Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 9, September 2008

Unsere evangelische Volksschule in Gramschütz

von Hans Weilandt

Eine allbekannte Redensart sagt: Wissen ist Macht. Aber wo kommt das Wissen her, das ein jeder Mensch für das ganze Leben braucht? Es ist uns nicht in die Wiege gelegt worden, sondern muss erworben werden, wir müssen es erlernen. Und wo erlernen wir dieses Wissen? Natürlich in der Schule. Aber nicht für die Schule. Der Meinung waren schon die alten Römer, wo der Philosoph Seneca die Worte prägte: Non scholae, sed vitae discimus, zu deutsch: Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir. Wilhelm Busch, Vater der bösen Buben Max und Moritz, die gar nichts vom Lernen in der Schule wissen wollten und nur dumme Lausbubenstreiche im Kopf hatten, drückte sich in dieser Angelegenheit humoristischer aus:

Also lautet ein Beschluss,

dass der Mensch was lernen muss.

Nicht allein das ABC

bringt den Menschen in die Höh';

nicht allein in Schreiben, Lesen

übt sich ein vernünftig Wesen;

nicht allein in Rechnungssachen

soll der Mensch sich Mühe machen,

sondern auch der Weisheit Lehren

muss man mit Vergnügen hören.

Dass dies mit Verstand geschah,

war Herr Lehrer Lämpel da.

