Bemerkungen zu unserer „Geschichte und Entwicklung des Glogauer Heimatbundes", mit deren Abdruck wir heute beginnen.
Liebe Glogauer Heimatfreunde, die ihr weit verstreut in der Bundesrepublik und auch darüber hinaus seid!
Seit der Gründung des Glogauer Heimatbundes am 25. Jan. 1954 als eigenständiger Verein innerhalb der Landsmannschaft Schlesien sind nun bald 60 Jahre vergangen, im persönlichen Leben denkt man, wenn man 'so in die Jahre gekommen ist', zurück an die Vergangenheit an die eigene Entwicklung, an Wachstum, Jugend, Reifezeit und langsames Altern. Auch der GHB hat seit seiner Gründung ähnliche Phasen erlebt und durchstehen müssen. Die Männer und Frauen der ersten Stunde sind gestorben, und alle anderen Heimatfreunde der 'Erlebnisgeneration' sind auf eine kleine Anzahl geschrumpft. Die politischen Verhältnisse der Nachkriegszeit (Ost-West - Situation), wirtschaftliche Zwänge und das Verdrängen der Erinnerung an Krieg und Heimatverlust bei den meisten Kriegsteilnehmer und ihren Familien waren und sind Ursache dafür, dass bei der Nachkriegsgeneration der aus den deutschen Ostgebieten Vertriebenen das Gefühl und Bewusstsein für Heimatliebe, Heimattreue verschüttet ist. Deshalb finden wir im Glogauer Heimatbund kaum jugendliche Mitglieder und ganz allgemein wenig Resonanz bei den Jüngeren.
Unter Berücksichtigung der Altersstruktur unseres GHB und der biologischen Uhr, der wir alle unterworfen sind, müssen wir erkennen, dass der GHB in seiner uns vertrauten Form und Struktur ein „Auslaufmodell" ist.
Unter dieser realistischen Sicht unserer Situation halte ich es für besonders wichtig, die Erinnerung an Schlesien und an Glogau als Teil unserer verlorenen Heimat für uns und die nachfolgenden Generationen wach zu halten. Und das gilt nicht nur für uns heimatvertriebene ehemalige Schlesier, sondern für die ganze Bundesrepublik. Wir müssen allen Deutschen wieder bewusst machen, dass etwa ¼ der heutigen Bundesbürger ihre Wurzeln in den verlorenen Ostgebieten hat, dass viele Nobelpreisträger, viele berühmte Ärzte, Wissenschaftler, Künstler, Schauspieler, Wirtschaftspioniere usw. aus dem Osten kamen. Dass also unser Schlesien - den meisten unbewusst - einen wichtigen und wesentlichen Teil unseres gesamtdeutschen Kulturgutes eingebracht hat. Wir ehemaligen Schlesier brauchen uns also nicht zu verstecken, sondern können stolz auf die Besonderheiten unserer schlesischen Herkunft und Vergangenheit sein. Und wir Glogauer haben dazu auch unseren Beitrag geleistet.
Aus diesen Gedanken heraus ist die Idee entstanden, die Geschichte unseres Glogauer Heimatbundes in einer Artikelserie im NGA festzuhalten, als Erinnerung für unsere Mitglieder, die den Weg des GHB bis heute treu begleitet haben und als eine Art Chronik für alle Deutschen, die an ihrer Geschichte interessiert sind.
