Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 10,Oktober 2009

Ein Traum wurde Wirklichkeit – Skeyden!

von Lieselotte Duerden, geb. Dietrich

 

Kann man heutzutage noch träumen? Natürlich kann man immer noch träumen. Aber kann man erwarten, dass so ein Traum oder ein viele Jahre gehegter Wunsch Wirklichkeit wird? So eine Gelegenheit ist mir widerfahren, nach rund 65 Jahren des Hoffens und des Träumens. Eigentlich hatte ich schon vor langer Zeit den Gedanken aufgegeben, mein Heimatdorf in Schlesien, mein Geburtshaus in SKEYDEN Krs. Glogau noch einmal wieder zu sehen. Die Sehnsucht war groß, aber ich musste sie verdrängen. Ich bin Lieselotte Duerden geborene Dietrich aus diesem kleinen Dorf rechts der Oder und 12 km von Glogau. Durch die schweren Folgen des Krieges, heimatlos wie so viele andere Schlesier, fand ich mich bereits 1948 mit einem Engländer verheiratet im Norden von England. Wir gründeten eine gute Familie, aber an eine Reise nach Schlesien war nicht zu denken, auch nicht, als mein Mann vor 10 Jahren verstarb. Ich blieb meinem Kreis Glogau treu und war fast an jedem Bundesheimattreffen der Glogauer in Hannover dabei, trotz der langen Flugreise. So war es auch 2008, als mir jemand sagte, dass ein anderer Heimatfreund aus England erschienen war. Natürlich lernten wir uns kennen, aber in England wohnten wir soweit auseinander, wie von London bis Bremen. Mein neugefundener Heimatfreund, Gotthard Liebich, aus Krolkwitz - und davon war ich überzeugt - merkte bald meine große Sehnsucht nach „zu Hause“, und er begann gleich alle möglichen Vorbereitungen in Gang zu setzen, um im folgenden Jahr, 2009, eine Autoreise nach Skeyden und nach dem Riesengebirge zu ermöglichen. Wir sind beide im „fortgeschrittenen Alter“ und sind im Durchschnitt 84 ½ Jahre alt. Alles war genau geplant und auch so ausgeführt. Wir waren fast 14 Tage unterwegs. Wir verließen St. Albans bei London um 5.00 Uhr an einem Samstag im Juni und fuhren mit der Fähre bis Calais in Frankreich. Dann weiter durch Belgien und Mittel-Deutschland den ganzen Weg bis hinter Dresden in die kleine Stadt Pulsdorf mit dem Beinamen „Pfefferkuchenstadt“ zu unserem Hotel für die Nacht. Das war eine Strecke von 1185 km. Am folgenden Tag war mein Geburtstag, und man bescherte uns Sekt zum Frühstück.
Bis zur Grenze nach Görlitz war es nicht sehr weit, und wir fuhren über Sagan und Glogau, um noch an meinem Geburtstag in Skeyden zu sein. Es klappte alles gut, obwohl es schon spät wurde. Mein Herz schlug schneller, je näher wir kamen. Zuerst die Schafbrücke am Ortseingang, die kaum erkennbar war. Mir fielen viele Namen der Besitzer ein, hier sind einige: Links der Fleischerladen von Sauer, rechts das Gasthaus von Günther, dann Schirwe und Webers, Tischler Müller und dann das 7. Haus links, leicht erkennbar, es stand noch so wie früher, mein Geburtshaus und mein Elternhaus. Mir liefen die Tränen, musste auch schlucken und konnte kaum klar sehen. Wir fuhren langsam vorbei. Das Haus war etwas beschädigt, der Balkon fehlte, und das Bürofenster war zugemauert. Unsere alte Kastanie stand noch am Tor. Das große Schulgebäude nebenan stand leer. Dann der Dorfteich, voll mit Enten und Gänsen, genau wie vor 65 Jahren. Wir hielten nicht an.
Weiter fand ich Grundstücke wie Bäckerei Kretschmer, der Kaufladen von Schön und das Gasthaus Maluche beim Teich.
Aber das ganze Dorf schien unbeschädigt. Noch zweimal fuhren wir durch das Dorf, dann ging es weiter ins 12 km entfernte Schlichtingsheim, zu unserem nächsten Nachtquartier.
Gotthard hatte uns dort in dem zum Teil renovierten Schloss Rothenhorn (siehe NGA Rückseite) angemeldet. Obwohl die Freifrau schwer erkrankt war, wurden wir königlich bewirtet. Es war immer noch mein Geburtstag, und irgendwie wurde es bekannt. Noch einmal gab es Sekt, und die ganze Belegschaft erschien, um mir zu gratulieren Natürlich musste ich mich fast einhundert Mal nach polnischer Art auf beide Wangen küssen lassen. Das war ein bemerkenswerter Geburtstag. Hier trafen wir Karl Schreiner, einen Deutschen, der uns sehr viel half. Und hier hatte Gotthard die Idee, dass Karl uns ein paar Worte in polnisch aufschrieb, damit wir vielleicht mein Geburtshaus von Innen anschauen könnten. So schrieb er:
