Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 11, November 2011

Die Geschichte und Entwicklung
des Glogauer Heimatbund e.V.

9. Fortsetzung aus NGA10/2011

 

10. Prof. Dr. Alfred Palissa
(2004 - 2008)

Alfred Palissa

Alfred Palissa ist am 6. Mai 1925 in Krysanowitz (Kreuzhütte), Kreis Rosenberg (Oberschlesien), geboren, wo er zwei Jahre lang die einklassige Volksschule besuchte. Sein Vater, Konrad P., war Rentmeister und zog im Jahre 1933 mit seiner Familie (Frau und 4 Kinder) aus beruflichen Gründen nach Gramschütz, Kreis Glogau, wo er Handel mit Getreide, Futtermitteln und Brenn- und Baustoffen betrieb, und der Sohn drei weitere Jahre die Volksschule besuchte. Danach war Alfred Palissa Schüler der Städtischen Oberrealschule (Oberschule für Jungen) in Glogau, legte dort 1943 die Reifeprüfung ab und musste zu den Soldaten, in den Krieg, den er mit einigen, zum Teil schweren Verwundungen überstand.

Nach der Entlassung aus dem Lazarett und arbeitsbedingtem Zwischenaufenthalt in Kalbach Krs. Schlüchtern fand er in Stadtroda (Thüringen) 1946 wieder Anschluss zu seiner aus Gramschütz geflüchteten Familie. Er erlernte den Kaufmannsberuf, begann aber im Oktober 1949 an der Universität Jena das Studium der Biologie, welches an der Universität in Halle an der Saale mit der Diplomprüfung in Zoologie, Botanik und Entomologie (Insektenkunde) endete. Es folgten die Tätigkeit als Assistent am Zoologischen Institut der Universität Greifswald und die Promotion zum Dr. rer. nat., dann die Arbeit als Oberassistent, die Habilitation und eine Dozentur an der Humboldt-Universität zu Ost-Berlin, an der Palissa – nach der politischen Wende – im Jahre 1990 zum Professor für allgemeine Zoologie ernannt wurde.

Palissa gehörte vor der Wende dem Vorstand der „Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse“ (Urania) der DDR an und hielt für diese zahlreiche Vorträge über Umweltprobleme, so auch bei Reisen in die Sowjetunion und nach Bulgarien.
Nach der Emeritierung übernahm er im Mai 2000 die Leitung der Bezirksgruppe Berlin des Glogauer Heimatbundes und vier Jahre später die Führung des gesamten Bundes: Der erste Vorsitzende aus dem früheren Machtgebiet der DDR!
Palissa bewies in seinem neuen Amt als Vorsitzender des GHB große Einsatzbereitschaft. Er ging kräftig zupackend an seine Aufgaben heran und reiste oft zur Wahrnehmung derselben von Berlin nach Hannover, in die Zentrale des GHB. Während seiner Amtszeit erfolgte aus finanziellen Gründen eine Verkleinerung der Geschäftsräume des GHB und Ende September 2007 der Umzug von der Lavesstr. 80, „einige Häuser weiter", in die Lavesstr. 76.
Von Palissas vielfältigen Aktivitäten seien hier genannt:
- Überarbeitung und Aktualisierung der „Geschäftsordnung für den Vorstand des GHB“;
- Besuch und Grußworte bei den 50-Jahrfeiern der Bezirksgruppen Hamburg und Düsseldorf 2005 und 2006 ;
- Interview mit der in Görlitz erscheinenden wichtigen Zeitschrift „Schlesien heute" (Jahrgang 2004) über die Aufgaben als Bundesvorsitzender;
- Rede bei einer Veranstaltung der „Gemeinschaft für deutsch-polnische Verständigung“ Glogau/Glogów 2006;
- Aktivierung der Beziehungen zum heutigen Glogau durch kulturelle Veranstaltungen: Orgelkonzerte, Chorkonzerte, Harfenkonzert in Glogau und Polkwitz - mit finanzieller Unterstützung durch das Land Niedersachsen;
- Verstärkung der Bemühungen zu einer guten Lösung des sehr schwierigen Problems um die Glogauer „Schlossgartentoten" durch eine umfangreiche Korrespondenz und durch Gespräche mit Vertretern des „Volksbundes deutsche Kriegsgräberfürsorge" und den jeweiligen Stadtpräsidenten von Glogów unter Einbeziehung von Rudolf Götz als Repräsentant des Landes Niedersachsen.

