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Das Heimattreffen in den Messehallen von Hannover fand am 27. und 28 Juni statt, 50 000 Teilnehmer wurden erwartet. Ich war etwas skeptisch, weil aus vielen Heimatgruppen immer wieder die schrumpfenden Teilnehmerzahlen beklagt werden. Nichts von dem: Viele Busse aus der ganzen Bundesrepublik waren angereist, die Veranstaltungen waren gut besucht. Überall eine aufgeschlossene, ja frohe Atmosphäre unter den Anwesenden. Und die Teilnehmer kamen nicht nur aus der älteren Generation, auch das „Mittelalter" war vertreten, besonders durch Frauen. Jugendliche Teilnehmer musste man suchen. Es gab zwar welche, doch sie gehörten in der Regel zu den Folklore bzw. Trachten-/Volkstanzgruppen. Aber immerhin, es gab sie, und sie waren sehr aktiv im Chorsingen und bei den Volkstanzgruppen.
Die Veranstaltungen zum Deutschlandtreffen begannen bereits am Vorabend mit einem Ökumenischen Gottesdienst und einer Kulturveranstaltung im Zentrum von Hannover. Das habe ich leider verpasst, aber an den beiden nächsten Tagen im Messezentrum konnte ich an den meisten Veranstaltungen teilnehmen.
In der feierlichen Eröffnung der vollbesetzten „Münchener Halle" sprach u.a. der Innenminster von Niedersachsen, Uwe Schünemann. Er betonte die Förderung und Unterstützung der kulturellen Vorhaben mit Polen durch das Land, z.B. den jährlichen Kulturpreis für je einen deutschen und polnischen Vertreter. Auch der Glogauer Heimatbund hat schon diese Unterstützung erfahren; z.B. bei der Organisation eines Chorkonzertes oder dem Auftreten eines Harfenensembles in Glogau. Auch die Sicherung der Bestände der Heimatstuben ist ein Anliegen des Ministers. - Auch der Oberbürgermeister von Hannover, Stephan Weil, zeigte sich offen für die Angelegenheiten der Schlesier, zumal er seine Wurzeln auch in Schlesien hat und 1951 etwa 21 % der Bewohner Vertriebene waren. –
Der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft Schlesien, Rudi Pawelka, verwies auf die Verpflichtung aller Deutschen zur Erhaltung des Kulturerbes von Schlesien: 13 Nobelpreisträger stammen aus Schlesien; die Herkunft vieler bekannter bzw. berühmter Deutscher wird heute häufig verschwiegen, dabei ist Schlesien Teil der deutschen Identität. - Die Eröffnungsveranstaltung schloss mit der Verleihung des „Schlesierschildes", der höchsten Auszeichnung des Landsmannschaft Schlesien, an Prälat Franz Jung, den Visitator für Priester und Gläubige aus der Grafschaft Glatz und an Landespfarrer Dr. Christian-Erdmann Schott für seine Forschungen zur schlesischen Kirchengeschichte.
Unter den zahlreichen Ehrengästen habe ich die Präsidentin der Vertriebenen, Frau Erika Steinbach, vermisst.
Am Nachmittag fand in der gleichen Halle der „Bundesmitarbeiterkongress" statt. Für den Zutritt waren besondere Einlasskarten erforderlich. Es war für mich eine der interessantesten Veranstaltungen des Deutschlandtreffens. 5 Themenschwerpunkte waren vorgegeben, u.a. die Heimatstuben, die Wahrnehmung Schlesiens in der Öffentlichkeit, die Rolle der Frauen in der Landsmannschaft Schlesien. Nach einer kurzen Einführung zum jeweiligen Thema war eine ausführliche Diskussion vorgesehen. Sie wurde reichlich wahrgenommen! Es wurde moniert, dass in der Stadt Hannover keine Hinweise bzw. Plakate zum Schlesiertreffen erkennbar waren, auch hat die Tagespresse kaum über das Treffen berichtet. Es wurde das Fehlen der schlesischen Jugendverbände angesprochen, wo es zzt. offenbar eine Leitungskrise gibt. Zum Verbleib der schlesischen Heimatstuben - in Niedersachsen gibt es etwa 70, zwei sind in Friedland untergebracht - gibt es verschiedene Vorstellungen. Es scheint sich aber die Tendenz durchzusetzen, dass die Heimatstuben möglichst am Ort verbleiben sollten, um möglichst breite Bevölkerungskreise mit schlesischen Gebräuchen und schlesischem Kulturgut bekannt zu machen. Videotheken oder Bücherstuben werden als Möglichkeiten gesehen, in einer Ecke durch entsprechende Bücher oder schlesische Erinnerungsstücke auf unsere Heimat hinzuweisen. - Über die Tätigkeit der schlesischen Frauen wurde auch gesprochen. Sie mussten nicht nur die Schrecken der Vertreibung ertragen, sondern auch den Neuanfang in einer nicht immer freundlichen Umgebung organisieren. Die schlesischen Frauen sind heute die Säulen der Landsmannschaft Schlesien. Viele örtliche Heimatgruppen können nur durch ihre Arbeit erhalten werden. - Es wurden auch Möglichkeiten erörtert, die in Schlesien verbliebenen Deutschen durch die Landsmannschaft zu unterstützen. Etwas pessimistisch gab ein Diskussionsredner die Antwort: „Wie wollen wir den Deutschen in Schlesien helfen, wir können uns ja selbst nicht helfen!"
