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Die folgenden Begebenheiten zur Geschichte der Stadt Polkwitz sind historisch verbürgt. Sie werden allerdings nur stark verkürzt unter Inanspruchnahme der abschließend genannten Literatur nacherzählt. In den damit begrenzten Ansprüchen ist speziell für Polkwitzer Heimatfreunde vielleicht die folgende Historie erinnernswert:
Der Beginn des Siebenjährigen Krieges - auch als 3. Schlesischer Krieg bezeichnet - nahm für Friedrich II., König von Preußen, mit der schweren Niederlage in der Schlacht von Kolin (Juni 1757) gegen die Österreicher einen zunächst sehr unglücklichen Verlauf. Friedrich musste mit seinen Truppen das damalige Böhmen räumen und vor allem auch sich selbst der Gefangennahme entziehen. Auf der Flucht mit seiner schweren Reisekarosse, offenbar ohne Wechselpferde und lediglich begleitet von einigen Pagen und Husaren, blieb er schließlich im Trebitscher Walde, ganz in der Nähe von Polkwitz, liegen. Einer seiner Pagen, der zur Hilfesuche ausgeschickt worden war, stieß auf den seinerzeit erst 16jährigen Anton Lessel aus Polkwitz, der in der Nähe des „Kalten Berges", der höchsten Erhebung über der Stadt, auf dem väterlichen Felde arbeitete. Nach einer kurzen Kontaktnahme wurde von Lessel dringend gefordert, „..ohne jeden Zeitverlust zehn ausgeruhte Pferde für einen im Trebitscher Walde liegen gebliebenen, hart verfolgten, Höheren Preußischen Offizier.." zu beschaffen. Ferner: "Die Fahrt müsse unverzüglich nach Freystadt, unter Umgehung der Stadt Polkwitz, unternommen werden, um einer Gefahr der Verhaftung zu entgehen" (Leitgeb, 1935, S. 51). Lessel ließ sich als offenbar preußisch gesinnter Jugendlicher nicht lange bitten, und er hatte Glück. Im Gasthof seines Großvaters „Zu den drei Mohren" befanden sich nämlich zeitgleich „..drei Gespanne ausgezeichneter Ukrainer Pferde" (a.a.O., S.52). Zusammen mit seinem Vetter Hans-Casimir Leitgeb, den er unverzüglich zur Hilfe gewonnen hatte, gelang es ihnen die drei Gespanne auf getrennten Wegen
aus der Stadt zu entführen, um dem bedrohten „Hohen Preußischen Offizier" zur Hilfe zu eilen. Anton Lessel erkannte sehr schnell, dass es sich dabei um keinen Geringeren als den König von Preußen handelte. Obwohl zunächst nur die von ihm entführten vier Pferde verfügbar waren, gelang die Weiterfahrt. Er traf sich schließlich an einem mit Vetter Leitgeb verabredeten sicheren Ort, um die zwei weiteren Pferde dazu spannen zu können. Die nunmehr sechsspännig mögliche Weiterfahrt musste wegen der zuweilen gesichteten österreichischen Reiterpatrouillen stets höchstmögliche Sicherheit für den König gewährleisten. Als Kutscher betätigte sich dabei der im Vergleich zu Lessel deutlich ältere Vetter Leitgeb. Er erwies sich als ein außerordentlich gewandter Fahrer, da die Flucht aus besagten Sicherheitsgründen vielfach auf grundlosen Nebenwegen durch den Sprottebruch mit höchsten Ansprüchen an Pferde und Kutscher erfolgen musste. Anton Lessel betätigte sich dagegen - trotz seiner Jugend - als ein überaus orts- und wegekundiger Berater zu den Fahrwegen. Seine bemerkenswerten Orts- und Wegekenntnisse im Sprotte-Bruch erklärten sich daraus, dass sein Vater über verschiedene Wiesengrundstücke im Bruch verfügte, die alljährlich entsprechend bewirtschaftet werden mussten. Er konnte deshalb am besten sagen, welche Wege als hinreichend befahrbar und welche Plätze zur kurzen Rast und Fütterung der Pferde als sicher genug gelten konnten. Nach der insgesamt sehr risikoreichen und beschwerlichen Fahrt über mehr als fünf Meilen wurde schließlich Freystadt und damit jene schlesische Stadt erreicht, in der sich Friedrich vor einer Gefangennahme vorläufig sicher wähnen konnte. -
Soviel in aller Kürze zu einem heimatgeschichtlich fraglos sehr bemerkenswerten Ereignis. Wie aber ist nun die im Titel des vorliegenden Beitrages recht provokativ gestellte Frage zu beantworten? - Auch dazu nur sehr kurz gefasst folgendes:
Eine historisch schlüssige Antwort auf die gestellte Frage ist selbstverständlich nicht möglich. Sie könnte lediglich Spekulationen darüber umfassen, wie die
weitere europäische und damit auch schlesische Geschichte bei Gefangennahme des Preußischen Königs und der Auslieferung an seine Erzfeindin Maria Theresia von Österreich verlaufen wäre. Als hinreichend sicher darf u. E. jedoch gelten, dass die Geschichte zu dieser Zeit einen entschieden anderen Verlauf genommen hätte.
