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Wer als Nicht-Glogauer die Stadt nur nach ihrer Größe kannte, würde den Kopf schütteln und zweifelnd fragen: Wie sollte es möglich gewesen sein, in dieser Stadt einen zoologischen Garten zu unterhalten, ein Unternehmen, von dem doch jeder weiß, dass es nur in einer Großstadt bestehen kann und auch dort manche Sorge in sich schließt. Die Zweifel Ortsfremder wären, wie gesagt, durchaus verständlich und doch hat Glogau seinen Zoo besessen, ohne dass es notwendig wäre, dieses Wort in Gänsefüßchen zu setzen. Nur der Kenner und passionierte Tierliebhaber kann ermessen, was dieser Tiergarten in Glogau bedeutete. Fachleute, wie Prof. Schneider aus Leipzig, bezeichneten das, was einige Männer in ihrer Freizeit aufgebaut hatten, als etwas Einmaliges.
Unser Zoo wurde 1936 gegründet, und zwar von den Landsmännern Fritz Martini, Lange Straße, Philipp Löber, Knötelstraße 1, sowie den Brüdern Rudi und Artur Wirth.
Im Wallgraben bestand zuerst ein kleiner Verein, der Glogauer Aquarien- u. Terrarienverein, den Tierliebhaber aus der Taufe hoben. Der Verein zählte anfangs 18 Mitglieder. Es wurden Kalt- und Warmwasserfische angeschafft, die in gepflegten Aquarien untergebracht wurden. Es gab sogar ein Seewasserbecken mit Seerosen und Nelken. In der Mitte stand das große Terrarium mit Nattern, Fröschen und Kröten. Hinten war ein Anbau errichtet worden, den Eichhörnchen, Dohlen und Turmfalken bevölkerten. Gerade über dem Mauerwerk, dort, wo das Eisentor des Wallgrabens war, hauste der Mäusebussard auf dem Geäst. Die Glogauer Bevölkerung hatte viel Freude an den Tieren und spendete dem Verein auch manche Mark für den Unterhalt. Zu den Gründern gesellten sich weitere Tierfreunde, so die Landsmänner Dr. Weigelt (Vorsitzender des Zoologischen Vereins e.V.), Fritz Appel (Stellvertreter u. Schriftführer), Beige, Dr. Gmelin, Schneidermeister Hoffmann und Sohn, Organist Unglaube, Oberbürgermeister Dr. Hoffmann, Baurat Griesinger, Landrat Dr. Kümper, Landwirtschaftsrat Dr. Gmelin.
Verhandlungen mit der Stadtverwaltung führten zu einem Vertragsabschluss, der die Einrichtung des Aquarien-Vereins in einen regelrechten Zoo umwandelte.
Als der Gaststättenbetrieb in der alten Friedenstal-Plantage (Ludendorffstraße, vorm. Viktoriastraße) stillgelegt worden war, machte man sich im Stadtrat und in der Bürgerschaft Gedanken, ob dieses Gelände mit seinem schönen alten Baumbestand den Promenadenanlagen anzugliedern sei, oder anderswie verwendet werden könnte. Der Vorschlag, hier einen Tiergarten anzulegen und damit zugleich den Schulen lebensnahen Zoologieunterricht näherzubringen, wurde erst belächelt, dann eifrig diskutiert und zuletzt doch Wirklichkeit.
Die Eröffnung erfolgte zu Pfingsten 1939, die Erwachsenen zahlten als Eintrittsgeld 20, Kinder 5 Pfennig.
Zahlreiche Gutsbesitzer unterstützten den Zoo mit Futtermitteln, die Schulkinder sammelten Futter, der Kreisjägermeister schenkte dem Tierpark Tiere des Waldes und der Flur, das Gas- und Elektrizitätswerk berechnete keine Heizkosten, die Stadtgärtnerei stiftete die Blumen und Pflanzen, Schlachthofdirektor Dr. Zimmermann sorgte unbegrenzt für Futterfleisch, die Städt. Feuerwehr führte die Transportfahrten kostenlos aus; die Wehrmacht überließ uns die Küchenreste als Futter und alle die weiteren Gönner (Bauunternehmer, Spender, Besucher) seien in dankbarer Erinnerung genannt. Aber eine besondere Erinnerung gilt den Direktoren der Tiergärten in Berlin (Prof. Dr. Lutz Heck), in Halle (Prof. Dr. Schmidt-Hönsdorff), in Leipzig (Prof. Schneider) und anderen Städten, die uns unentgeltlich immer wieder mit Tieren bedachten.
Das Prinzip der Anlage war, dass keine tropischen Tiere gehalten wurden, sondern nur Tiere der Heimat. Dies wurde im Namen „Heimat-Tiergarten" zum Ausdruck gebracht, hatte aber auch einen klaren wirtschaftlichen Grund, nämlich den der Sparsamkeit. Tiere, die eine Raumbeheizung benötigen, verursachen durch Feuerung und Unterbringung enorme Kosten. Diese wären vorerst wegen des Fehlens jeglicher finanziellen Unterstützung durch öffentliche Stellen nicht aufzubringen gewesen. Bald aber kamen schon einige Exemplare von Tiergattungen dazu, die in fremden Ländern und Kontinenten beheimatet waren.