Wir haben die ab diesem Heft des NGA beginnenden Veröffentlichungen in 13 Themenkomplexe mit folgenden Titeln gegliedert:
1. Über die Entstehung des Glogauer
Heimatbundes
2. Die Vorsitzenden des Glogauer
Heimatbundes
3. Die Glogauer Heimatzeitung und ihre
Redakteure
4. Die Mitarbeiter des Glogauer
Heimatbundes in der Geschäftsstelle
Hannover
5. Der Glogauer Heimatbund und seine
Patenstadt Hannover
6. Der Beirat des Glogauer Heimatbundes
7. Die Heimatstube des Glogauer
Heimatbundes
8. Die Auszeichnungen des Glogauer
Heimatbundes
9. Die Ehrenmitglieder des Glogauer
Heimatbundes
10. Die Bundesheimattreffen des
Glogauer Heimatbundes
11. Die Entwicklung der Mitgliederzahlen
im Glogauer Heimatbund
12. Die Beziehungen des Glogauer
Heimatbundes zu Stadt und Land
Glogau, insbesondere zur Stadtverwaltung von Glogów
13. Wir stellen vor: Bezirksgruppen und
Ortsverbände des Glogauer Heimatbundes
Für die Bearbeitung der einzelnen Kapitel konnten wir u.a. so bekannte Heimatfreunde wie Dr. Abmeier, Herrn Kinzel, Frau Schalm, Herrn Schikora, Prof. Dr. Urbanek u. andere gewinnen. Natürlich gehört auch unsere Redaktions-Sekretärin Marion Letz zu den Autoren. Ihr besonders möchte ich auch im Namen aller Autoren danken für die oft sehr mühevolle und zeitaufwendige Hilfe bei der Bereitstellung des Bildmaterials und der erforderlichen Unterlagen aus unserem Archiv. Auch die ansprechende Form der Darstellung der einzelnen Beiträge im NGA hat sie übernommen. Mein Dank gilt auch den Mitgliedern unseres Bundesvorstandes, die mich bei allen Fragen zu diesem Vorhaben unterstützt haben. Obwohl der Glogauer Heimatbund über ein umfangreiches Archiv verfügt, das in den 60 Jahren seiner Geschichte immer wieder vervollständigt wurde, hat sich bei den Arbeiten an der Chronik gezeigt, dass es doch manche Lücken gibt. Es waren und sind eben keine Profis, sondern ehrenamtliche Helfer, die das anfallende Material archiviert haben. Und so ist manches durch den Raster des Aufhebenswerten gefallen, was wir heute vielleicht vermissen.
Die genannte Reihenfolge der Beiträge ist nicht unbedingt obligatorisch. Sie hängt viel vom Eingang der einzelnen Manuskripte ab. Das gilt besonders für den Themenkomplex 10, wo die Bezirksgruppen und Ortsverbände zu Worte kommen sollen,
Bei der redaktionellen Durchsicht der einzelnen Artikel habe ich mich bemüht, Überschneidungen so weit wie möglich zu vermeiden, den originalen Stil der Autoren aber zu bewahren. Die verschiedenen Sicht- und Ausdrucksweisen der einzelnen Autoren verleiht - nach meiner Meinung - dieser Chronik einen besonderen Reiz.
Ich hoffe, die hiermit gestartete Rückbesinnung auf fast 60 Jahre Geschichte unseres Glogauer Heimatbundes findet ihre Zustimmung und Interesse. Wenn man die fortlaufend im NGA veröffentlichten Teile heraustrennt und sammelt, erhält man einen vollständigen Überblick über unseren Glogauer Heimatbund seit 1954, seiner Geburtsstunde als eingetragener Verein. Ob sich unsere Vorstellung, am Ende diese Chronik in Buchform herauszugeben verwirklichen lässt, ist noch offen. Es hängt vor allem von unseren finanziellen Möglichkeiten ab. Damit wünsche ich unserer Serie einen guten Start!
