Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 5, Mai 2009

Die Lange Straße in Glogau

 

von Hans-J. Gatzka

 

Die Lange Straße machte ihrem Namen alle Ehre, zog sie doch an der nördlichen Stadtseite fast an halb Glogau vorüber. Ein Sammelsurium bekannter Glogauer Geschäftsadressen und Namen standen Spalier, wenn man die Straße von West nach Ost entlang ging. Auf der Titelseite ist das östlichste Teilstück dieser grob gepflasterten Straße zu sehen, die in diesem Abschnitt licht und hell wirkt. Es sind nur 3 Hausnummern auf der rechten Seite, zwischen Wingen- und Friedrichstraße im Bild, die 90, 91 u. 92.
Ein bekanntes Glogauer Maßschneideratelier, geführt von Curt- und Walter Kendler, befand sich im Eckhaus mit der Nr. 90.
Die gesamte Häusergruppe wurde total zerstört, die Brüder Kendler im Massengrab im Schlossgarten vergraben. Welches nach neuesten Erkenntnissen nicht existiert. Wo sind sie geblieben, die etwa 200 Toten?
2 oder 3 Gehwegplatten fand ich bei einem Besuch meiner Heimatstadt an der Stelle, wo einst 3 vierstöckige Wohnhäuser standen.
Auf der linken Seite befand sich der Dienstsitz. des militärischen Stadtkommandanten zu Glogau. In den 30er Jahren war das Oberst Graf von Matuschka. Den Abschluss bildete die Kasernenbebauung der sogenannten Kriegsschule. Das eiserne Tor ist der Eingang in dieses weitläufige Kasernengelände. Es war belegt mit einer Pioniereinheit, den Achtzehnern.
Würde man an dieser Stelle nach links weitergehen, die Friedrichstraße entlang, käme man nach etwa 200 Metern über eine Eisenbahnbrücke hinunter an die Oder. Nach rechts führt die Straße zum Wilhelmplatz mit dem Kaiserdenkmal hoch zu Ross.
Nahe dieser Kreuzung befindet sich das Depot der Glogauer Berufsfeuerwehr. Oft haben wir als Kinder den halsbrecherischen Trainingsübungen zugeschaut, die sich auf dem Platz vor den Garagen abspielten.
Von hier aus beginnt nun der Gang durch die Lange Straße in Richtung Westen, also Bahnhof oder Zirkusplatz. Auf der linken Straßenseite überquert man dabei die Mühlstraße, Kiehnstraße, Kupferschmied- und Mohrenstraße. Als erstes wäre da die Rossschlächterei Oswald Hensler, eine Fleischerei der besonderen Art, zu nennen. Die Bäckerei Sachse, vermutlich die älteste Bäckerei der Stadt, lag an der Ecke Mühlstraße. Der alte Herr Sachse war zugleich Innungsobermeister dieser Zunft. An der nächsten Ecke, Kiehnstraße, ein Goldwaren und Uhrengeschäft und ein paar Schritte weiter ein Fahrradhändler mit einem Riesenangebot von Fahrrädern und allem, was dazu gehört. Als alter Fahrradfan, der ich von Kindesbeinen bin, weiß ich, dass man dafür ein kleines Vermögen ausgeben kann, auch damals schon. Gegenüber ebenfalls an der Kupferschmiedstraße, war ein sehr großes Geschäft für Glas und Porzellan. Der Name des Inhabers ist mir leider nicht mehr in Erinnerung.
Ein paar Schritte weiter das Geschäft mit der großen Versuchung, Scholaden-Berger. Die Tafel Sarotti kostete damals 35 Pfg. Über die nächste Kreuzung, die Mohrenstraße hinweg, lag ein beliebtes Bierlokal, der Bayerische Hof. Welches Edelbier dort zum Ausschank kam, lässt sich unschwer erraten. Hier lernten die Schlesier, was eine Maß ist.
Die Mälzstraße bildet nun den Abschluss. Sie kommt vom Kaufhof bis hierher. Auf dem gleichen Weg zurück, in Richtung Osten, kommen wir zuerst an der Bäckerei Liebach vorbei, nachdem wir vorher eine kleine, dunkle Gasse überquert haben, die Bailstraße. Sie ist eng und dunkel auf ihren etwa 75 Metern.
Die Glogauer Kreis -und Ortspolizeibehörde befindet sich als nächstes mit all ihren Diensträumen hier, zwischen Bail- und Großer Oderstraße. Im Eckhaus an der Oderstraße die Schlossapotheke und an der nächsten Ecke die Fleischerei Wirzejewski, in deren hinteren Räumen ein gepflegtes Speiselokal, mit folgerichtig hervorragender Küche.
Auf der Höhe der Kupferschmiedstraße ein zweites Fahrradgeschäft, dessen Inhaber ein über die Glogauer Grenzen hinaus bekannter Radrennfahrer war. Die Firma Glatz und Laske. An dieser Ecke zweigt auch die Franziskanerstraße ab.
Als nächstes ein Tapeten- und Farbengeschäft und unmittelbar folgend ein zweites Bierlokal. Entweder hieß diese Schwemme Düppler Schanzen oder Weißes Röß’I.
Bierlokale hatten offenbar in Glogau einen großen Besucherstamm, der sich durch die sehr hohe Zahl von stationierten Soldaten erklären lässt.

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