Es kann nicht verwundern, dass nicht alle Vorhaben von Palissa zu einem glücklichen Abschluss gelangten, wofür das zuletzt genannte viele Glogauer innerlich sehr berührende Thema ein Beispiel ist. Auch das Mühen, die in den Räumen des GHB befindliche Glogauer Heimatsammlung für die Zukunft zu sichern und möglichst im Raum Hannover zu bewahren, führte bis heute noch nicht zum Erfolg. Es ist aber wichtig, das in der Heimatsammlung enthaltene deutsche Kulturgut unserer Vorfahren zu erhalten, soll erinnern und mahnen!

Im Jahre 2008 kandidierte Prof. Dr. Palissa aus Altersgründen nicht mehr für den Vorsitz im GHB, erklärte sich aber zu weiterer Mitarbeit im Bundesvorstand bereit und wurde zum 2. stellvertretenden Vorsitzenden gewählt, Wiederwahl 2010.

November

Trennung ist wohl Tod zu nennen,
denn wer weiß, wohin wir gehen.
Tod ist nur ein kurzes Trennen
auf ein baldig Wiedersehn!

Eichendorff

11. Hans-Karl Hänel
(ab 2008 )

Hans-Karl Hänel

Als Nachfolger von Palissa wählten die Mitglieder des GHB beim 28. Bundesheimattreffen am 24. Mai 2008 in Hannover Hans-Karl Hänel aus Halle a.d. Saale zum Bundesvorsitzenden.

Hänel hat die ersten Jahre seines Lebens (noch) in Glogau verbracht, wo er am 4. Mai 1939 im evangelischen Krankenhaus Bethanien, an der Rauschwitzer Straße gelegen, geboren wurde. Sein Vater fiel 1942 im Kriege, er wuchs in der Hindenburgkaserne auf und musste im Januar 1945 mit seiner Mutter im Zuge der Evakuierung die Heimatstadt verlassen. Der Weg führte nach Mitteldeutschland - über Eberswalde und Oberröblingen/Helme im Kreis Sangerhausen nach Halle an der Saale und dann an die Friedrich-Schiller- Universität im thüringischen Jena zum Studium des Maschinenbaues (Wissenschaftlicher Gerätebau), das er im Jahre 1971 als Diplom-Ingenieur beendete. Vor seinem Studium hat er sich zum Kirchenmusiker (Organist) ausbilden lassen, und als dritte Berufsbefähigung, bereits nach seiner Schulzeit, kam die des Augenoptikers hinzu.

Seine Heimatverbundenheit bekundete er Ende der 40er Jahre durch die Teilnahme an Treffen der Hallenser Glogauer (Krug zum Grünen Kranze), die aber in dem damals sowjetisch besetzten Teil Deutschlands politisch unerwünscht waren und eingestellt werden mussten. Erst nach dem Zusammenbruch der DDR 1989/90 konnte diese Arbeit wieder aufgenommen werden. Die Vertriebenen in dem bis dato totalitär beherrschten Teil Deutschlands hatten einen großen Nachholbedarf an Gemeinschaft untereinander, und so entstand in Halle eine von Norbert Gottlieb geführte Bezirksgruppe des Glogauer Heimatbundes, der sich Hänel anschloss und deren Vorsitz er nach dem Tode von Gottlieb im Jahre 2004 übernahm. Einen besonderen Akzent setzte er durch Fahrten der Gruppe in die Heimatstadt. Im Mai 2006 wurde ihm für seinen Einsatz bei der Vorbereitung und Organisation des Bundesheimattreffens in Halle die silberne Ehrennadel verliehen, und der Beirat des Heimatbundes wählte ihn turnusgemäß zu seinem Vorsitzenden. Die durch den Bundesvorstand aktivierten kulturellen Beziehungen mit Glogau förderte Hänel durch zwei Orgelkonzerte in Glogau und eines in Polkwitz, wo er sich jeweils als Organist betätigte.