Mit heimatlichen Grüßen
Ihr
Prof. Dr. A. Palissa
(2. stellv. Vorsitzender)
1. Gründung des Glogauer Heimatbundes
von Prof. Dr. Ferdinand Urbanek
Nach allen uns zu Gebote stehenden Quellen über die Gründung des Glogauer Heimatbundes entsprang der erste Funke zu diesem zukunftsweisenden Unternehmen nicht etwa einer Stammtischrunde oder sonst einer Gruppierung heimattreuer Vertriebener, sondern allein dem Kopf des Postinspektors i.R. Richard Peschel, der deswegen später zu Recht ‚Vater der Glogauer’ genannt wurde. Um hier die Zeilen seiner Tochter Annemarie Felgenhauer geb. Peschel zu zitieren (NGA Nr. 9/99, S. 3):
„Die Idee eines Zusammenschlusses ehemaliger Einwohner von Stadt und Kreis Glogau bewegte meinen Vater, den früheren Stadtverordneten (bis 1933) Richard Peschel, schon kurz nach der Vertreibung aus der Heimatstadt… in den ersten Aufnahmegebieten Mitteldeutschlands. Er befürchtete, dass sich die Glogauer aus der Stadt und dem Kreis in alle Winde zerstreuen und jeglichen Kontakt zueinander verlieren würden. Verwirklichen konnte er diese Idee dann nach der Übersiedlung in die damalige englische Besatzungszone nach Hannover im Jahre 1949.“
Aus Anlass des ersten Schlesiertreffens in Hannover 1949 wurde den Glogauern von der Organisationsleitung der Landsmannschaft Schlesien ein Trefflokal in der Kellergaststätte des zerbombten Metropoltheaters zugewiesen. Hier fand sich am 18. September 1949 eine stattliche Zahl ehemaliger Glogauer aus Stadt und Kreis ein, wohl über 300 Personen, fast mehr als die Räumlichkeiten fassen konnten. Unter begeisterter Zustimmung der Anwesenden wurde von Richard Peschel die Gründung einer „Heimatkreisgruppe Glogau“ in der Landsmannschaft Schlesien vorgeschlagen. Es wurde ein Ausschuss gewählt, der die weitere Arbeit übernehmen sollte. Dies waren:
Herr Richard Peschel
als 1. Vorsitzender
Herr Willy Winter
als 2. Vorsitzender
Herr Herbert Felgenhauer
als Geschäftsführer
Herr Hellmut Rieger
als Verbindungsmann zur Landsmannschaft
Frau Ella Leukert
als Beisitzerin.
Hinzu aus dem Landkreis Glogau:
Paul Nitschke aus Beuthen
Erich Stahr aus Oberquell
Arthur Wittke aus Kuttlau
Harry Schulz aus Kuttlau
(NGA Nr.9/99, S.3).
Der vorrangige Zweck dieses ersten Zusammenschlusses sollte zuerst einmal die Erstellung einer Anschriftenkartei sein, für die als Grundstock schon vorhandene gesammelte Anschriften der Heimatfreunde Peschel und Winter dienten.
Im Bericht von Frau Felgenhauer werden alsdann die folgenden Glogauertreffen für den Umkreis von Hannover in diversen Gaststätten erwähnt, bis dann ab 1950 ein regelmäßiger Stammtisch an jedem ersten Montag im Monat im ‚Pschorr-Bräu’ in der Joachimstraße stattfinden konnte. Über die nächsten Schlesiertreffen im Juli 1950 wiederum in Hannover sowie im September 1951 in München kam es dann zu den ersten bundesweiten Begegnungen von Glogauern aus Stadt und Kreis. In München wurden dabei auf der Sitzung der Landsmannschaft Schlesien Heimatkreis-Vertrauensmänner für alle schlesischen Städte und Landkreise ernannt, so für die Stadt Glogau Herbert Felgenhauer und für den Landkreis Glogau Richard Peschel. Diese Ämter waren u. a. für die damals so wichtigen Wohnsitznachweise und für Bescheinigungen nach Inkrafttreten des Lastenausgleichgesetzes von Bedeutung, weil dadurch vielen Heimatfreunden mit Rat und Tat geholfen werden konnte.
