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n den zwölf Amtsjahren von Schelenz nach seiner ersten Wiederwahl fanden jährlich vier bis sieben Vorstandssitzungen statt. Der Vorsitzende begab sich nach wie vor viel auf Reisen, vor allem zu den Bezirksgruppen, speziell zu deren Jubiläen. Nach der Wiedervereinigung West- und Mitteldeutschlands im Jahre 1990 bestand in einigen der neuen Bundesländer ein großer Nachholbedarf bei den dort ansässig gewordenen Geflüchteten und Vertriebenen aus Stadt und Kreis Glogau nach heimatlichen Zusammenkünften. Zwei neue Bezirksgruppen, Forst/Lausitz und Gera/Thüringen, konnten in Anwesenheit von Schelenz gegründet werden, und der Glogauer Heimatbund erfuhr durch die vielen neuen Mitglieder aus der früheren DDR eine wesentliche Stärkung. Die Bezirksgruppe Hamburg trat 1994 erneut ins Leben. Schelenz nahm auch teil, wenn aktive Mitglieder des GHB staatliche Orden oder Ehrenzeichen erhielten, und er besuchte gelegentlich auch Treffen von ehemaligen Schülern des Fridericianums und der Oberrealschule, also der „blauen und der roten Penne“. Von ihm hergestellte bzw. verstärkte Kontakte „im schlesischen Bereich“ der Bundesrepublik trugen zum Bekannterwerden und zur Ansehensmehrung des GHB bei. Er war anwesend bei Verleihungen des Schlesischen Kulturpreises des Landes Niedersachsen und bemühte sich um ein gutes Verhältnis zur Patenstadt Hannover, das nicht immer ungetrübt und nicht mehr so gut "wie einst im Mai", wie in der Kinderzeit des GHB, war (u.a. Streichung der Beihilfe für den GHB).
Zwei Buchveröffentlichungen: 1991 erschien nach jahrelangen Bemühungen das Buch "Das war Glogau. 1913-1945 Stadt und Land an der Oder“ - das Nachfolgebuch zu Blaschkes Standardwerk über unsere Vaterstadt, von Schelenz maßgeblich gefördert, unter seiner führenden Mitarbeit entstanden und 500 Seiten umfassend. Eine wichtige historische Darstellung: für damals, für heute, für die Späteren!
1992 folgte die reich bebilderte Publikation "Glogau im Wandel der Zeiten - G?ogów poprzez wieki" als sehr aufwändig gestalteter Katalog der Stiftung Kulturwerk Schlesien in Würzburg und des Museums im heutigen Glogau (Muzeum w G?ogowie) - das Begleitbuch zu der von diesen beiden Institutionen veranstalteten und zuerst in Glogau, im Haus Schlesien zu Königswinter und in Würzburg gezeigten Ausstellung, zu der auch der Glogauer Heimatbund mit vielen Leihgaben beitrug. Schelenz schrieb für den zweisprachigen Band den Aufsatz "Flucht und Vertreibung - die Glogauer im Westen" und ein Grußwort, aus dem hier einige Sätze zitiert seien.
Die Stadt Glogau "hat den Wandel der Zeiten im Auf und Ab und Hin und Her der Geschichte weit eher erlitten, als dass sie Geschichte, außer ihrer eigenen, gemacht hätte. Sie stieg auf bis zum Range als Hauptstadt eines ansehnlichen Fürstentums, zeitübliche Erbfolgen haben ihre räumliche Größe und ihr politisches Gewicht gemindert, und, nachdem Schlesien preußische Provinz geworden war, musste sie sich mit dem Range einer bloßen und kaum mehr als mittelgroßen Provinzstadt begnügen. […]
Die Ausstellung wird zu einem Zeitpunkt gezeigt und zufolge glücklicher Umstände auch in Glogau selbst eröffnet, in dem der Wiederaufbau der alten Kernstadt bereits den Anfang ihrer künftigen Gestalt sichtbar macht. Wir danken der polnischen Stadtverwaltung für den erheblichen finanziellen und handwerklichen Aufwand, mit dem sie bemüht ist, dem zerschundenen Gesicht dieser Stadt wieder das Aussehen zu geben, das ihrer geschichtlichen Vergangenheit würdig ist. […]
Der Wandel der Zeiten wird sich fortsetzen, und Glogau geht, gewandelt zwar, aber auch bewahrt, in einen neuen Zeitabschnitt seiner Geschichte. Möge er ein solcher des Friedens und des Wohlstands werden!“
Eine besondere Hervorhebung gebührt der - nicht ohne Irritationen verlaufenen - Herstellung freundschaftlicher Beziehungen des GHB zu der polnischen Stadtverwaltung Glogaus: Glogau-Reisen im Jahre 1990, Einweihung einer jüdischen Gedenkstätte in Glogau 1993, Aufsetzung des Helmes auf den Glogauer Rathausturm 1995: Schelenz war immer dabei, begünstigt durch die guten, nahezu freundschaftlichen Kontakte zum damaligen Stadtpräsidenten Zielinski. (Dr. Klaus Schneider, der Initiator der Glogau-Kontakte, hat das in seinem Beitrag für die „Chronik“ beschrieben.) Freilich: Das Problem der Gräber von Deutschen bei dem Schloss konnte trotz eifriger und langjähriger Bemühungen des Heimatbundes nicht zu einem erfreulichen Abschluss gebracht werden.
