massengrab. Es ist ein trauriges, durch die Beteiligung verschiedener, auch grenzüberschreitender Institutionen kompliziertes Problem. Der GHB hatte wiederholt darauf hingewiesen, wie unwürdig es sei, auf dem Betonpodest vor der Westseite des Glogauer Schlosses - also dort, wo nach Kenntnis des GHB die etwa 220 Toten in einem Massengrab verscharrt wurden - Tanz und ähnliche Veranstaltungen durchzuführen. 2009 endlich wurde vom Stadtpräsidenten von Glogów verbindlich zugesagt, dass die Betonbühne vor dem Schloss nicht mehr für kulturelle Veranstaltungen genutzt würde. Es gab auch Vorstellungen und Beschwerden unserer Mitglieder, die eine würdige Lösung für diese Toten anmahnten.
Gegen Ende der Amtsperiode von Herrn Rybka gab es den Vorschlag, dass der Heimatbund nicht mehr auf eine Exhumierung der Toten bestehen würde, dass aber im Schlossgarten ein Gedenkstein etwa mit folgender Inschrift in deutsch und polnisch aufgestellt werden sollte: „Wir trauern um 220 Opfer, die Not, Elend und Schrecken eines sinnlosen Krieges nicht überlebt und im Frühjahr 1945 im Schlossgarten eine gemeinsame Grabstätte gefunden haben - Der Glogauer Heimatbund".
Bei einer Aussprache zwischen Vertretern des VDK (13. Juni 2005) und dem Vorstand des GHB weist der VDK darauf hin, dass es inzwischen eine Vereinbarung zwischen Deutschland und Polen gibt, wonach die Kriegstoten (Soldaten) aus dem Massengrab in Glogau in eine zentrale Gedenkstätte nach Groß-Nädlitz (bei Breslau) umzubetten seien. Da in dem Massengrab im Schlossgarten vorwiegend Soldaten lägen, sei allein der VDK für eine Exhumierung bzw. Umbettung zuständig. Die wenigen ziviltoten Glogauer würden dabei mit umgebettet. Der GHB hat daraufhin seine direkten Bemühungen um eine endgültige Regelung bezüglich der Schlossgarten-Toten eingestellt und sich seitdem nur immer wieder bei beiden Seiten (VDK und Stadtverwaltung Glogów) um einen Fortgang in dieser Angelegenheit bemüht, zumal er sich gegenüber einigen seiner Mitglieder und Zeitzeugen, deren Angehörige direkt betroffen sind, verpflichtet fühlt. Für 2008 lag dann endlich die Genehmigung des zuständigen Wojewoden für Niederschlesien für die notwendigen Sondierungs- und Exhumierungsarbeiten im Schlossgarten vor (befristet bis 30. Nov. 2008). Offenbar gab es aber Kommunikations- und Kompetenzschwierigkeiten zwischen dem VDK und der Stadtverwaltung Glogów, so dass erst im November 2008, mit speziellen Geräten vom VDK Grabungen im Schlossgarten durchgeführt werden konnten - ohne Ergebnis. Es wurden keine Toten bzw. Leichenteile gefunden, obwohl es genügend Hinweise und Belege für ein Massengrab an dieser Stelle im Schlossgarten von Glogau gibt. Der GHB hat deshalb sein Bemühen um eine angemessene und würdige Regelung für diese Toten nicht aufgegeben. In der Pflicht steht nach wie vor der VDK. Das „Verschwinden" von über 200 Toten hebt die Verantwortlichkeiten aber auf eine neue Stufe, so dass der GHB nunmehr bestrebt ist, auch andere Stellen einzuschalten, um Unterstützung bei der endgültigen Regelung dieser schwierigen Situation zu bitten.
Eine neue Situation ist jetzt durch das in 2. Auflage 2010 erschienene Buch von Przemyslaw Lewicki „Festung Glogau 1944 - 1945" gegeben. Darin berichtet ein Zeitzeuge, dass in den 70er Jahren beim Wiederaufbau des Schlosses und den Arbeiten für die Betonplatte an der Westseite des Schlosses Skelettreste gefunden wurden. Also an der Stelle, wo im Laufe des Kampfes um Glogau ein Massengrab angelegt worden war. Nach diesem Bericht des Zeitzeugen wurden diese Knochen dann an eine unbekannte Stelle abtransportiert. Es gibt zzt. keinen weiteren Hinweis auf den Verbleib dieser Knochenfunde. An der vom GHB und verbliebenen Zeitzeugen bezeichneten Stelle im Schlossgarten gibt es demnach keine Skelett-Reste mehr, weshalb auch die 2008 erfolgte Untersuchung mit moderner Radar-Technik ergebnislos verlaufen musste. Die Frage nach dem Verbleib der Toten aus dem Massengrab bleibt damit immer noch offen. Von der Stadtverwaltung von Glogów ist aber jede Hilfe bei der Lösung offener Fragen zugesagt. Möglicherweise wird für den GHB die Frage der Aufstellung einer Erinnerungstafel für die Toten im Schlossgarten wieder aktuell.
Der zweite Schwerpunkt der Arbeit des Vorstandes des GHB in diesen Jahren galt einer Aktivierung der kulturellen Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung von Glogów.