Für mich und manch andere Gramschützer waren die Lehrer Paul Baburske, Richard Berndt, Erich Fechner, Oskar Günther, Georg Kantschick. Willy Kutzner, Hans Polte und die Lehrerin Herta Klimke da. Doch bis dahin dauerte es noch eine lange Zeit. Um auf die Geschichte unserer evangelischen Volksschule in Gramschütz eingehen zu können, muss ich mich wieder an die >Gramschützer Heimatblätter < von Oskar Hoffmann halten. Ich entnehme darin in Auszügen folgendes: Laut allerhöchster Verordnung der geistlichen und Schuldeputation der Königlichen Liegnitz'schen Regierung von Schlesien vom 25. März 1811 wurde jede Schule zur Anlegung und Führung eines Grundbuches verpflichtet. Das Gramschützer, angefertigt nach den Vorschriften den 27. April 1811 lautet wie folgt: Eine kurze Geschichte der Schule von ihrem Entstehen an bis auf die Zeit der Anlegung des Grundbuches, soweit sich solches erinnern lässt. - Die evangelische Gemeinde Gramschütz, welche gegen 133 ansässige Einwohner hat, nämlich 38 evangelische, 1 katholischen Bauer, 16 evangelische Gärtner und gegen 73 Angerhäußler und Müller evangelischer und drei dergleichen katholischer Confession hat, hat in älteren Zeiten ihre Kinder bis zur Confirmation in hiesige katholische Schule zu dem längst verstorbenen katholischen Organisten Augustin befördern müssen. - Bei dem Regierungsantritt des Hochseligen Königs von Preußen Friedrich IIten glorwürdigen Andenkens erhielt gedachte Gemeinde die hohe Erlaubnis zur einer freyen Religionsübung und zugleich zu einer Anlegung von Kirchen und Schulanstalten, von denen bald zu Anfang des Jahres 1741 gedachte Gemeinde den denkbarsten und besten Gebrauch machte. - Um den Kindern das Glück der evangelischen protestantischen Religion, welche die Eltern größtenteils bekunden, angedeihen zu lassen, wurde ad interim an dem Orte selbst eine Schulwohnung gemiethet und zur Besorgung des erforderlichen Unterrichts der weyl. verdiente Benjamin Matthey 1741, von Winzig gebürtig anhero berufen und den 10. Dezember 1745 von dem Kgl. Ober Consistoris zu Glogau in seinem Amte und seinen Amolumenten confimiret, was noch hiesige Gemeinde Kichen Acten besagen. - Vorgedachter Schullehrer und Organist hat sein Amt in seiner von hiesiger Gemeinde angekauften Schulwohnung von 1741 bis 1767 treu und fleißig verwaltet, biß er altershalber an dem noch jetzt lebenden Gehülfen erhielt und den 5ten April 1770 starb. - Erwähnte von der Gemeinde angekaufte Schulwohnung nebst Kuchel Garten wurde nicht allein für die vermehrte Schuljugend zu enge, sondern auch baufällig. Es wurde zu dem Ende 1780 ein größeres Schulhauß mit Hülfe des Kirchen Aeraii und der wahrhaft Prinzlichen Unterstützung des weyl. Hochseligen Königl. Prinzen Heinrich von Preußen erbaut, welches noch besteht. In anderer Schrift heißt es weiter: Auch dieses ist mit dem Jahre 1833 eingegangen. Am 11. April dieses Jahres wurde der Grundstein zu dem neuen Schulhause, auf einen von dem hohen Domino Sr. Kgl. Hoheit dem Prinzen August von Preußen dazu gnädigste bewilligte Flecken neben der evangelischen Kirche unter dem Gesange einer zahlreich anwesenden Versammlung und mit einem Gebete des zeitigen Pastors E. Wenzel gelegt. Der Grundstein war gelegt und besonders ausgerüstet von dem hiesigen Müllermeister Herzog. Jedes Schulkind tat einen Schlag auf denselben mit dem Hammer, nachdem dies auch vom anwesenden Gemeinde- Kirchen- und Schulvorstande, wie dem Maurermeister geschehen. Den Plan zu dem Schulhause hatte der Kgl. Prinzliche Forstinspektor Wullstein in Töppendorf entworfen, ausgeführt ward er von dem Maurermeister Reinhold aus Glogau. Sr. Kgl. Hoheit der Prinz August von Preußen als Patron bewilligte alles zu dem Bau nöthige Holz, unentgeltlich, mit seiner und der Kgl. Regierung Erlaubniß contribuirte das evangelische Kirchen Aerarium 500 Reichstaler, alle übrigen Kosten wurden von den Gemeinden, deren Jugend zu Nutz und Frommen dies Schulhaus erbaut ward, nach landräthlicher Repartition getragen, als: Gramschütz, Groß- und Klein-Schwein, Groß- und Klein-0bisch, Willschau, Pinquart. Dieselben Gemeinden leisteten auch alle dabei vorkommenden Spann- und Handdienste. Alle Arbeiten gingen rasch vorwärts, sodass das massive einstöckige Schulhaus im Oktober 1833 vollendet dastand, und am 1. Mai 1834 nachmittags in Gegenwart des Kgl. Forstinspektors Wullstein, als Commiß-Patroni der Hauptmann Fastmann auf und zu Klein-Schwein, die Herren Pastoren Schreiber von Jakobskirch, Dümichen von Weißholz und Karthaus von Schlichtingsheim, sowie der zahlreich versammelten Schullehrer aus verschiedenen Orten, der zahlreich versammelten Gemeinde und sämtlicher Schuljugend feierlich und kirchlich eingeweiht wurde. Mit Gebet und vierstimmigen Palmgesange nahm man von dem alten Schulhaus Abschied, zog unter Posaunen, Gesang und Geläute der Glocken in das neue. Dies wurde mit dem Segen des Herrn, Gebet und Gesang eingeweiht und die Feier in der Kirche mit Musik und Gesang, Collekten und einer Rede vom Altare beschlossen. Zu dieser Evangelischen Schule gehörten ehedem folgende Ortschaften, als: Priedemost, Rettkau, Altwasser, Klein-Schwein, Willschau, Pinquart, Groß-Schwein, Klein- und Groß-Obisch. Diese bildeten mit Gramschütz ein Schulsystem. Das waren alle Orte des evangelischen Kirchspiels. Das Grundbuch fährt nun erläuternd fort: Priedemost hat soweit bekannt etwa seit 1776 seine eigene Schul-Anstalt. Rettkau hat jetzt auch, wie das Grundbuch besagt, eine eigene Schuleinrichtung. Es verbleiben als zur hiesigen Schule verpflichtet: Altwasser, dem Forstmeister Keller gehörig, (26 ansässige Einwohner, darunter 10 katholische Bauern, 4 evangelische und 4 katholische Gärtner, 1 evangelischer und 7 katholische Häusler), Klein-Schwein seit 1830 dem Herrn Hauptmann von der Art. Fastmann gehörig, mit Willschau und Pinquart. - Groß-Schwein hat seit 15. Oktober 1852 die Erlaubnis der Kgl. Regierung zu Liegnitz, seine Schüler in die Schule zu Klein-Obisch senden zu dürfen, ohne dass der Lehrer in Gramschütz Entschädigung zu fordern berechtigt ist. Der Lehrer wohnt in Klein-0bisch. - Klein- und Groß-Obisch, seit 1833 dem Sohne des Prinzen Ferdinand, Sr. Kgl. Hoheit dem Prinzen August gehörig. Seit 1852 ist Klein-Obisch und Groß-Obisch Kgl. Pr. Haus Fideicomiß-Gut und werden die dasigen Schüler vom Lehrer von Thauer beschult. - Namenspatron der evangelischen Schule in Gramschütz ist der Kgl. Prinz August Ferdinand, Hochmeister des Johanniter-Ordens zu Sonneberg, gegenwärtig (1828) Sr. Kgl. Hoheit der Prinz August von Preußen, Sohn des vorgedachten, Chef sämtlicher Artillerie. - Seit 1858 wird unsere Schule von einer Lehrkraft 3-klassig geführt. 1880 den 29. Februar beschließt die Gemeinde Gramschütz, die Anstellung eines 2ten Lehrers bei der Regierung zu beantragen.

