Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 9, September 2010

Wochenmarkt in Glogau

 

Am Dienstag und Freitag war „was los“ um das Rathaus herum

 

Mit vollem Recht hießen die vier Fahrbahnen und Gehwege um das Glogauer Rathaus und das Stadttheater, um die beiden bedeutenden Gebäude im Mittelpunkt unserer Heimatstadt „Markt" oder „Marktplatz". Hier war nämlich an zwei Tagen jeder Woche, am Dienstag und Freitag, „Markt", wobei wir unseren Lesern über die Bedeutung dieses Wortes keinen Vortrag zu halten brauchen.
Freilich beschränkte sich der Markthandel an diesen Tagen, der Glogauer Wochenmarkt, im allgemeinen nur auf Verkauf und Kauf der Gärtnerei-Erzeugnisse unserer Heimaterde. Was unsere Kunstgärtner, unsere Großgartenbaubetriebe, Gärtnereien und Gartenbauern an Gemüse und Kräutern, an Obst und Blumen (von den schlichten Schnittblumen angefangen über Topfgewächse und einfache Kranzgebinde bis zum kunstvollen Grabschmuck) anzubieten hatten, war so vielfältig, dass es uns als Laien auf diesem Gebiet nicht möglich ist, alles oder nur annähernd alle Angebote vollständig aufzuzählen. Zu den berufenen und wohlbekannten Gärtnern traten zu bestimmten Zeiten noch Pilzfrauen und „Beerenmuttel"; immer war auch Flora Malz, unsere bestbekannte Marktfrau, dabei. Es fehlten auch nicht die Fischermeister mit ihren verschiedenartigen Kaltblütern aus der Oder.
Den Hauptteil unseres Wochenmarktes aber bestritten unsere ländlichen Gärtnereien. Denn unsere beiden Glogauer Garten-Großbetriebe Maskus und Gürich hatten ja wohlausgestattete Ladengeschäfte auf dem Ring und den Markthandel nicht nötig. An den Tischen von Feindt aus Zerbau, Feige und Großmann aus Brostau, Mummert aus Rauschwitz und Schmidt aus Glogau hatten schon vor vielen Jahrzehnten die Väter gestanden, und Vater Kirchner hatte bereits seit einem Menschenalter seine Waren auf einer Karre von Quilitz über Tinels Gericht nach Glogau „auf den Markt" gefahren. Im Laufe der Zeit fanden sich noch viele andere dazu ein, und jeder stellte seine Spezialitäten zum Kaufe aus. Aus Rauschwitz kamen die Gärtner Niedergesäß und Pillot sowie auch dessen Bruder aus Beichau, aus Jätschau der Gärtner Kusch, aus Zerbau der Gärtner Lange, aus Herrndorf der Gärtner Klose, aus Schloin die Gärtner Dittmann und Thomas und von der Herrndorfer Straße der Gärtner Thurau.
Als hier alle Plätze vergeben waren, fanden die Gärtner Hahn und Pfeifer aus Jätschau geräumigere Verkaufsstände auf dem Theaterplatz und konnten dort so recht ihre blühenden Topfgewächse zur Schau stellen. An den blütenreichen Azaleen, Chrysanthemen und Hortensien ging niemand achtlos vorüber.
Die Pilz- und Beerenfrauen, die an den Wochenmarkttagen den Gärtnern an der anderen Straßenseite am Bürgersteige gegenübersaßen, brachten bei der entsprechenden Wetterlage auch Heidekrautsträuße mit, um vielleicht ihre Anreisekosten herauszuschlagen - so jedenfalls vermutete unser Heimatfreund Alwin Feige, als er über die Glogauer Wochenmärkte berichtete.
Besonders gute Geschäfte haben die Kräuterfrauen gemacht. Wenn man die große Zahl der Kräuter bedenkt, so Alwin Feige vor vielen Jahrzehnten in diesen Blättern hier, die zu den Markttagen nach Glogau kamen, kann man erst ermessen, was sie den Glogauer Küchen bedeuteten. Es waren so viele, dass man ihnen die beiden langen Reihen auf der Nordseite des Ringes zur Verfügung stellen musste.
Sie müssen auch gute Geschäfte gemacht haben, denn sie kamen nicht nur aus Priedemost und Beuthnig, sondern sogar bis aus Beuthen. Weil auf dieser Seite der Wagenverkehr ganz gering war, konnten die Kräuterfrauen ihre Waren am Rande der Fahrstraßen aufbauen und dabeisitzen. Obwohl in der Heimatstadt Glogau im allgemeinen von niemandem im Dialekt gesprochen wurde, redete man hier, wie Alwin Feige damals mitteilte, nur von den „Preimster Zwibbelfrauen" und die „Reuschels Riedeln", die „Brandten", die „Nigischen" und die „Karschunken" waren vielen gut bekannt.
Auf dem Theaterplatz, auf dessen Treiben unser großer Dichter Andreas Gryphius herabsah, stand ein Gemisch der verschiedenartigsten Sachen zum Verkauf. Wer bisher keinen ständigen Platz gefunden hatte, wer vielleicht auch erst ein Geschäft anfangen wollte, der versuchte es hier zuerst mit seinem Kram; neben Seefischen, Textilien und Bürsten stand (nach Alwin Feige) der Händler Breithor mit seiner Frau und fing damals schon das Geschäft mit Apfelsinen, Bananen und Obst an. Und wenn die Kartoffeln im Keller ausgegangen waren, fand sich hier Ersatz. Sogar auf den Straßenrand zwischen der Konditorei Janke und dem Café Metropol zwängten sich Obsthändler mit ihren Waren.
Polizei und Marktmeister sorgten für Ordnung, Ruhe und - Standgebühr.
G. Dckt. +