2004 gab es den Besuch eines polnischen Kamerateams in der Geschäftsstelle des GHB in Hannover mit Aufnahmen von Exponaten aus unserer Heimatsammlung. Es folgte die Bitte an den Heimatbund, für eine Ausstellung in Glogów entsprechendes Material aus unserer Sammlung zeitweise zu Verfügung zu stellen. Es wurde eine Liste von 106 Einzelstücken zusammengestellt, mit einem geschätzten Wert von etwa 19000 Euro. Damit konnte eine Ausstellung im Schlossmuseum von Glogów eröffnet werden. Sie war für die Bevölkerung ½ Jahr zugänglich und fand offenbar reges Interesse bei den polnischen Bewohnern.

Im Mai 2006 hatte die „Gemeinschaft für deutsch-polnische Verständigung (gdpv)" zu einer Tagung nach Glogów eingeladen. Der GHB war durch 2 Referenten (Prof. Palissa, Dr. Schneider) an dieser Veranstaltung beteiligt.
Nach Absprachen mit dem Stadtpräsidenten von Glogów, Jan Zubowski, war es möglich, in 3 aufeinanderfolgenden Jahren verschiedene kulturelle Vorhaben in Glogów umzusetzen. 2006 gab es jeweils ein Orgelkonzert mit Trompetenbegleitung in der Jesuitenkirche, der großen Marienkirche und sogar in einer Polkwitzer Kirche. 2007 konnte ein Jugendchor von Schülern und Absolventen der Musikschule Hannover im Glogauer Dom anlässlich eines Chorfestivals während der Glogauer Festwochen im Mai auftreten und dazu auch wieder in Polkwitz.

Der Auftritt des Chores in Glogów wurde auch zu einer feierlichen Blumenniederlegung am ehemaligen Ebert-Denkmal genutzt. 2008 hatte der GHB das national und auch international bekannte Harfen-Ensemble der inzwischen (2007) leider verstorbenen Frau Prof. R. Konhäuser für einen Auftritt in Glogów gewonnen. Im gleichen Jahr wurde auch eine Ausstellung mit 23 Werken (Stadtansichten des alten, unzerstörten Glogaus der Vorkriegszeit) des Hfrdes Gatzka im Schlossmuseum vermittelt. Das alles war nur möglich durch ein freundliches Entgegenkommen des Stadtpräsidenten von Glogów, wobei vereinbart wurde, die entstehenden Kosten (Auftritt, Unterkunft, Verpflegung) anteilmäßig von beiden Seiten zu tragen. Es hat auch alles wunderbar geklappt und auch die Resonanz der offiziellen Stellen und der Besucher war lebhaft, freundlich und zustimmend.
Es sei noch hinzugefügt, dass neben dem organisatorischen Aufwand durch den GHB auch eine finanzielle Absicherung dieser Vorhaben nötig war. Da dem GHB dafür keine eigenen Mittel zur Verfügung stehen, war er auf finanzielle Hilfe angewiesen. Sie wurde gewährt durch das Land Niedersachsen.
Durch die aktuellen Schwierigkeiten können von der Stadtverwaltung Glogów die Kosten (Unterkunft, Verpflegung) weiterer Vorhaben zurzeit nicht getragen werden, so dass es aktuell keine Pläne für die Fortsetzung dieser kulturellen Bemühungen gibt.Unabhängig von diesen zentralen Vorhaben des GHB zur Gestaltung und Förderung der gutnachbarlichen Beziehungen zu den heutigen Bewohnern unserer verlorenen Heimat, gab es und gibt es zahlreiche Aktivitäten und Begegnungen unserer Bezirksgruppen und Ortsverbände (über die an anderer Stelle genauer berichtet wird) aber auch von einzelnen Heimatfreunden mit ihren alten Dörfern und ihren neuen Bewohnern. Da sind Busreisen in die alte Heimat, verbunden oft mit Erholungstagen z.B. ins Riesengebirge. Dabei wird auch häufig erst jetzt die Schönheit unserer schlesischen Landschaft entdeckt und bewundert. Es kommt immer wieder zu entspannten, ja fast freundschaftlichen Kontakten und Gesprächen mit den jetzigen Bewohnern. Manche unserer Mitglieder reisen fast jedes Jahr in ihre alte Heimat, in ihr Dorf und werden dort gern und freundlich aufgenommen. Natürlich gibt es nach diesem verheerenden Krieg auch noch manche Wunden und Probleme, die aufgearbeitet werden müssen. Viele unserer Heimatfreunde suchen vergeblich auf den Friedhöfen ihres Heimatortes die Gräber ihrer Toten. Die Grabsteine der Toten wurden entfernt oder ihre Inschriften unkenntlich gemacht. Nach langem Bemühen und meist mit Unterstützung der heutigen Ortspfarrer ist durch den Einsatz einzelner Heimatfreunde des GHB gelungen, auf manchen Friedhöfen Erinnerungstafeln an die verstorbenen deutschen Bewohner anzubringen. Genannt seien hier nur Brostau, Wiesau, Priedemost.

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