In dem Musikpavillon, von dem einst die Glogauer Musikkapellen bei Gartenkonzerten ihre Weisen erklingen ließen, waren einige Braunbären untergebracht. Links davon in kleineren Käfigen bettelten Wasch- und Kragenbären die Besucher an und eine ganze Anzahl Affen der verschiedensten Arten belustigten die Jugend durch ihre Munterkeit. Einer aber, der in der Kegelbahn untergebracht worden war, fügte uns großen Schaden zu. Er biss uns viele Vögel tot und brachte die Futtersäcke oft arg durcheinander. Einmal rissen uns ein Teil der Affen in die Anlagen aus. Es gelang uns aber, sie mit List wieder einzufangen. Als unser Zoo von Hagenbeck zwei Äffchen bekam, kam es im Zoo zu einer richtigen Affenschlacht. Als alle Bemühungen den heftigen Streit zu schlichten, nicht fruchteten, musste zum Feuerschlauch gegriffen werden, um die Raufbolde auseinanderzutreiben. Nach einigen tagen aber herrschte Friede in den Affenkäfigen. Die Affen zogen sich paarweise in die Ecken zurück und schließlich wurde sogar ein niedliches Äffchen geboren.
Auf dem zum Rauschwitzbach abfallenden Wiesenhang sah man in Freigehegen Wölfe, Füchse, Rehe, Hirsche, Wildschweine, Wildpferde und Meerschweinchen. Ein Pfau, ein Storch und einige Puter stolzierten auf den Rasenflächen umher, Hühnervolk, Fasanen, Königs- und Silberfasanen waren in kleinen Gehegen untergebracht und auf einem aufgestauten Teil des Rauschwitzbaches schwammen Schwäne, Gänse und Enten. Füchse, Ottern, ein Wolf und eine Hyäne hatten etwas abseits ihre Käfige.
In der großen Kolonade hatte die Vogelwelt Unterkunft gefunden. Heimische Sing- und Waldvögel hatten in großen Drahtkäfigen viel Bewegungsfreiheit, Exoten (Sittiche und Papageien) machten sich mit Stimmaufwand bemerkbar.
Auch kleinere Säugetiere waren hier stationiert. Beachtenswert waren auch die Sammlungen von Schmetterlingen und Käfern. Auch der Luchs war ein Glanzstück des Zoos; er sah fast wie ein Tiger aus. Alle Käfige und Gehege waren in reichlicher Entfernung von einander angeordnet, breite Spazierwege führten daran vorbei.
Die Betreuung der Tiere und die Sauberhaltung des ganzen Geländes unterstand der Gartenverwaltung. Der Glogauer Zoo war bei der Bürgerschaft sehr beliebt, die Schulen konnten am lebenden Objekt ihren Unterricht eindrucksvoll gestalten.
Im Rosengarten (Wallgraben) hatte der Aquarienverein in einem Häuschen Bassins und Gläser mit Zierfischen aller Art aufgestellt. Auch diese Einrichtung fand einen ständigen Besucherkreis.
Jeder Zoo stellt für eine Kommunalbehörde einen finanziellen Zuschussbetrieb dar. Wie eine Anzahl von Männern, die man an zwei Händen abzählen kann, trotzdem einen solchen Tiergarten unterhielten, lässt sich nicht in wenigen Worten sagen. Gerade darin liegt die enorme Leistung, die vollbracht wurde. Wir lieferten sogar noch 10 Prozent unserer Eintrittseinnahmen als Pacht für das Gelände an die Stadtverwaltung ab und hatten in jedem Jahr noch einige tausend Mark übrig, um dafür wertvolle Tiere zu kaufen.
Das Ende des Zoos kurz vor der Kapitulation Glogaus war schrecklich. Herr Appelt musste die gefährlichen Tiere durch die Wehrmacht erschießen lassen. Sämtliche Käfige wurden geöffnet und die Tiere in die Freiheit gelassen. Welch furchtbares Schicksal mögen die meisten von ihnen erlitten haben. Sie waren ganz jung in Pflege gekommen und mit großer Mühe und Liebe großgezogen worden. Sie kannten nicht die Gefahren der Freiheit. Welch eine Tragik mögen alle unsere geliebten Pfleglinge erlitten haben.
Trotzdem steht doch in der Erinnerung derer, die an diesem Werk teilhaben konnten, soviel Schönes, dass man immer davon wird zehren können. Sie fragen nach solchen Erinnerungen. Wir hatten einen kapitalen Hirsch, der bis auf den Marktplatz
spazieren ging und dort die Kohlabfälle sich servieren ließ und oft zur Küche der Pionierkaserne wechselte: Ein Dingo (australischer Wolf) lief neben seinem Betreuer wie ein Schäferhund, Schwäne machten ihre Runden über der Stadt und fielen wieder auf den Teich des Zoos ein. Zwei Waschbären wurden im Lagerschuppen der Brauerei in der Vorstadt wieder aufgefunden, ausgebrochenen Affen mussten wir Bananen zeigen, damit sie wieder von den Bäumen in ihre Käfige zurückkamen. Eine schöne Propaganda konnten wir einmal zum 1. April starten; als wir in der Presse die Ankunft eines großen Tiertransports zu diesem Tage anzeigten. Am angegebenen Weg des Transports vom Bahnhof bis zum Zoo hatten sich zahlreiche Menschen eingefunden. Es mögen nicht nur Neugierige gewesen sein.
Man könnte stundenlang erzählen über unseren Zoo. Es war eine einmalige Sache für unsere kleine Stadt. Das furchtbare Schicksal des Weltbrandes bereitete unserem Werk ein jähes Ende. Wir können nur soviel sagen, dass bei der weiteren Entwicklung unser Zoo zu einem Musterbeispiel ersten Ranges geworden wäre, was er ohnedies schon war. .. |
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