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Der Sommer ist zur Rüste gegangen; der Herbst ist da! Was aber wäre das Leben ohne den Jahreszeitenwechsel? In Wirklichkeit ist es doch so, dass wir vor dem Anfang der neuen Epoche den Ausgang der alten kaum erwarten können. Und tatsächlich sind uns die Übergänge der Jahreszeiten die angenehmsten
Momente, so auch der Übergang vom Sommer zum Herbst. Das Sterben der Natur erfüllt sich in Pracht und Farbenrausch. Wenn auch die Tage trüber und kürzer werden, so ist der Herbst doch eine der schönsten Zeiten im Jahre, und vor allem der Herbstwald spricht eine besondere Sprache, ist es doch, als ob er uns den Abschied von ihm besonders schwer machen wollte, bevor ihn das winterliche Leichentuch einhüllt.
Weiße Fäden schweben durch die klare Luft der mittäglichen Stunden, Altweibersommer, Marienfäden, „aus Luft gemacht und Duft gewebt". Hoch oben ziehen Wandervögel zu neuen Frühlingsfreuden. Vielfarbig ist das Kleid des Herbstwaldes, vieltönig seine Stimme. Als Scheidegruß spendet uns der fliehende Sommer - besonders im Laubwalde - die herrlichsten, lebhaftesten Bilder, besonders
der Oktober ist der rechte Maler. Die Kronen der Bäume sind verblichen. Die Rotbuche hat ihr dunkles Grün mit einem warmen Braunrot, Rostbraun oder Goldgelb vertauscht; die Krone des Ahorns, der Birke, der Rosskastanie und der Weißbuche erscheint im reinsten Schwefelgelb oder gar wie flüssiges Gold. Safrangelb leuchten die zierlichen Wedel des Adlerfarns. Bräunlichgelb ist die deutsche Eiche, scharlachrot leuchten die Blätter des wilden Kirschbaumes, der Vogelbeere und der jetzt im heimischen Walde so oft angebauten amerikanischen Eiche; die Erle zeigt trübes Braungrün, und scharf heben sich von diesem farbigen Hintergrunde die dunklen Nadelhölzer ab, blaugrün die Kiefern, schwarzgrün die Fichten und Tannen. Wenn die Sonne unter das Blätterdach scheint, wölbt sich's gleich goldenen Domen über Wegen und Hängen.
Solchen herbstlichen Zauber habe ich einst auf den Dalkauer Bergen erlebt. In der Ferne glitzerte und gleißte das Silberband der Oder. Über die Felder der Oderlandschaft wehte der Herbstwind, aber die Sonne hatte das Regiment noch nicht abgegeben, sie überschüttete das nordschlesische Land - auch die Dalkauer Berge, auch das Dörflein Dalkau mit seinem alten Herrenhause und dem evangelischen Bethauskirchlein - mit Licht und Glanz. Ach, und auf dem Friedhofe erlebte ich eine sehr stille und andachtsvolle Stunde! Dort glühten die Beeren der Ebereschen und auf den Gräbern prangten die Astern.
Ob man solche einst geschaute Schönheit jemals vergessen kann? Mitnichten! Wir haben sie tief im Herzen verborgen und erinnern uns immer wieder jener Zeiten, da uns die Heimat von niemandem streitig gemacht wurde, als sie unser Besitz war und wir uns glücklich schätzten, über ihre Erde gehen zu dürfen, ihre Schönheit zu erleben und die Melodie der Landschaft - sie klang im Herbst anders als im Frühling und im Sommer - vernehmen zu können.
Aber auch viele Früchte verstärken die leuchtenden Farben des Herbstes! An den dornenbesetzten Zweigen der Heckenrose und des Rotdorns schaukeln die rotbäckigen Hagebutten und die niedlichen, granatroten Mehlfässchen; die Eberesche trägt dichte Trauben korallenroter Beeren, wie kleine Äpfelchen aussehend; der Bergholunder leuchtet rot. Die Kastanie zeigt ihre braunen Früchte, während diejenigen der Schneebeere und Mistel rein weiß schimmern. Die Zweige des Ligusters sind mit lackschwarzen Beeren, die Brombeerranken mit burgunderroten Herzen behangen. Die Früchte des Schlehdorns färben sich blaurot.
Und die Heide in ihrer purpurroten Färbung, im Frühlichtscheine goldig flimmernd! Bienen wiegend an den Glöckchen der Erika, letzten Nektar holend, und ein Heer von bunten Faltern darüber gaukelnd.
Eine alte Sage erzählt, dass die Eriken von dem Blute heidnischer Krieger, die erschlagen wurden und in der Heide ruhen, so rot gefärbt worden seien.
Soll das alles vorüber und vergessen sein? Das ist nicht möglich! Und wenn wir nur immer wieder in der Erinnerung heimkehren, so wie jetzt eben, da wir gemeinsam über die Dalkauer Berge gewandert sind, so bleibt sie doch unser, die Heimat, der wir uns alle fest verwurzelt fühlen.
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