Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 1, Januar 2010

Erinnerungen an den Männergesangverein Schwarztal

 

 

von Georg Wache

 

Im vergangenen Jahr (2009) hätte ein Gesangverein sein 80-jähriges Jubiläum feiern können, wenn es den Krieg und die schmerzlichen Folgen mit der Vertreibung aus der Heimat nicht gegeben hätte und wenn immer genügend Menschen durch aktive Teilnahme bereit gewesen wären, den Fortbestand des Vereins in einem Dorf mit etwa 630 Einwohnern über Jahrzehnte hinweg zu ermöglichen.
An Bereitwilligen schien es im Jahr 1929 nicht gemangelt zu haben, als eine Anzahl sangesfreudiger Männer aller Altersstufen den Entschluss fassten, einen Gesangverein zu gründen - den Männergesangverein Schrepau (später umbenannt in Schwarztal). Schriftliche Unterlagen liegen darüber nicht mehr vor, mit Ausnahme des auf den Namen des Vereins von der Sparkasse des Landkreises Glogau ausgefertigten Sparbuches Nr. 14418 mit der Ersteinlage am 28.1.1930.
In der Anfangszeit zählte der Verein mindestens 19 aktive Mitglieder. So viele sind jedenfalls auf einem Gruppenfoto aus dem Jahr 1931 zu sehen. u.a. Otto Fengler, Georg Hase, Kurt Liebeneiner, Linus Quanz, Emil Seipold, Alois Timmermann, mein Vater Alois Wache und sein jüngster Bruder Georg, der 1942 im Russlandfeldzug fiel. Den Vereinsvorsitz hatte mein Vater inne und die Chorleitung lag in den Händen von Karl Wegner (Schüler der Oberrealschule Glogau kennen ihn als deren Pedell). Das Repertoire bestand vorwiegend aus den schönen alten Volksliedern, es fehlte aber auch das Transeamus nicht, das während der Christmesse in der katholischen Kirche in Schwarztal dargeboten wurde.
In der Weihnachtszeit wurde nicht nur gesungen, sondern auch Theater gespielt, woran ich mich noch gut erinnern kann. Zuschauen durfte ich zwar nicht, da ich abends ins Bett musste, bekam jedoch einiges mit von den Vorbereitungen, deren Fäden bei meinem Vater zusammen liefen. Schon beizeiten lagen mehrere Vorschläge auf dem Tisch zur Auswahl des geeigneten Stückes. Den Geschmack des Publikums mit dem Spielvermögen der verfügbaren Akteure unter einen Hut zu bekommen, wird manchmal nicht ganz einfach gewesen sein, ist aber immer gut gelungen. Bei der Rollenverteilung ließ es sich mein Vater natürlich nicht nehmen, selbst als Mitwirkender in Erscheinung zu treten und so hieß es fortan, fleißig Text zu lernen. Sobald ich des Lesens einigermaßen kundig war, konnte ich meinem Vater als Stichwortgeber dienen und wusste auf diese Weise ungefähr, worum es im Stück ging. Die Mühen der Schauspieltruppe sind durch reichlichen Zuschauerzuspruch stets voll belohnt worden, sodass es die Vereinskasse erlaubte, alle Vereinsmitglieder nach den Weihnachtsfeiertagen zu einem gemeinsamen Eisbeinessen einzuladen.
Mit dem Jahr 1939 rückte das 10-jährige Bestehen des Vereins heran, das man ganz groß zu feiern gedachte. Nicht nur mit einem der üblichen Bälle, nein, auch eine Fahne sollte angeschafft und in einem würdigen Rahmen unter Einbeziehung ganz in Weiß gewandeter Ehrenjungfrauen geweiht werden.

Den Lieferauftrag für die Fahne erhielt eine Firma in Hildesheim. Ob zu spät bestellt oder ob es an Problemen beim Hersteller lag, unklare Lieferterminangaben sorgten plötzlich für erhebliches Nervenflattern, insbesondere bei meinem Vater. Kommt die Fahne rechtzeitig oder kommt sie nicht?
Da schriftliche und telefonische Kontakte nicht zur Beruhigung beitrugen übernahm es Linus Quanz, die weite Reise nach Hildesheim mit seinem DKW anzutreten, um die Angelegenheit persönlich vor Ort zu klären - mit Erfolg. Im allerletzten Moment konnte die Fahne auf dem Bahnhof in Schwarztal in Empfang genommen werden. Die Jubiläumsfeier einschließlich der groß angekündigten Fahnenweihe war gerettet und eine Blamage, nicht zuletzt vor den eingeladenen Vertretern des Deutschen Sängerbundes und befreundeten Gesangvereinen, vermieden.
Mit der Festlegung des Veranstaltungstermins auf den 13. August hatten die Organisatoren ein glückliches Händchen. Nicht nur, dass man gerade noch einen der letzten Friedenssonntage erwischte, auch Petrus zeigte sich von der besten Seite, es herrschte herrliches Sommerwetter. Schon Tage zuvor, speziell aber am Sonnabend, wurde in Hof und Garten vom Gasthof Fengler emsig daran gearbeitet, Bühnen für Musikkapelle und Redner, einen Tanzboden und eine "Paschbude" aufzustellen, sowie Gerätschaften für Kinderbelustigungen und vieles andere mehr herzurichten. Der Eingangsbereich zum Hof, der damals von der Straße her völlig offen lag (heute sind Straße und Grundstück durch eine Mauer mit großem Tor getrennt), wurde mit einer hölzernen Barriere versehen, die nur in der Mitte einen Durchlass frei hielt. Und zu guter Letzt wurde alles mit Eichengrün, frisch aus dem Borkauer Wald, üppig verkleidet und mit Girlanden dekoriert.
Voller Vorfreude steckte ich, inzwischen 10 Jahre alt, mittendrin im Geschehen, das sich ja direkt vor meiner Haustür abspielte. Natürlich wurde auch das Fest am nächsten Tag für mich zu einem tollen Erlebnis. Ich gehe mal davon aus, dass die erwachsenen Teilnehmer dies ebenso empfanden, wenngleich bei dem Einen oder Anderen die Stimmung angesichts der bedrohlichen politischen Lage nicht ganz so ungetrübt gewesen sein mag, Mit Sicherheit dürfte sich aber keiner unter ihnen befunden haben, der auch nur im Entferntesten hätte ahnen können, dass dieses großartige Fest das letzte war, das er in seinem Heimatort miterleben durfte. Keine 3 Wochen später brach der Krieg aus und brachte das Vereinsleben infolge Einberufung der wehrfähigen Sangesbrüder zum Militärdienst und anderer kriegsbedingter Umstände weitgehend zum Erliegen.
Und wie ist es der Fahne ergangen, dem ganzen Stolz des Vereins, dem Prunkstück aus Samt und Seide in schönen warmen Farben und goldbestickten Ornamenten und Beschriftung? Nun, sie kam nur noch ein einziges Mal zu Ehren anlässlich der Bestattung eines schon älteren Vereinsmitgliedes auf dem Friedhof in Schwarztal. Dabei regnete es in Strömen, was der Fahne leider gar nicht gut bekam. Die Farben erwiesen sich nämlich als nicht wasserfest und verliefen so ineinander, dass mit ihr kein Staat mehr zu machen war. Dazu gab es aber auch keine weitere Gelegenheit, und so ruhte sie auf unserem Dachboden, bis sie bei den Kampfhandlungen 1945 zusammen mit dem ganzen Wohnhaus zerstört worden ist.

Schwarztal Männergesangverein

MGV Schrepau beim großen Umzug anlässlich des Deutschen Sängerfestes 1937 in Breslau

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