Der Preußische König war sich der überstandenen Gefahr und ihrer möglichen Folgen offenbar voll bewusst, denn er wusste die Taten der beiden Polkwitzer sowohl in unmittelbarer als auch mit nachhaltig wirkender Dankbarkeit zu würdigen.
Dem Fahrer Leitgeb übergab er „… persönlich einige Goldrollen… es sollen gerüchteweise 300 Dukaten gewesen sein" (Leitgeb, S.52, 53). Anton Lessel hätte er zur Belohnung gern in seine Dienste übernommen. Dem jungen Polkwitzer war jedoch seine persönliche Unabhängigkeit wichtiger, und deshalb bat er lediglich darum, der Verbesserung der baulichen Zustände seiner Vaterstadt mit königlicher Huld zu begegnen. Friedrich war von der Selbstlosigkeit des jungen Lessel beeindruckt. Eine sofortige Hilfe war kriegsbedingt verständlicherweise zunächst nicht möglich; der geäußerte Wunsch blieb jedoch unvergessen. Nach Leitgeb (a.a.O.) wurde 1772 auf königliche Kosten zunächst das großväterliche Haus „Zum blauen Hirsch" renoviert und 1775 ein Hausneubau für Lessel selbst besorgt (S.53). In den folgenden Jahren wurde schließlich ein bestimmter Aus- und Umbau des alten Polkwitz in Angriff genommen. Das Besondere daran war: Die bis dahin übliche Giebelbauweise - die Giebelseite der Häuser zeigte im Regelfalle zur Straße bzw. zum Markt - wurde aufgegeben und stattdessen die sog. Zeilenbauweise angewandt; noch bemerkenswerter erscheint uns jedoch, dass der bis dahin nahezu ausschließliche Lehm- und Fachwerkbau - äußerst anfällig gegenüber Feuer und Wasser - dem entschieden besseren Massiv- oder Backsteinbau wich. Leitgeb berichtet, dass sich wegen dieser nunmehr im „Preußischen Stile" erfolgten Bauweise das ansonsten bescheidene Polkwitz des Rufes eines
„Potsdam des Kreises Glogau" erfreute (S. 53). Auch die Tatsache, dass das kleine Polkwitz bis 1886 als Garnison einer Dragonerschwadron Bestand hatte, „.. wurde nicht mit Unrecht in der… Errettungsgeschichte aus persönlicher Kriegsgefahr durch die beiden einheimischen Jungmänner Lessel und Leitgeb 1757 gesucht" (Leitgeb, S. 87). Insgesamt und abschließend darf demzufolge zusammenfassend festgestellt werden: Die im Titel unseres kleinen Beitrages gestellte Frage kann nicht authentisch und damit verlässlich beantwortet werden. Mit höchster Bestimmtheit ist dagegen einzuschätzen, dass die beiden Polkwitzer mit ihrer raschen Bereitschaft, Umsicht und „Findigkeit" bei der Hilfeleistung sowie ihrem Mut und Können im Bewältigen der risikoreichen Fahrt maßgeblich dazu beigetragen haben, eine drohende Gefangennahme des Preußischen Königs zu verhindern. Nicht zuletzt ist schließlich hervorzuheben, dass sich Lessel und Leitgeb, mit der dadurch bewirkten königlichen Dankbarkeit nachhaltige Verdienste um ihre Vaterstadt Polkwitz erworben haben.
Literatur:
Der Magistrat: Chronik der Stadt Polkwitz in Niederschlesien. Groß-Glogau, gedruckt in der Königl. Regierungs-Buchdruckerei bei Christ. Friedr. Günther, 1819.
Guido Franz-Josef Leitgeb: 700 Jahre Geschichte der Stadt Heerwegen. Prien-Frauenwöth im Chiemsee 1958. Heimatverlag Heerwegen. |
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