Während der Amtszeit von Schelenz gab der Glogauer Heimatbund eine weitere bedeutsame Veröffentlichung heraus, und zwar die von Professor Dr. Ferdinand Urbanek zusammengestellte Broschüre " Exodus 1945/46. Flucht-, Besatzungs- und Vertreibungsschicksale von Glogauern aus Stadt und Landkreis", 164 Seiten umfassend und seit 1999 in 2. Auflage vorliegend.
Nach vielen Jahren guter Zusammenarbeit in den Führungsetagen des Heimatbundes, speziell im Vorstand, wo gerade der 1. stellvertretende Vorsitzende Heinz Knappe (Bielefeld) als Büroleiter eine große Arbeitslast und Verantwortung für den reibungslosen Ablauf und die Geschäftsführung für den Glogauer Heimatbund trug, gab es aber zunehmende Schwierigkeiten, so mit dem sehr rührigen, aber "nicht pflegeleichten" Bezirksvorsitzenden Oswald Hensler in Berlin, die zu dessen Ausschluss führten. Grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten mit dem seit 1988 amtierenden 2. stellvertretenden Vorsitzenden des GHB Manfred Liersch (Braunschweig), der sich - gegen den Zeitgeist wirkend - ohne dauerhaften Erfolg um die Gewinnung von Jugend für unseren Bund bemühte, veranlassten 1997 dessen Rücktritt.
Große Probleme bekam Schelenz ab Ende 1997 mit einer Reihe um die Zukunft des Glogauer Heimatbundes besorgter Glogau-Aktivisten, nicht nur aus dem Raum Düsseldorf. Er kandidierte dennoch erneut und wurde am 23.05.1998 wieder zum Bundesvorsitzenden gewählt.
Nach der Kündigung der vom Heimatbund angemieteten sehr repräsentativen und aufgabengerechten Räumlichkeiten in Hannover-Herrenhausen durch die Stadt Hannover kam es im Vorstand zu großen Differenzen. Schelenz erklärte im Oktober 1998 seinen Rücktritt und zog sich aus der Arbeit im GHB zurück, die er 14 Jahre getan hatte - der (bisher) am längsten im Amte befindliche Vorsitzende. In einem vom 12.10.1998 datierten Abschiedsschreiben zog er Bilanz:
„ […]
Ich denke, der Vorstand hat in dieser Zeit seinem Auftrage gemäß gehandelt, hat für den Heimatbund und seine Mitglieder Gutes geleistet und deren Ansehen gemehrt. Die herausragenden Erfolge des Vorstandes waren, aus meiner Sicht: die Herausgabe des Buches zur neueren Geschichte Glogaus, "Das war Glogau", der Abschluss der Städtepartnerschaft Glogau-Langenhagen-Glogauer Heimatbund, die Ermöglichung zum Wiederaufbau des Rathausturmes, der Ausbau der Beziehungen des GHB zur Landsmannschaft Schlesien und dessen Vorsitzenden, Dr. Herbert Hupka, und zur Stiftung Kulturwerk Schlesien und dessen Vorsitzenden, Prof. Dr. Eberhard G. Schulz, die Gründung neuer Bezirksgruppen in den neuen Bundesländern (Lausitz und Thüringen). Die alle zwei Jahre durchgeführten Bundesheimattreffen und die Teilnahme an den Schlesiertreffen haben den Heimatbund und seine Mitglieder beieinander gehalten und nach außen hin beachtenswert vorgestellt. Der Neue Glogauer Anzeiger ist treu und immer wieder neu Bote und Hüter des Heimatgedankens und Bindemedium des Bundes gewesen und geblieben. Auch Rückschläge hat es gegeben – die Auflösung der Bezirksgruppen Bodensee und München – und viele Verluste durch den Tod von Mitgliedern.“
Hans Joachim Schelenz hat sein Amt gut geführt und die vertriebenen Glogauer würdig repräsentiert. Er war ein Mann von Geist und ein Meister des Wortes. In Detmold leitete er einen literarischen Zirkel, die Stiftung Kulturwerk Schlesien nahm ihn 1993 in ihr Kuratorium auf, und der Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland ehrte ihn Anfang 1995 mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Bande. Verdientermaßen!
Schelenz war unverheiratet. Er starb am 3. Oktober 2003 im Alter von 84 Jahren, nach schwerem Leiden, in Detmold, wo sich auch sein Grab befindet.
Fortsetzung folgt . . . |
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