Für die in den Jahren um 1950 vorherrschende seelische Befindlichkeit der Glogauer Heimatvertriebenen möge ein Ausschnitt aus dem in Celle erschienenen ‚Schlesier-Brief’ vom 1. 12. 1949 zum „1. Kreistreffen ehemaliger Glogauer“ sprechen, das in Hannover-Buchholz etwa 300 Heimatfreunde zusammenführte:
„… Nach kurzen Begrüßungsworten gedachte Herr Postinspektor Richard Peschel aller Glogauer, die während der Belagerung, auf der Flucht und durch die Vertreibung ihr Leben lassen mussten. Während des stillen Gedenkens spielte Landsmann Wittke aus Kuttlau das Lied vom guten Kameraden. Anschließend referierte Landsmann Winter über allgemeine Fragen der Heimatvertriebenen und betonte vor allem das Recht auf die uns entrissene Heimat. Wenn auch unsere Heimatstadt Glogau in einem Ausmaß zerstört ist, wie keine andere deutsche Stadt, so werden wir Glogauer doch wieder an den Aufbau herangehen, sobald die Stadt wieder uns gehört..“
Erschütterung in Leid und Trauer um die furchtbaren Geschehnisse 1945/47 zittern in all diesen Berichten noch ebenso mit wie der feste Glaube an eine Rückkehr und der Mut zum Wiederaufbau der zerstörten Stadt und ihrer Umgebung. Ähnlich zuversichtlich äußert sich noch im April 1954 der erste Schriftleiter unserer Heimatzeitung Karl Göbel: „..., wie wir auch überzeugt sind, dass für unser Glogau und unser Schlesien der Tag einer neuen deutschen Auferstehung anbricht. Auch ihm wollen wir vorarbeiten“ (NGA, Nr. 1/54, S.2). Die geistig-seelische Verbundenheit mit der Heimat war damals noch so eng, dass der Gedanke einer Trennung von ihr immer entschieden verdrängt wurde.
Dennoch bekunden alle Verlautbarungen von Gremien Glogauer Heimatvertriebener auch schon dieser ersten Jahre, dass man sich fest mit den Aussagen der ‚Charta der Heimatvertriebenen’ von 1950 zur Gewaltlosigkeit und Friedlichkeit in allen Fragen der abgetrennten deutschen Ostgebiete identifiziert hat. Nur die Hoffnung auf eine nicht näher definierte Rückkehr in die alte Heimat, keinesfalls aber kämpferischer Widersand gegen die vorherrschenden Verhältnisse belegen alle uns zur Verfügung stehenden Unterlagen.
In den Jahren bald nach 1950 wurden dann immer mehr Glogauer Ortsgemeinschaften in verschiedenen Städten der westdeutschen Bundsrepublik gegründet, meist durch die Initiative einzelner tatkräftiger Heimatfreunde. So fand auf Betreiben des Polkwitzer Brunnenbaumeisters Richard Maluche im Oktober 1949 ein erstes Glogautreffen in einem Saalrestaurant in Berlin-Lankwitz statt, auf dem sag und schreibe 3000 Teilnehmer erschienen (Mitteilung von Hfrd. H.J.Gatzka). Der Goldschmiedemeister Erich Rausch aus Glogau rief im August 1953 seine Landsleute aus Stadt und Land nach Coburg zum ersten Heimattreffen auf, und es kamen auf Anhieb 130 von ihnen (Glog. Heimatzeitung Nr. 1/54, S. 10). Ebenso geschah es in weiteren Städten, in München, Frankfurt/Main, Wiesbaden, Köln, Hamburg u.a. – Zum Leidwesen aller Vertriebenen durften in der ehemaligen DDR ähnliche Aktivitäten nicht stattfinden. Die Thematik von Flucht und Vertreibung war hier tabu, Versammlungen in der Öffentlichkeit waren unter Strafandrohung verboten. Nur im geheimem fanden hier vereinzelt kleinere Treffen ehemaliger Klassen- oder Vereinsfreunde statt.
Ein weiterer Meilenstein Richtung Vereinsgründung des GHB war die Übernahme der Patenschaft für Stadt und Landkreis Glogau durch die niedersächsische Landeshauptstadt Hannover während des Schlesiertreffens dort im Juni 1952. In der Feierstunde am 22. Juni, zu der sich über 1.000 Teilnehmer im ‚Döhrener Maschpark-Restaurant’ drängten, überreichte Hannovers damaliger Bürgermeister Schneider die Patenschaftsurkunde an Richard Peschel. Der ehemalige hoch verdiente 79-jährige Glogauer Stadtverordnetenvorsteher Robert Woller brachte dabei den Dank der Glogauer für diese Auszeichnung vor.
