Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 3, März 2011

Die Feuerwehr von Bautsch und Tschirnitz

 

von Martin Baumgart

Als ich neulich in dem Karton mit alten Fotos aus unserer schlesischen Heimat herum kramte, blieben meine Augen etwas länger als gewöhnlich an einer Gruppenaufnahme hängen. Dieses Foto muss wohl schon 1922 oder 1923 entstanden sein. Zweiundzwanzig rüstige, junge Männer, die ich alle noch kannte, schauten mich an, und ihre Monturen ließen Erinnerungen in mir hochsteigen, die mit ihrem Freizeitmetier im Zusammenhang stehen.

Feuerwehr Bautsch 1923
In unseren Dörfern fürchtete man damals Feuersbrünste mindestens genauso wie heute die steigenden Pegel von Flüssen. Und hätte man ein Telefon gehabt, dann wäre nicht einmal der Anruf der 112 von Nutzen gewesen.
Bis zu dieser Zeit, als unser Foto entstand, trat man dem Feuerteufel wahrhaftig noch ziemlich dilettantisch entgegen. Ich erinnere mich, dass neben unserem Dorfteich bzw. dem Grund in Bautsch in einem offenen Schuppen ein gemeinsamer Milchwagen stand, unter einem Carport, wie man es neudeutsch ausdrücken würde. Direkt daneben befand sich ein Holzverschlag, in dem der Leichenwagen untergestellt war, vor dem wir Kinder aber einen Heidenrespekt hatten und den wir klopfenden Herzens höchstens mit einem kurzen Blick durch ein Astloch oder einen Bretterspalt in Augenschein nahmen.
Hinter dem Leichenwagen konnte man noch ein weiteres, recht seltsames Gefährt erspähen. Es war ein Holzfass mit etwa 200 Litern Fassungsvermögen, das zwischen zwei Rädern und vor einer Deichsel thronte. Und das war das Feuerlöschgerät unseres Dorfes. Niemand wird uns wohl noch sagen können, wann das Fass gefüllt wurde und wie man es zum Brandherd gebracht hat. Das wird wohl ein Geheimnis bleiben.
Weil man mit derartiger Ausrüstung bei Bränden wohl immer auf der Verliererseite gestanden haben mag, ergriffen die Bautscher und Tschirnitzer um 1922/23 die Initiative und rauften sich zu einer gemeinsamen Wehr zusammen. Sie gründeten die Freiwillige Feuerwehr Bautsch/Tschirnitz. Zu gleichberechtigten Vorsitzenden bzw. Brandmeistern wurden Artur Großmann aus Tschirnitz und Josef Weidner aus Bautsch gewählt. Man baute in Tschirnitz zwischen der Bäckerei Härtel und der sogenannten Schäferei ein Spritzenhaus mit einem Turm zum Trocknen der Schläuche. Der Gutsbesitzer Langebeckmann stellte Grund und Boden dafür zur Verfügung. Zum Vereinshaus wurde Leißners Gasthof erkoren, in dessen Hof auch das Gruppenfoto entstanden ist.
Natürlich wurde auch eine neue Spritze angeschafft, die von sechs Wehrmänner mit gut entwickeltem Bizeps als Wippe betrieben werden musste. Aber damit konnte man einen Druck erzeugen, der ausreichte, um den Flammen im Obergeschoss eines 2-stöckigen Gebäudes wirksam den Garaus zu machen. Das Wasser wurde aus einem Brunnen am Dorfteich oder in Tschirnitz aus dem Gutsteich entnommen. Reichlich zwanzig Jahre lang hieß es dann „Wasser Marsch" in unseren Dörfern und danach in den Gasthöfen.
Der letzte Großeinsatz der Freiwilligen Feuerwehr war dann Ende Juli 1944, an einem Sonntagnachmittag. Es war heiß, und am Kanal badeten die Kinder, als zwei kräftige Sommergewitter nach Bautsch und Tschirnitz heran zogen, eins von Simbsen her und das andere kam aus Richtung Priedemost. Mein Vater hatte mit Horst, meinem Bruder, und Watek noch schnell eine Fuhre Roggengarben einigermaßen trocken in den Hof hereingebracht, als ein wolkenbruchartiger Regen einsetzte sowie das Blitzen und Donnern zur Höchstform auflief. Martin Tschesche spielte gerade mit Michel Josef und einem mir unbekannten Dritten in Püschels Gasthaus einen zünftigen Skat. Die drei ließen bei einem infernalischen Krachen in unmittelbarer Nähe geschockt ihre Karten fallen. Martin schrie: „Jetzt hats aber eingeschlagen!"
Und so war es auch, nämlich in Tschesche Ottos Scheune. Zeitgleich spähte Vater in unserem Hof. Wegen des dichten Regens konnte er nichts erkennen, aber er verspürte einen schwachen Brandgeruch, den der Wind zu uns herübertrug. Sofort machte er sich auf den Weg und schickte Horst mit den Pferden nach Tschirnitz, um die Spitze zu holen. Horst, der damals noch keine 15 Jahre alt war, hastete mit dem um ein Jahr älteren Erwin Kliem und den Pferden rüber nach Tschirnitz. Die beiden mussten in aller Eile das Schloss vom Spritzenhaus aufbrechen, da bei Westermeyers, die den Schlüssel verwahrten, gerade niemand zu Hause war.
Dennoch konnten die wenigen Feuerwehrmänner, die in diesen Kriegszeiten noch zu Hause waren, den Brand soweit eindämmen, dass die Flammen nicht auf die Nachbargehöfte von Michel und Weimann übergreifen konnten. Tschesche Ottos Scheune war aber dahin, samt dem LKW-Hänger von Härtel, der darin untergestellt war. Aber das war jedoch vergleichsweise wenig, gegenüber dem, was ein Jahr später alles dahin ging.

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