Als seine Leitungsanliegen sieht der nun (2011) über drei Jahre amtierende Bundesvorsitzende an: Weiterführung der Bemühungen zum Thema Massengrab beim Schloss in Glogau nach den neuen Erkenntnissen, dass an der Stelle des Massengrabes im Schlossgarten keine sterblichen Überreste (mehr) auffindbar sind; Befassen mit den heutigen Problemen der Stadt; Knüpfen von persönlichen Kontakten zu heute in Glogau Lebenden; Kontakte zu Angehörigen der sog. Bekennergeneration; Verstärkung der Verbindung zur Patenstadt Hannover; Überlegungen zur würdigen Unterbringung und zum öffentlichen Präsentieren von Erinnerungsstücken aus der Glogauer Heimatstube; Kontakthalten zu den Heimatfreunden, mündlich und schriftlich. Neu hinzugekommen ist der Versuch der Kontaktaufnahme zu der kleinen Gruppe Deutscher, die in Glogau verblieben sind. Der Verbindungsmann dazu ist Antoni Bok.
Gerade das zuletzt genannte Ziel, das Funktionieren bei den zentralen Aufgaben des Heimatbundes, das Zusammenhalten der Mitglieder, das möglichst verlangsamte bzw. zu schwächende Absinken der Bezieher der Heimatzeitung, ist "ein hohes Gut“, das nur in harmonischer Zusammenarbeit bewahrt werden kann.

Im Verlaufe des 29. Bundesheimattreffens der Glogauer in Halle/Saale wurden Hans-Karl Hänel und der gesamte Vorstand einstimmig wiedergewählt. Ein beachtlicher Ausdruck des Dankes und der Anerkennung für die geleistete Arbeit!

Abschließende Bemerkungen des Autors dieses Themenkomplexes

1. Initiator und Organisator der Darstellung der Geschichte des Glogauer
Heimatbundes, zu der auch dieser Beitrag gehört, ist Professor Dr. Alfred Palissa, wofür ihm großer Dank gebührt. Das Thema wurde erst spät aufgegriffen, und viele Wissende konnten nicht mehr befragt werden, weil sie nicht mehr unter den Lebenden weilen.

2. Mein Beitrag hat als Grundlage die „Heimatkartei Glogau" (Personenkartei) des GHB, die Protokolle des GHB, vor allem der Vorstandssitzungen und die jetzt 58 Jahrgänge des „Neuen Glogauer Anzeigers“.

3. Die Protokolle aus den Amtszeiten der „letzten" Vorsitzenden Prof. Dr. Palissa und Hans-Karl Hänel wurden nicht benutzt und stattdessen Informationen der beiden Herren verwendet.

4. Alle Vorsitzenden des GHB haben sich meiner Meinung nach entsprechend ihrer Mentalität und ihres Leistungsvermögens voll für den Heimatbund eingesetzt und nach Kräften ehrenamtlich ihren Aufgaben gestellt. Sie haben unseren Dank verdient.

5. Zehn von ihnen gehörten bzw. gehören zur Erlebnisgeneration und wohnten vor 1945 zumindest zeitweilig im Glogauer Lande. Einer, Manfred Liersch, zählt zur Bekenntnisgeneration. Er wurde nach dem Krieg „im Westen" geboren.
6. Nur drei Vorsitzende kamen in der Stadt Glogau zur Welt: Paul Hielscher, Reinhold Marquardt und Hans-Karl Hänel. Erwin Groke stammt aus dem Kreis Glogau - aus Doberwitz.

7. Unter den insgesamt bisher elf Vorsitzenden befindet sich nur eine Frau, nämlich Maria Schalm. Hieraus auf eine systematische Benachteiligung von Frauen zu schließen, wäre falsch. Man hielt sich an die faktischen Gegebenheiten, an die verfügbaren Personen. In den Bezirksgruppen des GHB dürften aber Frauen stark in der Verantwortung gewesen sein, bis heute.

8. Auf der Glogauer Oberrealschule bzw. Oberschule für Jungen legten Groke, Hielscher und Palissa das Abitur ab, auf dem Evangelischen Gymnasium tat dies Hans-Joachim Schelenz. Das Katholische Gymnasium, Gymnasium Fridericianum, ist hier nicht vertreten. Dabei bleibt zu bedenken, dass sehr viele Schüler dieser Anstalt ihren Heimatort nicht in der Stadt und im Kreise Glogau hatten, sondern im Konvikt wohnten.

9. Die Konfession ließ sich nicht bei allen Vorsitzenden feststellen. Die meisten waren wohl evangelisch. Katholiken: Schelenz und Palissa.

10. Der Verfasser dankt Marion Letz, der Sekretärin des GHB, für freundlich gegebene Auskünfte und für die Erstellung des Druckmanuskriptes, sowie Hfrd. Dieter Krems (früher Polkwitz) für manche Hilfeleistungen.

Dr. Hans-Ludwig Abmeier

zum Seitenanfang

zum Seitenanfang