Den absoluten Höhepunkt in der Nachkriegsgeschichte unserer Heimatstadt und seiner Umgebung markierte im folgenden Jahr das erste Glogauer Bundestreffen am 26./27. September in Hannover, das seine besondere Note noch durch die damit verbundene 700-Jahr-Feier der Stadtgründung Glogaus erfuhr. Mehr als 3.000 Teilnehmer füllten dabei die weiträumige Niedersachsenhalle bis auf den letzten Platz. Jeder, der dabei gewesen ist, konnte die unbeschreibliche Begeisterung und die vielfache Wiedersehensfreude der Vertriebenen als unvergessliches Ereignis in seinem Leben verbuchen. Schon in den ersten Stunden am Anreisetag lagen sich die alten Schul-, Fähnlein- und Vereinsfreunde, die ehemaligen Nachbarn und Gemeindemitglieder in den Armen. Nach den (konfessionell noch getrennten) Gottesdiensten am Sonntagmorgen in zwei Kirchen der Stadt brachten in der gut organisierten Feierstunde Vertreter von Stadt, Land und Heimatbund in kurzen Reden Worte des Gedenkens, der Mahnung sowie Glückwünsche zum Ausdruck. Als dann am Ende die Blaskapelle das Deutschlandlied intonierte, in das 3000 hoch gestimmte Sänger mit einfielen, blieb bei den Älteren kaum ein Auge trocken. Die Jüngeren, damals so um die 25 Lenze alt, tanzten und feierten in diversen Lokalen der Stadt dann noch bis tief in die Nacht hinein.
Anlässlich dieses Glogauer Großereignisses übergab die Patenstadt Hannover dem Heimatbund ein neues Domizil in einem unter Denkmalschutz stehenden Neben-
gebäude des alten, im Krieg zerstörten Herrenhäuser Schlosses – mit Blick auf die berühmten Herrenhäuser Gärten. In diesem zukünftig als ‚Haus Glogau’ benannten Anwesen konnte neben den Verwaltungsräumen nun endlich auch die Heimatstube mit alle für uns so kostbaren gesammelten Erinnerungs-Gegenständen untergebracht werden. Darüber mehr in einem eigenen Beitrag im Rahmen dieser GHB-Geschichts-Serie.
Ein weiterer wichtiger Vorgang noch für dasselbe Jahr 1953 ist das erste Erscheinen des ‚Neuen Glogauer Anzeigers’, unseres bis heute bestehenden Heimatblattes. Es ging hervor aus der ein Jahr zuvor vom Verlag Goldammer in Neustadt/Saale herausgegebenen ‚Glogauer Heimatzeitung’. In beiden Blättern agierte der aus reicher Berufserfahrung schöpfende, schon in Glogau bekannte Karl Göbel als Chefredakteur. Auch über unsere Zeitung wird ein eigener Beitrag innerhalb der GHB-Serie weitere Auskunft erteilen.
In der Zahlung für das monatlich erscheinende Heimatblatt ist von Anfang an auch der Mitgliedsbeitrag für die Heimatgruppe Glogau enthalten. Sie zählte bald 4.000 Mitglieder (von 8.000 in der Kartei erfassten Glogauern aus Stadt und Kreis im Jahre 1954 laut NGA, Nr. 1/54, S.2). Auf dem Fundus dieser Beiträge sowie einem jährlichen (1991 gestrichenen) Zuschuss von DM 25.000,-- seitens der Patenstadt Hannover (inklusive Mietpreis für das ‚Haus Glogau’) war nun endlich eine solide finanzielle Grundlage für die vielerlei Ausgaben geschaffen, die der Heimatverein inzwischen zu bestreiten hatte: Büro-Anschaffungen, Postgebühren, Hausmiete, Organisation der Bundesheimattreffen inkl. Saalmiete, Bezahlung von Vorführungsgruppen etc. sowie nicht zuletzt die Fürsorge für „viele alte Glogauer in der Sowjetzone, besonders vom Lande, die mit einer kärglichen Rente nur notdürftig „auskommen mussten“ (NGA, Nr. 1/54, S.2). Überflüssig zu betonen, dass alle Vorstandsmitglieder bis auf den heutigen Tag ehrenamtlich arbeiten, nur die 1977 angestellte Sekretärin wird bezahlt.
