Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 1, Januar 2012

Die Geschichte und Entwicklung
des Glogauer Heimatbund e.V.

11. Fortsetzung aus NGA12/2011

 


Am 22. Juni des Jahres 1952, übernahm die Stadt Hannover die Patenschaft über die schlesische Stadt Glogau und deren Landkreis.
Im folgenden Jahr, am 26. September 1953, anlässlich der 700-Jahrfeier von Glogau, stellte die Patenstadt Hannover den Glogauern Räume zur Einrichtung einer Heimatstube zur Verfügung.
Diese Räumlichkeiten befanden sich im Erdgeschoss des 1747 erbauten „Hardenbergschen Hauses“ in Hannover-Herrenhausen. Das Haus, unmittelbar an den Herrenhäuser-Barockgärten gelegen, wurde während der Nutzungszeit durch den Glogauer Heimatbund auch das „HAUS GLOGAU“ genannt.
Mit der Fahne des Glogauer Dombezirksvereins begann eine sorgsame Zusammentragung von Erinnerungsstücken. Ehemalige Glogauer Bürger aus Stadt und Land hatten sie beim Verlassen ihrer angestammten Heimat, unter zum Teil schwierigen Bedingungen mitgenommen und nun dem Heimatbund zur Verfügung gestellt.

Fahne
Zur historischen Fahne traten bald wertvolle Glogauer Stiche z. B. ein koloriertes Bild der evang. Kirche von „Groß Glogau“, genannt „Zur Hütte Christi“, 1648, von Joh. Georg Merz. Weitere Gegenstände aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, Bilder, Ansichtskarten und Fotos von der Heimatstadt und den Dörfern des Landkreises, sowie Bücher und Aufzeichnungen über die Stadtgeschichte, Kirchen, Schulen, Krankenhäuser, Sport und Gewerbe u.v.m. sind vorhanden.
Dazu kamen die vielen persönlichen Erinnerungsstücke. Alles zusammen ergab den Grundstock für ein kleines informatives Heimatmuseum in den Räumen der Heimatstube.

Hier gebührt den Damen und Herren der ersten Stunde des Heimatbundes (Herr Peschel, Ehepaar Felgenhauer, Frau Leukert, Willy Winter u.a.) die diese wichtige Aufgabe übernahmen und mit viel Engagement durchführten, ein besonderes Lob.
Eine wertvolle Bereicherung für die Ausstattung der Heimatstube, war das vom Glogauer Bildhauer Erich Jaekel mit Unterstützung durch Hans Eichwald geschaffene Modell der Stadt Glogau, ein maßstabgetreues, plastisches Bild unserer Heimatstadt. Es wurde durch Spenden der Glogauer Heimatfreunde finanziert und am 6./7. August 1960 dem Glogauer Heimatbund übergeben.

Stadtmodell
Des weiteren entstand, auch aus der Hand Jaekels, das aus Nägeln gehämmerte Stadtwappen Glogaus. Es entstand aus Anlass des 25-jährigen Bestehens der Patenschaft mit Hannover und ist ebenfalls ein fester Bestandteil der Heimatstube.

Nagelwappen
Ein Modell des Glogauer Stadttheaters vervollständigt das Gesamtbild der Heimatstube.

Stadttheater
In Schaukästen werde Aufzeichnungen, Urkunden und einzelne Broschüren und Bücher aufbewahrt, darunter auch eine historische Besonderheit, die Originalunterschrift des schlesischen Barockdichters Andreas Gryphius, der in Glogau geboren wurde und dort im Jahre 1664 verstarb.
Vitrinen sind der Aufbewahrungsort für die vielen Einzelstücke aus dem Privatbesitz ehemaliger Glogauer, z.B. Porzellan, Gläser, Haushaltsgegenstände (Wasserzähler, Hausschlüssel, Geschirrhandtücher, Staubtücher u.a.), Schulutensilien wie Mützen, Medaillen, Wimpel und Leistungsabzeichen von Sportvereinen. Sogar 2 Trachtenpuppen mit schlesischer Tracht (Krs. Dalkau) können bewundert werden.