Der erste Tag klang aus mit einem Heimatabend unter dem Leitmotiv „Wir seh'n uns wieder am Oderstrand". In der vollbesetzten Halle herrschte beim Einzug der Fahnen und der mitwirkenden buntgekleideten Tanz- und Trachtengruppen eine aufgeschlossene Stimmung, die von der Kapelle mit bekannten schlesischen Liedern unterstützt wurde. Natürlich wurde auch kräftig mitgesungen. Gedichte, Tänze, auch lustige Einlagen (z.B. von Antek + Franzek) wechselten miteinander ab. Es war schon eine Freude, da mitten drin zu sein und einen Hauch schlesischer Fröhlichkeit und Folklore zu erleben. Ich denke, dieser fröhliche Heimabend wird noch lange nachwirken und vielen Teilnehmern eine Stärkung im Alltag bedeuten.
Der zweite Tag (Sonntag) begann traditionsgemäß mit einem evangelischen und katholischen Gottesdienst. Den katholischen konnte ich besuchen. Hauptzelebrant war der Apostolische Nuntius, Erzbischof Dr. Jean-Claude Périsset. Das sehr feierliche Pontifikalamt war gut besucht. Es ist ja für einen in der Diaspora lebenden Christen schon ein Erlebnis, zusammen mit tausenden Christen eine hl. Messe zu feiern. Und kaum einer konnte sich der Ergriffenheit entziehen, als am Ende der hl. Messe vielstimmig das „Großer Gott wir loben dich" gesungen wurde.
Profiliertester Redner der politischen Hauptkundgebung war der Ministerpräsident von Niedersachsen, Christian Wulff. Er wies darauf hin, dass ohne die Hilfe und das Engagement der Vertriebenen die Erfolge Niedersachsens nicht denkbar wären. Das bringt auch Verpflichtungen mit sich. Deshalb ist heute Flucht und Vertreibung ein Pflichtthema in den Schulen Niedersachsens. Die Erinnerung an die Heimat gehört zu den Grundrechten des Menschen. Darum ist auch die Sicherung der Heimatstuben eine Pflicht. Die Erinnerung an schlesische Kultur und ihre Träger darf nicht verloren gehen. Die schlesischen Vertriebenen sind heute wichtige Brückenbauer zwischen Deutschland und Polen: Der Ministerpräsident versprach: „Wir werden alles tun, um das Schicksal der Vertriebenen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.“ Langanhaltender Beifall folgte auf diese Rede. Anschließend sprach der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft Schlesien, Rudi Pawelka. Er wies hin auf viele ausländische Aussagen zum Exodus der Vertriebenen, wohingegen es in Deutschland keine echte Vergangenheitsbewältigung gibt. „Die Deutschen sind immer Täter, die anderen immer Opfer". Versöhnung darf aber keine Einbahnstraße sein. Breiten Raum nahm dann seine Auflistung von Maßnahmen der Polen gegen die in Schlesien verbliebenen Deutschen ein. Damit war im Wesentlichen das offizielle Programm des Deutschlandtreffens zu Ende. Aber in der großen Halle 2 gab es nach wie vor ein großes Gedränge an den Imbissständen, den Angeboten schlesischer Leckereien, den Buchauslagen und natürlich auch an den Tischen der schlesischen Heimatkreise. Alte Bekanntschaften wurden erneuert, neue Kontakte geknüpft, ein reges Treiben bis in die Nachmittagsstunden. An den beiden Tischen der Glogauer hatten sich ca. 50 Heimatfreunde eingetragen.
Insgesamt war das Deutschandtreffen der Schlesier eine eindrucksvolle Veranstaltung und für alle Teilnehmer eine Stärkung ihres Heimatgefühls.
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