Aus den Sitzungsprotokollen des ‚Ausschusses’ der Heimatgruppe vom 4., 18. und 25.Januar 1954 geht deutlich das Ziel einer Vereinsgründung für alle Glogauer (mit ordentlicher Satzung und allem was juristisch dazu gehört) hervor. In der entscheidenden „Gründungsversammlung“ vom 25.Januar 1954 in der Constructa-Gaststätte in Hannover, Hildesheimer Straße 206, wird von den anwesenden acht Ausschussmitgliedern nun „die Gründung des Glogauer Heimatbundes e.V mit dem Sitz in Hannover beschlossen… Sie genehmigen die ihnen vorgelegten und in der Anlage beigefügten Satzungen“ und wählen folgende Personen in den Vorstand:
Herrn Richard Peschel, Postinspektor i.R.
als 1. Vorsitzenden
Herrn Erich Stahr, Kantor i.R.
als 2. Vorsitzenden
Herrn Herbert Felgenhauer Steuerberater als Schriftführer
Frau Ella Leukert
als Kassenwart
Herrn Karl Göbel, Chefredakteur i.R.
als Pressewart“
Unterzeichnet ist dieses Protokoll vom 25.1.1954 von den acht Herren Willi Winter, Erich Stahr, Kurt Hoffmann, Erich Lange, Karl Wurbs, Arthur Urban, Wenzel Stingl, Johannes Wiebigke. Als Zusatz folgt am Ende die Bemerkung: „Als Beisitzer wurden von der Versammlung in den Vorstand gewählt: die Herren Rieger, Winter, Hoffmann, Lange und Nitschke.“
Mit Datum vom 3. April 1954 bestätigt das Amtsgericht Abt. 81 Hannover die Eintragung des nunmehr als ‚Glogauer Heimatbund e. V.’ genannten Vereins unter Nr. 1033 in das Vereinsregister. Damit ist der letzte Akt in der mehrjährigen Vorgeschichte der alten ‚Heimatgruppe’ Glogau getätigt, und unser GHB steht seitdem unabhängig von der Landsmannschaft Schlesien auf eigenen Beinen. Als ‚Korporatives Mitglied’ bleibt er dabei natürlich immer noch der Landsmannschaft zugehörig.
Aus der erfreulich knappen Satzung des Vereins von 1954 dürften für unseren Geschichts-Abriss vielleicht einige Daten relevant sein. So aus dem § 1: Der Glogauer Heimatbund e.V. mit Sitz in Hannover „bezweckt die Sammlung aller Heimat-
vertriebenen aus dem Stadt- und Landkreis Glogau, sowie die Pflege und Förderung des Heimatgedankens und Heimatgutes.“ § 4: „Die Organe des Heimatbundes sind: a) der Vorstand, b) der Ältestenrat, b) die Hauptversammlung.“ § 7:“Die Hauptversammlung findet einmal jährlich jeweils am Tag und Ort des Glogauer Heimattreffens statt…sie hat folgende Aufgaben“ (abgekürzt): „Geschäfts- und Kassenberichte.., Entlastung des Vorstandes.., Wahl eines neuen Vorstandes, sofern er zwei Jahre im Amt ist.., Wahl von zwei Kassenprüfern.., Ernennung von Ehrenmitgliedern.., Festsetzung des Beitrages.., Beschlussfassung über Satzungsänderungen. § 9: Die Beschlüsse der Versammlungen werden mit einfacher Stimmenmehrheit der erschienenen Mitglieder gefasst… Änderung der Satzung.. nur mit einer Mehrheit von drei Vierteln der erschienenen Mitglieder“ (NGA, 1. Jhrg., Nr. 2, Mai 54, S. 11). Diese Satzung ist in den folgenden Jahren verändert und erweitert worden.