Trachtenpuppen
Eine kleine Bibliothek von ca. 300 Bänden (Bücher und Broschüren aus Glogau und seinem Kreis, aber auch Schlesien allgemein betreffend, gehören zum Inventar der Heimatstube.
Eine nicht geringe Anzahl von Büchern aus Schlesien und anderen Ostgebieten wurden aus Platzgründen nach Friedland ausgelagert, wo im ehemaligen Grenzdurchgangslager eine Zentralstelle für die Heimatstuben der Ostvertriebenen eingerichtet werden sollte. Zugrunde liegt hier eine Vereinbarung des Heimatbundes mit dem Niedersächsischen Ministerium des Innern (Vertriebenenbeauftragter).
Der Glogauer Heimatbund verfügt über ein umfangreiches Foto bzw. Bildarchiv, in Ordnern karteimäßig erfasst und aufgegliedert in alle Bereiche städtischen Lebens von Glogau: Bauten, Straßen, Plätze, Brücken, Schulen, Kirchen, Krankenanstalten, Sport- u. Freizeitanlagen.
Akten und Schriftgut sowie Bildmaterial sind von allen Landkreisgemeinden vorhanden. Die der drei Städte Beuthen, Polkwitz, Schlawa (Schlesiersee) und die Akten der größeren Dörfer sind aufgegliedert in Historie, Bildmaterial und allgemeines Schriftgut. Die Dokumentation umfasst ca. 20 Ordner.
Ferner gehört ein Zeitungsarchiv (nach Sachgebieten geordnet) mit ca. 30 Ordnern ebenfalls zum Bestand.
Im Büro des Heimatbundes ist eine umfangreiche Adresskartei (zeitweilig bis über 20.000 Anschriften) vorhanden, die die Namen von Heimatfreunden aus der Stadt und dem Landkreis Glogau beinhaltet.
Haushaltsakten, Vorstandsschriftwechsel (z.B. Kontakte zu den polnischen Behörden und dem Museum in Glogau) werden aufbewahrt und ergänzt. Ein Teil unserer Exponate waren 2003 an das Museum Glogów ausgeliehen und dort ausgestellt.
Da die Stadt Hannover das Haus Glogau im Jahr 1998 veräußerte, war ein Umzug des Büros und damit der Heimatstube unumgänglich. Büro und Heimatstube fanden eine neue Bleibe In der Lavesstraße 80. Aufgrund der knappen Haushaltslage, entstanden durch den stark zurückgehenden Mitgliederbestand, erfolgte im Jahre 2007 ein erneuter Umzug, mit reduzierten Büro- und Ausstellungsräumen und Kosten, in die Lavesstr. 76, dem heutigen Sitz des Glogauer Heimatbund e.V.

Nachtrag des Herausgebers
Die Frage der künftigen Unterbringung unserer Heimatstube ist jetzt zu einem immer dringenderen Problem geworden. Sie betrifft nicht nur den GHB, sondern alle Vertriebenenverbände. Die Gefahr besteht, dass nicht nur persönliche Erinnerungsstücke, sondern auch wertvolle historische und kulturelle Exponate verloren gehen. Die Bemühungen, für unsere Heimatsammlung einen geeigneten dauerhaften Standort z. B. im historischen Museum unserer Patenstadt Hannover einzurichten, waren bisher leider ergebnislos. Auch andere Überlegungen, etwa eine Übernahme unserer Heimatstube durch das schlesische Heimatmuseum Görlitz oder durch eine „Stiftung schlesischer Heimatstuben" in einem Schloss bei Görlitz führten zu keinem für uns akzeptablen Ergebnis bzw. wurden wieder aufgegeben. Inzwischen fühlen sich aber die einzelnen Länderregierungen verpflichtet, das in den verschiedenen Heimatstuben angesammelte Kulturgut zu erhalten. Das Vorhaben des Landes Niedersachsen, im ehemaligen Grenzdurchgangslager Friedland eine Zentralstelle für die verschiedenen Heimatstuben in Niedersachsen zu schaffen, wurde nicht weiter verfolgt. Es wird aber nach anderen Möglichkeiten gesucht. Eine endgültige Regelung wird immer dringender, weil eine ehrenamtliche Betreuung der noch bestehenden Heimatstuben durch unsere Mitglieder aus Altersgründen immer mehr eingeschränkt ist. Es gibt inzwischen ein Angebot des Stadtpräsidenten von Glogów, unsere Heimatsammlung teilweise oder ganz im Glogauer Museum als Dauerleihgabe oder für thematische Darstellungen würdig auszustellen.

Unsere Patenstadt Hannover findet bis heute (2011) keine Möglichkeit, die Glogauer Heimatsammlung in der Stadt unterzubringen. Soweit bekannt, kümmert sich inzwischen aber auch die Landesregierung Niedersachsens ernsthaft um den Erhalt der Kulturgüter in den verschiedenen Heimatstuben der Vertriebenen in Niedersachsen.

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