Den 2. Mai 1880 hatten die in Gramschütz eingeschulten Gemeinden Termin auf dem Landratsamt in Glogau, auf dem sie sich auf Aufforderung der Regierung erklären sollten, wie sie sich das Gehalt (818.- M) und das Deputatholz für den anzustellenden 2. Lehrer aufbringen wollten. Dem Termin wohnten bei: Gerichtsscholz Leißner, die Bauern Schröter und Stach, Gärtner Fechner, Sattler Tietze aus Gramschütz, Gerichtsscholz Walter von Willschau, Gerichtsmann Brand von Klein-Schwein, Hauptlehrer Willemberg von Gramschütz, Oberamtmann Metscher von da, Rittergutsbesitzer Mathis von Klein-Schwein. Die anwesenden Patronats- und Gemeindevertreter versprachen durch Namensunterschrift für den 2. Lehrer aufbringen zu wollen: 270 Thl. Gehalt und 7 Klaftern Deputatholz oder 42 Thl. Holzgeld, ferner zur Beheizung der 2. Schulklasse 5 Klaftern Holz, 30 Thl. Holzgeld. Es tragen zum Gehalte des 2. Lehrers bei: Gemeinde Gramschütz zum Gehalte, Deputatholz und Schulholze vierteljährlich 184,62 M Gem. Quielitz desgl. 7,08 M Dom. Gramschütz durch Rentamt Obisch zum Deputatholze 5,12 M Gemeinde Willschau zu den 3 Posten 2,30 M Dominium Gramschütz zum Gehalte 32,78 M Gemeinde Klein-Schwein desgl. 3,90 M Dominium Klein-Schwein zum Gehalte Deputatholze 20,61 M Ferner erhält der 2. Lehrer 2 Stuben und 1 Kammer im 1. Stock, nach Norden gelegen, im unteren Flur die neu erbaute Küche, im neuen Stallgebäude einen Keller, nach Westen gelegen, daneben das Speisegewölbe, über dem Keller eine Mangelkammer und Holzgelaß, im Schulhause den halben Bodenraum unterm Dache gelegen. Damit waren die Vorbedingungen erfüllt, die Vorbedingungen getroffen, der 2. Lehrer, neu für Gramschütz konnte kommen. Am 1. Juli 1897 wurde in Klein-Schwein eine neue Schule gegründet, welche die Kinder von Klein-Schwein, Willschau und Pinquart besuchen. Am 10. August 1916 wurde der Lehrer Georg Ebert aus Musternick seitens des Schulvorstandes zum Kantor und Lehrer an hiesige Kirche und Schule gewählt. Er hielt am 20. August seine Kirchenprobe und trat sein Amt am 1. August 1916 hier an. Die Einführung desselben fand in feierlicher Weise statt. Nachmittag 4 Uhr hatten sich die Mitglieder des Schul- und Kirchen-, sowie des Gemeindevorstandes an der Willschauer Brücke versammelt, um den einziehenden Lehrer und Kantor zu begrüßen. Herr Pastor Wieder tat das als Vorsitzender des Schulvorstandes und des Gemeindekirchenrates, Herr Gemeindevorsteher als Vertreter der Gemeinde. Eine Schülerin sagte ein Begrüßungsgedicht. Dann ging's in feierlichem Zuge unter Glockengeläut zum neurenovierten Schul- und Kantorhause, wo selbst in einer kleinen Feier die Schlüssel übergeben wurden. Wie erwähnt, war das Schulhaus innen und außen vollständig neu renoviert worden, was einen Kostenaufwand von 5688,42 Mark verursacht hatte. Durch Verfügung der Regierung zu Liegnitz wurde die erste Lehrerstelle am 1. Februar 1920 in eine Hauptlehrerstelle umgewandelt und der Inhaber, Lehrer Ebert zum Hauptlehrer ernannt. - Gleichzeitig wurde, da die Schulfrequenz es nötig gemacht hatte, eine vierklassige Schule eingerichtet und eine dritte Lehrkraft eingestellt. - Am 18. März 1920 fand die Vereidigung der hiesigen Lehrkräfte durch den Hauptlehrer auf die neue Reichsverfassung statt. - Am 1. April 1920 wurden die niederen Küsterdienste vom Kantorenamte getrennt und ein besonderer Küster

