Unter der Leitung des Landesbeauftragten für Heimatvertriebene und Spätaussiedler der niedersächsischen Landesregierung, Rudolf Götz MdL, reiste kürzlich eine Delegation mit dem Landesvorsitzenden der Landsmannschaft Schlesien in Niedersachsen, Helmut Sauer (zugleich Vizepräsident des BdV), dem stellvertretenden Landesvorsitzenden des BdV in Niedersachsen, Oliver Dix (zugleich Präsidialmitglied des BdV), dem Leiter des Staatsarchivs Aurich, Archivdirektor Professor Dr. Bernhard Parisius, und der Mitarbeiterin im Niedersächsischen Ministerium für Inneres, Sport und Integration, Petra Spandau, für fünf Tage nach Schlesien.
Erste Station der Delegation war die Stiftung Kreisau. Die Familie von Moltke erwarb das Gut in der Mitte des 19. Jahrhunderts als Familienbesitz. Sein Urgroßneffe Helmuth James von Molkte versammelte auf dem Gut, insbesondere im angrenzenden Berghaus, vornehmlich in den Jahren 1941/1943 eine Gruppe von Gegnern des Nationalsozialismus, den sogenannten „Kreisauer Kreis“. Das niederschlesische Dorf erlangte auch durch die Versöhnungsmesse, die die Regierungschefs Polens und (West-)Deutschlands im Jahr 1989 symbolisch als Friedenszeichen abhielten, weitere Bekanntheit.
Die geschäftsführende Vorsitzende der Stiftung Kreisau, Annemarie Franke, erläuterte die Arbeit als Internationale Jugendbegegnungsstätte, als Gedenkstätte und berichtete über die in Kreisau stattfindenden Freiwilligenprogramme für Stipendiaten. Bei einem Rundgang unter der Leitung von Anna Athenstädt besuchte die Gruppe auch das Schloss mit der Dauerausstellung zum deutschen Widerstand und dem Nagelkreuz von Coventry. Die Kreisauer Einrichtung hatte im Jahr 2008 den Deutsch-Polnischen Preis für besondere Verdienste um die Entwicklung der deutsch-polnischen Beziehungen erhalten.
In Breslau traf sich die Delegation zunächst mit Generalkonsul Dr. Helmut Schöps zu einem ausführlichen Gedankenaustausch über die Arbeit des Generalkonsulates für die Deutschen in Nieder- und Oberschlesien. Es wurde deutlich, dass vor allem der Deutschunterricht aktuell ein zentrales Thema darstelle. Ebenso gelte es, die organisierten Deutschen in ihrer Volksgruppenarbeit zu unterstützen und die Beziehungen zur polnischen Bevölkerung zu vertiefen. Landesbeauftragter Götz überreichte dem Generalkonsul das kleine Fürstenberg-Porzellan-Pferd der niedersächsischen Landesregierung.
In Begleitung des Generalkonsuls fand ein Besuch bei der Vorsitzenden der Deutschen Sozial-Kulturellen Gesellschaft in Breslau, Renate Zajaczkowska, und ihrem gesamten Vorstand statt. Es wurde über die vielfältigen Kontakte in der Bundesrepublik und Hilfsmaßnahmen gesprochen, ebenso über das von der Gesellschaft neu herausgegebene Bulletin „Niederschlesische Informationen“. Zajaczkowska und Geschäftsführerin Irene Lipman machten zudem auf das III. Kulturfestival am 12. September 2009 in der Jahrhunderthalle in Breslau aufmerksam. Es folgte ein Besuch im Breslauer Dom, der Kathedrale St. Johannes des Täufers, in dem die Gruppe vor den Grabstätten von Georg Kardinal Kopp und Adolf Kardinal Bertram stand, ebenso eine kurze Führung durch das Erzdiözesanmuseum in Breslau mit dessen Direktor Professor Dr. Jozef Pater.
Ab Oppeln wurde die Delegation für zwei Tage von Konsul Ludwig Neudorfer begeleitet, der zunächst über die Lage der Deutschen im Oppelner Land berichtete. Unter anderem fanden Gespräche mit Senator Norbert Krajczy und der Bürgermeisterin der Stadt Neisse, Jolanta Barska, statt, in denen es um die Vertiefung bestehender Patenschaften zu Kommunen in der Bundesrepublik und um Aspekte der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Niedersachsen ging.