Schon ein Jahr später hat die Hauptversammlung des GHB am 25.Juni 1955 beschlossen, den bisherigen ‚Ältestenrat’ in einen ‚Beirat’ umzubenennen, weil zu ihm jetzt nicht nur diejenigen gehören sollten, die sich in der Heimat „durch ihre Tätigkeit im öffentlichen und Wirtschaftsleben verdient gemacht haben“ (§ 6), sondern auch „die Leiter der Heimatgruppen, die somit in der Heimatbewegung der Fremde aktiv tätig sind. Der Beirat soll dem Vorstand in wichtigen grundsätzlichen Fragen beratend zur Seite stehen“ (NGA, Nr. 8/55, S.9). Damit kamen so bekannte Glogauer in den Beirat wie Sparkassendirektor i.R. Langhagel, Steuerbevollmächtigter Herdzina, Kaufmann Zopp, Rittergutsbesitzer Erich Balcke, Pastor Goltz, Schlossermeister Alfons Zarnke, Baumeister Heinrich Germer (Schlesiersee) und als Vertreter der Glogauer Sportvereine Adolf Motzigkeit vom SC Preußen sowie die (ersten) Bezirksgruppenleiter
Otto Gottschalk (Hannover), Kurt Büttner (Frankfurt), Hermann Schmidt (München),
Wilhelm Gelke (Bodensee), Erich Rausch (Coburg), Fritz Stolpe (Braunschweig), Georg Rademacher (Hamburg), Heinz Knappe (Bielefeld), Fritz Kilian (Osnabrück).
Unter diesen Männern der ersten Stunde hat sich namentlich unser Ehrenvorsitzender Heinz Knappe, durch seine langjährige aufopferungsvolle Tätigkeit als 2. Vorsitzender des Vereins im höchsten Grade verdient gemacht.
Das Wirken aller drei in der Satzung festgeschriebenen Organe, voran des Vorstandes unter Federführung von Richard Peschel, dann des Beirates und der Hauptversammlung sowie der gesamten Gefolgschaft aller Mitglieder stand natürlich unter dem glücklichen Stern des allgemeinen politischen, wirtschaftlichen und geistigen Aufschwunges, den die junge Bundesrepublik unter ihrem ersten Kanzler Konrad Adenauer, dazu so herausragenden Köpfen wie Kurt Schumacher, Theodor Heuss, Ludwig Erhard u.a. erfahren hat. Von dieser Welle neuen Lebensmutes, neuer Lebenskraft ließen auch wir Glogauer uns alle tragen. Nicht zuletzt profitierte namentlich der hervorragend und – nach allem was wir heute wissen – sehr harmonisch agierende erste Vorstand des GHB davon. Er leistete aber auch wirklich Außerordentliches. Jeder der seine Arbeit von der Nähe her verfolgen konnte (wie auch der Verfasser dieses Beitrages), wird das bestätigen. Nicht von ungefähr wurde gesagt: Was Adenauer, der ‚Alte’, im historisch Großdimensionalen für Deutschland bedeutete, das war für uns Glogauer im Klein-dimensional-Regionalen Richard Peschel, der ‚Vater der Glogauer.’
Ihm und den Männern und Frauen um ihn herum gebührt unser aller Dank bis auf den heutigen Tag und sicher weit darüber hinaus.
Verwendete Quellen:
Neuer Glogauer Anzeiger (NGA) Nr. 1-9/1954,
Heinz Knappe: Aus der Geschichte des Heimatbundes, NGA Nr. 9/1999
Maria Schalm (2010): Recherchen und Bereitstellung von Archivmaterial des GHB.
Fortsetzung folgt … |