Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 1, Januar 2011

Erinnerungen an ein Epiphaniasfest, das ich als Kind in Glogau bei einer katholischen Familie mitfeiern durfte

 

von Elgin Loos

 

Es war wohl der 6. Januar 1931. Unser Christbaum stand noch im Weihnachtszimmer auf dem Podium und darunter die schöne Krippe mit allen Figuren, also auch mit den prächtig gekleideten heiligen 3 Königen. Dass diese 3 einen Bezug zum Epiphaniasfest haben, war mir vielleicht durch Erzählungen unserer Mutter bekannt. Ein Feiertag war es für uns evangelische Christen aber nicht, obwohl uns seine Bedeutung bekannt war. Als damaliges fünfjähriges Kind kannte ich die wichtigsten Kirchen in der Stadt, wusste auch, welche evangelisch und welche katholisch waren. Ganz sicher wusste ich nicht, dass der 6. Januar für Katholiken ein wichtiger Feiertag war.
Der Ablauf des Tages – wir gingen noch nicht zur Schule – war damals hauptsächlich vom Spielen bestimmt, zumal wir keinen Kindergarten besuchten. Wir spielten mit viel Fantasie und Hingabe, am liebsten mit Hedemie und Liesel, unseren Freundinnen, die im großen Haus gegenüber in der Gurkauer Straße wohnten. Es verging kaum ein Tag, an dem wir nicht zusammenkamen. Mal bei ihnen, mal bei uns im Elternhaus in den Bauch’schen Anlagen. Dann spielten wir Hochzeit, Kindstaufe, Puppendoktor oder auch Beerdigung, wenn wir eine tote Maus oder ein totes Kätzchen gefunden hatten. Manchmal fuhren wir auch unseren mit Hut und Umhang bekleideten Jagdhund im Leiterwagen spazieren.
An jenem 6. Januar muss es wohl einfach zu kalt fürs Schlittenfahren gewesen sein, und meine Zwillingsschwester war leider krank. So machte ich mich allein auf den Weg zu Familie F., um mit Liesel und Hedemie zu spielen. Sie wohnten im 3. Stock, und ich klingelte, oben angekommen, an der Wohnungstür. Beim Eintreten spürte ich eine eigenartige, feierliche Atmosphäre, und für einen ganz kurzen Augenblick hatte ich das Gefühl, nicht, wie sonst immer, uneingeschränkt willkommen zu sein. Aber Frau F., die Muter meiner Spielgefährtinnen sagte zu mir: „Kind, wir haben ja heute Feiertag, und wir erwarten den Herrn Kaplan mit 2 Ministranten, die unser Haus segnen werden. Du kannst aber gern hierbleiben und mit uns feiern!“ Das erweckte Neugier in mir, und viel zu gerne blieb ich. Nun gingen wir gar nicht ins Kinderzimmer, sondern gleich ins Wohnzimmer. Alles was nun geschah, war für mich als evangelisches Kind völlig neu, aber hochinteressant! Bald darauf klingelte es, und der Kaplan in Begleitung zweier Ministranten betrat die Wohnung. Ihre Kleidung, die schwarze Soutane des Kaplans, sowie die roten Soutanen der Ministranten – alle 3 hatten weiße Spitzenkleider darüber – fand ich wunderschön. Die Familie, auch die Hausangestellte, hatte sich im Wohnzimmer versammelt, wir 3 Kinder knieten in den Sesseln. Nun sprach der Geistliche liturgische Texte und Gebete, die zum Teil von der Familie mitgesprochen wurden. Diese waren mir fremd, und ich schwieg dazu, war aber ansonsten bemüht, mein Verhalten dem der anderen anzupassen. Die Ministranten schwenkten das Weihrauchgefäß mit dem glimmenden Inhalt (laut Brockhaus: Harz und Kräuter wie Myrrhe, Lavendel, Zimtrinde und Bensoe), und alsbald erfüllte ein seltsamer, würziger Geruch den Raum, den ich „heilig“ nannte. Schließlich sprach der Kaplan den Segen über das Haus „Christus mansionem benedicat“ (zu Deutsch: „Christus segne dieses Haus“), was er abgekürzt C+M+B mit Kreide später außen an die Wohnungstür schrieb.
Nachdem der hohe Besuch gegangen war, haben wir – so meine ich mich zu erinnern – mit der Familie zusammen Kaffee getrunken und Kuchen gegessen. Und sicher durften wir auch noch spielen.
Am frühen Abend, gegen 18.00 Uhr, wurde ich von unserem Mädchen heimgeholt. Allein sollte ich bei Dunkelheit nicht gehen, zumal die mit Gas betriebenen Straßenlaternen nur wenig Helligkeit verstrahlten. – Ich brannte darauf, das Erlebte daheim meiner auf mich wartenden Familie zu erzählen, natürlich im kindlichen, fehlerhaften Jargon. Kaplan und Ministranten waren für mich neue Vokabeln! So sprach ich vom großen „Klapan“ und den 2 kleinen „Klapanen“, beschrieb ihre Kleidung, nannte den Weihrauch „heiligen Geruch“ und dass uns der große „Klapan“ an dem Jesuskreuz hat riechen lassen – natürlich hätte ich es küssen sollen! Aufmerksam, dennoch lächelnd, hatte mir die Familie zugehört! „Ob ich nun katholisch werden wolle?“, fragte mein größerer Bruder. Das hat mich aber doch sehr geärgert! – Noch heute – 80 Jahre danach – erinnere ich mich an diesen Epiphaniastag, besonders, wenn alljährlich die „Sternsinger“ singend an meiner Haustür stehen und am 6. Januar um eine Geldspende bitten und C+M+B an unsere Haustür schreiben, damit Gottes Segen im neuen Jahr unser Haus begleiten möge! Dass wir unseren Sohn vor 47 Jahren an einem 6. Januar taufen ließen, diese Entscheidung hat mit Sicherheit etwas mit meinem allerersten „Epiphanias-Erlebnis“ zu tun!

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