angestellt. Ebenso wurden diesem die Ausführung des Tages- und Kirchengeläutes übertragen. - Am 6. April 1920 wurde die Lehrerschaft des östlichen und südöstlichen Teils des Kreises Glogau durch den Kreisschulrat, Schulrat Brüssow, im Saale des Stiegerschen Hotels, darunter auch die hiesige Lehrerschaft auf die Preußische Verfassung vereidigt. Von der einklassigen Kirchschule (Kantorschule) mit einem Lehrer, gegründet 1741, bis zur mehrklassigen mit Schulleiter (Kantor) und einem Adjutanten ab April 1834, zur Volksschule mit einer 2. Lehrerstelle ab 21. April 1881 zur 4klassigen mit 3 Lehrkräften (Hauptlehrerschule) ab 1. April 1920 - das ist der Weg, den unsere evangelische Schule in Gramschütz im Laufe von zwei Jahrhunderten (1741-1945) genommen hat. Das alles hat Oskar Hoffmann in >Gramschützer Heimatblätter< festgehalten, und noch einiges mehr, was aber hier den Rahmen sprengen würde. Dafür sind wir ihm heute noch zu Dank verpflichtet. Wer hätte das von uns sonst noch heute gewusst? Somit wollen wir jetzt zur Gegenwart übergehen, die aber auch schon wieder über sieben Jahrzehnte zurück liegt. Und das war der 8. August 1935, ein schöner, sonniger Sommertag. Ich kann mich noch genau daran erinnern, denn es gibt Tage oder Momente in meinem Leben, die ich nie vergessen kann. Es wird anderen auch so ergehen, da kommt es einem in den Sinn und läuft wie ein Film im Gedächtnis durch den Kopf. - Meine Eltern waren von Schenkendöbern Kreis Guben in der Niederlausitz nach Gramschütz gezogen, wo mein Vater in unserer Molkerei die Stelle des Betriebsleiters übernehmen konnte. Wir hatten eine Wohnung im Hause Nr. 121 bezogen, das der alten Frau Soor gehörte, in dem auch der Schuster Rausch seine Werkstatt hatte, gleich hinter der Büttner-Fleischerei auf der Neuen Seite. Also hatte ich es nicht weit zu unserer Schule. Es ging zuerst über den Mühlgraben, der zur Hoffmann-Mühle floss, aus der auch Oskar Hoffmann stammte. Dann gings durchs Gässel, wo links die alten Ismer-Leute wohnten und rechts die Schlosserei Girke war. Nach überschreiten der Kirchstraße, wir nannten sie auch Alte Seite, sah man schon unsere Schule. Auf der linken Seite war das Gemeinde-Haus, in dem auch unser Küster und Schuldiener Artur Kretschmer wohnte, ferner unsere Diakonissen-Gemeinde-Schwester Anna, allen Dorfbewohnern bekannt. Auf der anderen Seite war die Tischlerei von Otto Rumpelt. Und schon war man auf dem Schulhof, wo es recht lebhaft zuging, denn es war Pause. Meine Mutter fragte nach dem Kantor und die Kinder wiesen uns, begleitet mit neugierigen Blicken wegen dem Neuen, in den Schulgarten. Dort saß in einer kleinen, grünumrankten Laube Kantor Berndt, eine etwas schmächtige Person, mit einer schwarzglänzenden Satinjacke. Als er mein Zeugnis sah, sagte er zu mir: Na, da bringst du ja ein ganz ordentliches Zeugnis mit." Und da gerade Pausenende war, brachte er mich in den hinteren, linken Klassenraum, zum Schlosspark gelegen, zu Lehrer Willy Kutzner. Wie ich bald feststellen konnte, ein etwas strenger Herr. Als Neuling musste ich natürlich vorn in der ersten Reihe den letzten Platz einnehmen, neben Tauber Gerhard. Das sollte sich aber bald ändern. Gleich zu Anfang der ersten Stunde wurde nämlich ein Diktat geschrieben. Da ich aber von einer, vielleicht rückständigen einklassigen Dorfschule kam, hatte ich noch nie mit Tinte und Feder geschrieben. Also musste Wenzel Horst schnell laufen und im heimischen Kaufladen für mich auf Pump Heft und Federhalter holen. Dann konnte mit etwas Verspätung mit dem Diktat begonnen werden. Als Lehrer Kutzner so vor mir stand und mich mit dem Federhalter erstmals schreiben sah, sagte er zu mir: Na, das geht ja noch ziemlich zittrig bei dir." In dem Diktat kam u.a. das Wort >die Esse< vor. Da wurde ich etwas