Mittelpunkt der gesamten Reise war der Besuch beim Oppelner Erzbischof Professor Dr. Alfons Nossol, der die Delegation in seiner Privatwohnung mit Klängen aus einem alten Polyphon empfing. Die Besucher würdigten die Verdienste des Erzbischofs um die deutsch-polnische Verständigung und seinen über Jahrzehnte ungebrochenen Mut, auch die Interessen der deutschen Volksgruppe zu artikulieren sowie zum entscheidenden Zeitpunkt für deutschsprachige Gottesdienste gesorgt zu haben. Götz überreichte das Fürstenberg-Porzellan-Pferd der Landesregierung. Der Erzbischof dankte mit fröhlichen Worten und berichtete über die Situation in der Diözese Oppeln. Freudig bewegt blickte er auf die Arbeit der vergangenen Jahrzehnte zurück. 1957 zum Priester geweiht, 1977 zum Bischof, konnte der Erzbischof im Jahr 2007 auf 30 Jahre bischöflichen Dienst zurückblicken. Auf dem aus diesem Anlass herausgegebenen Andenkenblatt heißt es: „Im Dienst Gottes, der Kirche und der schlesischen Heimat.“
Über die Zukunftsperspektiven der Volksgruppe wurde beim Besuch des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VdG) mit dessen Vorsitzenden Bernard Gaida, dem Vorsitzenden der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien, Norbert Rasch, und dem Sejmabgeordneten Ryszard Galla lebhaft diskutiert. Im Mittelpunkt stand dabei die erwünschte Gründung einer deutschen Schule in Oppeln sowie das Aufstellen zweisprachiger Ortsschilder. Die Gastgeber überreichten der Delegation umfangreiches Material über die Arbeit des VdG seit dessen Gründung im Jahr 1991.
Beim Besuch der Geschäftsstelle des Hauses der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit in Oppeln berichtete Generaldirektor Rafal Bartek über die Aufgaben des 1998 in Gleiwitz errichteten Hauses, vor allem auch über entsprechende Projekte. Zentrale Aufgabe sei auch hier die Jugendarbeit, begleitet von kulturellen und europäischen Programmen.
Der Leiter der Deutsch-Polnischen Joseph v. Eichendorff Zentralbibliothek in Oppeln, Prälat Wolfgang Globisch, zugleich Beauftragter der Diözese Oppeln für die Seelsorge der deutschen Minderheit, gab der Delegation einen Überblick über die umfangreichen Bestände größtenteils deutschsprachiger Literatur. Es finden sich in der Zentralbibliothek rund 50.000 Bände. Im Archiv der Bibliothek werden als wertvolles Kulturgut zum Beispiel die Jahrgänge 1871 bis 1938 der „Schlesischen Volkszeitung“ aufbewahrt.
Nach einer Zwischenstation auf dem St. Annaberg, wo einst Papst Johannes Paul II. vor mehr als einer Million Menschen einen Gottesdienst hielt, kam die Delegation nach Lubowitz mit zweisprachigen Ortsschildern am Ortseingang. Gemeinsam mit Konsul Neudorfer führte die Gruppe ein Gespräch mit Professor Dr. Joanna Rostropowicz vom Eichendorff Kultur- und Begegnungszentrum über die Vorhaben und Veranstaltungen der Einrichtung. Es folgte ein Besuch der Ruine des Schlosses der Familie v. Eichendorff. Im Schloss wurde am 10. März 1788 der bekannte deutsche Dichter geboren.
In Ratibor führte die Delegation ein Gespräch mit dem Deutschen Freundschaftskreis unter dem Vorsitz von Marcin Lippa. Teilnehmer waren auch Dr. Josef Gonschior und Blasius Hanczuch, die seit Gründung des VdG wichtige Aufgaben übernommen hatten.
Landesbeaufragter Götz betonte nach der Reise, dass das Land Niedersachsen die engen Kontakte nach Schlesien und zur deutschen Volksgruppe weiter ausbauen werde.
Gespräch mit Generalkonsul Dr. Helmut Schöps. Von links: Helmut Sauer, Rudolf Götz MdL, Dr. Helmut Schöps, Oliver Dix, Prof. Dr. Bernhard Parisius. Foto: Petra Spandau |