Der Fischmarkt und die Glogauer Fischer
Wir alten Glogauer erinnern uns manchmal wohl der Fischstände auf dem Glogauer Wochenmarkte. Da standen die Fischerfrauen, angetan mit dicker Lederschürze. Sie hatten ihre Geldtaschen umgehängt. Große Bottiche und Wannen umgaben sie. Darinnen schwammen die Fische, welche die Frauen zum Kauf anboten: Aale, Barben, Hechte, Schleien, Welse und zum Jahresende natürlich auch Karpfen. Die vielen Arten von Weißfischen, die wegen ihrer vielen Gräten „Spuckfische" genannt wurden, waren auch reichlich vorhanden. Mit dem Kescher wurde der vom Kunden verlangte Fisch aus dem Bottich geholt, gewogen, betäubt, abgestochen und ausgenommen, und dann wanderte er in den Korb, die Tasche oder das Netz der Einkäuferin. Natürlich war das Angebot an Fischen nicht immer gleich, einmal war es reichlich und gut, ein anderes Mal war das nicht der Fall. Im Sommer war das Geschäft wohl ein Vergnügen, wenn aber im Winter in kurzer Zeit das Wasser gefroren war und die Hände bei dem nassen Geschäft erstarrten, so dass der Fischer kaum die Fische und seine Frau nicht das Geld in den Händen halten konnten, waren beide nicht zu beneiden.
Die Glogauer Fischer wohnten alle am Domhafen, in der Fischer-, Garten-, Schmiede- und Niederlagstraße. Namen wie Bartsch und Besser, Effenberger und Pfandke dürften noch unseren Glogauern bekannt sein. Am Ende der Fischerstraße - dem Fischerwinkel - war der Platz der Glogauer Fischer. Hier gab es etliche Geräteschuppen; zwischen alten Weiden hingen Netze zum Trocknen; Staken und Stangen standen an die Schuppen und Weiden gelehnt; im Wasser lagen Boote und Fischkästen.
Von hier aus zogen beim Morgengrauen unsere Fischer auf Fischfang. Nicht nur der Oderstrom, auch die Häfen und die in den Werdern gelegenen größeren Tümpel und Wasserlöcher wurden abgefischt. Dort hatten sich während des Hochwassers Edelfische heimisch gemacht und vermehrt. Dort erwarteten die Fischer dann meistens gute Fänge.
Die Fischerei gehörte in alten Zeiten, genau wie die Jagd, zu den landesherrlichen Vorrechten; wehe dem Bauer oder Bürger, der es wagte, durch unberechtigtes Jagen oder Fischen in diese Rechte einzugreifen. Grausame Strafe wartete seiner. Als König Johann von Böhmen 1337 die Domvorstadt zur Altstadt schlug und dieser verschiedene Vorzüge einräumte, behielt er doch das Fischrecht dem Fürstenhofe vor. 1512 bestätigte Wladislaw den Fischern die Freiheit, auf dem Oderstrom von Dorf Brieg an bis Steinau zu fischen sowie an den Ufern dürres Holz zu ihrer Arbeit zu nehmen. Um jene Zeit hatten die Fischer auf dem Dom Schankfreiheit, sie wurde ihnen jedoch 1515 entzogen, damit sie nicht zuviel Rechte hatten. Was die eine Hand des Landesherrn den Fischern gab, nahm ihnen die andere wieder weg.
Das Handwerk der Oderfischer war in der Glogauer Fischerinnung zusammengeschlossen. Seit Generationen hatte sich der Beruf des Fischers immer vom Vater auf den Sohn fortvererbt. Leider zwangen die immer dürftigeren Fangergebnisse und vielleicht auch die verstärkte Einführung des billigeren Seefisches manchen Fischersohn zur Abwanderung in andere Berufe. Unsere Glogauer Fischer gehörten doch zum Oderstrom wie die Fischbottiche zum Wochenmarkt.
NGA

Wochenmarkt
Kontrolle auf dem Fischmarkt

Unser Bild zeigt die Fischersfrau Effenberger vor ihrem Fischtrog mit einem Fisch in der Hand, vor ihr stehen bei einer Kontrolle die Glogauer Polizeibeamten Hauser und Wünschmann. Polizeimeister Teichmann war von den Polen, als diese in unsere Heimat kamen, eingesperrt und so von ihnen mißhandelt worden, dass er an den Verletzungen starb.
Heimatfreund Wünschmann verstarb am 10. Dezember 1983 in Helmbrechts/Ofr, im Alter von 84 Jahren.

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