In diesem Haus bin ich geboren. Ist es möglich, das Haus von Innen anzusehen?
So fuhren wir am nächsten Tag zurück nach Skeyden durch Klein Gräditz und Biegnitz, aber es gab kein Biegnitz mehr, kein einziges Haus, einfach ausradiert. Man spricht von Kupfer-Vergiftung, wie auch in Fröbel und anderen Dörfern um Glogau.
Diesmal hielten wir gleich vor „meinem“ Haus. Mit dem wertvollen Zettel bewaffnet, trafen wir unten im Haus jedoch niemanden an. Oben hatten wir mehr Glück. Ein junger Ehemann mit Kind öffnete, las die Bitte und bat uns, einzutreten. Die Verständigung war schlecht, aber ich war zufrieden mit dem Wenigen, was geschafft wurde. Er ließ uns auch im Hof und Garten umschauen und fotografieren. Das war schon ein guter Anfang für diesen Tag.
Wir fuhren nochmals durchs Dorf und suchten den alten Friedhof. Ich war mir nicht so sicher, und wir landeten fast im Vorwerk Mathildau. Aber bei einem zweiten Versuch, mit Hilfe von Einwohnern und viel Lauferei, konnten wir den Platz finden. Es waren keine alten Gräber oder Reste zu finden, nur einige neue Gräber. Eine große Enttäuschung… Danach fanden wir den Weg zur Oder, aber nur bis zum „Oderloch“, unsere alte Badestelle. Auch hier war uns der Weg versperrt, da die Oder gerade Hochwasser führte. Es war für mich herrlich, diese alten Teile meines Heimatdorfes noch einmal zu sehen, wenn auch in fremder Hand. Länger hier zu weilen hätte sich nicht gelohnt. Es war und wäre zu aufregend gewesen.
So fuhren wir am nächsten Tag durch Glogau, kurz am Dom vorbei und nach einem Bummel durch die neue Innenstadt (Preußische Straße) ging es Richtung Beuthen. Wir hielten in Alteichen auf der Suche nach der evangelischen Kirche. Wir fanden ein Schloss in gutem Zustand aber keine Kirche. Auch hier konnten wir wegen des Hochwassers keinen Weg zur Oder entdecken. Bei einem letzten Versuch fanden wir mithilfe eines Polen die spärlichen Reste meiner geliebten Kirche in Alteichen. Diese Kirche wurde von den Skeydenern auf der anderen Oderseite regelmäßig besucht.
In Beuthen und in Gotthards Geburtsort Krolkwitz blieben wir 4 Tage. Es gab viel zu tun, da er dort viele polnische Bekanntschaften hat, die uns alle reichlich und freundlich bedienten. Unser erster Besuch war auf dem Krolkwitzer Friedhof, wo Gotthard die Gräber seines Vaters, einer Großmutter und eines Onkels heute noch pflegt bzw. von einer polnischen Familie pflegen lässt.
Nun wollten wir noch paar Tage im Riesengebirge genießen. Auf dem Wege führte mich Gotthard zu der Friedenskirche in Jauer. Das war für mich so überwältigend und so eine große Überraschung, dass ich während der Tonbandübertragung in Deutsch die ganzen 15 Minuten nur weinen konnte und kaum etwas von der Schönheit dieses außerordentlichen Gebäudes sehen und von dessen Geschichte verstehen konnte. Nach so einer langen Zeit wieder einmal in einer herrlichen evangelischen, deutschen Kirche zu sitzen, das war wohl der Höhepunkt der ganzen Reise für mich. Unser Ziel war natürlich Krummhübel, die Kirche Wang, Ober-Schreiberhau, der Kochelfall, die Julia-Glashütte in Petersdorf, das Schloss Lomnitz und Hirschberg.
Wir mussten wieder nach Hause. Aber Gotthard wusste, dass meine Mutter in Colditz begraben lag. So besuchten wir diese niedliche, an der Mulde gelegene, reizende Stadt mit dem imposanten Schloss, wo ich 1945 für einige Zeit im Lazarett arbeitete. Der Friedhof wurde gefunden und von uns beiden durchsucht, aber leider kein Zeichen eines Grabes. Ein etwas trauriges Ende dieser so sehr interessanten Reise.
Fast alle meiner Träume wurden Wirklichkeit.
Lieselotte Duerden geb. Dietrich, jetzt in England.

Skeyden Blick auf das Dorf

Für meine Freunde von zu Hause!
Für mich war es eine wunderschöne Reise, sehr gut geplant, und ich bin meinem Freund, Herrn Gotthard Liebich, sehr dankbar, der mir die Möglichkeit gab, meine liebe Heimat noch einmal zu sehen und am Wege seine guten Freunde kennenzulernen, die werde ich nie vergessen.
„Danke“ – God Bless you

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