stutzig, denn >die Esse< war mir bisher unbekannt und meinte >Esse< müsste man klein schreiben, da ich es nur als Tätigkeitswort kannte. Das war nun mein einziger Fehler, wofür ich gleich am nächsten Tage belohnt wurde und mich zwischen Rubel Helmut und Wenzel Horst auf den zweiten Platz setzen durfte. Diese Sitzordnung haben wir drei dann bis zum letzten Schultag eingehalten, das war der 28. März 1942. So ist mir mein erster Schultag in Gramschütz bis heute in bester Erinnerung geblieben, ein Meilenstein in meinem Leben. Wie verlief nun so ein Schultag bei uns daheim? Im Sommer dauerte er von 7-12, im Winter von 8-1 Uhr. Ich selbst war in der glücklichen Lage, in 2 Minuten in der Schule zu sein. Da hatten es manche weiter, wenn man bedenkt, dass sich unser Dorf von Ost nach West über 11/2 Kilometer erstreckte. Besonders weit hatten es die Kinder vom Teichvorwerk, das über 21mn von der Dorfmitte entfernt war. Und das bei Wind und Wetter, im Winter bei Schnee und Kälte. Ein für heutige Verhältnisse unvorstellbarer Zustand, wo überall Schulbusse unterwegs sind. Aber wir haben es alle überstanden und sind dabei groß geworden. - Natürlich ist man aufgestanden, wenn der Lehrer das Klassenzimmer früh erstmals betreten hatte. Bei Lehrer Kutzner wurde anfangs noch gebetet: Das walte Gott, der helfen kann, /mit Gott fang ich die Arbeit an, /mit Gott fang an, mit Gott hör auf, / das ist der schönste Lebenslauf. Das sollte sich aber bald ändern, denn es passte nicht mehr so recht in die neuere Zeit, die inzwischen angebrochen war. Nach der Aufforderu Setzen" konnte mit der Arbeit begonnen werden. Im zweiten und dritten Schuljahr waren die Unterrichtsfächer nur Schreiben, Lesen, Rechnen, Zeichnen, Singen und Religion. Wir mussten aber nicht nur lernen, denn zwischendurch wurde auch zweimal Pause gemacht, was mit einer kleinen Glocke mit Bandel im Hausflur angekündigt wurde, was die Aufgabe vom Primus" der oberen Klasse war. Das Bimmeln wurde natürlich immer mit Freuden und einem heimlichen Endlich" vernommen, besonders, wenn damit das Ende der Schule angekündigt ward. Zuerst gab es die kleine Pause, die nur etwa 10 Minuten dauerte und wir uns nur auf dem Schulhof aufhielten. Die nächste, große Pause dauerte dagegen etwa 1/2 Stunde, wo wir uns auf dem Kirchplatz austoben konnten, besonders wir Jüngeren. Wir Jungen spielten dann Fankus und die Mädel machten Kreisspiele. Die größeren Jungen oder Mädel standen dann beisammen und unterhielten sich über dieses und jenes. Vielleicht schon über die ersten Liebschaften? Ein jeder vergnügte sich auf seine Art. Die Mutter hatte uns in einer Blechbüchse das Pausenbrot mitgegeben, zwei Scheiben Brot mit Butter und Wurst, zusammengeklappt, was uns natürlich köstlich schmeckte. Schokoriegel, Milchschnitten oder sonstige Süßigkeiten, wie es heutzutage bei den Kindern üblich ist, gab es damals Gott sei Dank noch nicht. Ausnahme war höchstens eine Mohschnecke für 5 Pfennig, die man sich heimlich schnell über der Straße bei Hoffmann-Bäcker holte. Erwischen durfte man sich dabei nicht, denn es war verboten, das Schulgelände zu verlassen. Ein oder zwei Lehrer gingen während der Pause auf und ab und verspeisten auch ihr Pausenbrot. Wenn dann fest von ihnen in die Hände geklatscht wurde, war die schönste Zeit des Schultages vorbei und es ging wieder in die frisch gelüfteten Klassenräume zurück. Am 1. Oktober 1935 wurde Lehrer Willy Kutzner nach Rettkau versetzt, wo er die Stelle des Schulleiters übernahm. Sein Nachfolger war Lehrer Oskar Günther, der von Eschwege kam. Er fuchtelte gern mit dem Rohrstock rum, und das manchmal völlig zu Unrecht. Er hieß bei uns nur Ossi". Während des Krieges, der inzwischen leider begonnen hatte, musste er auch zeitweise in Klein-Schwein unterrichten. 1942 musste er auch zum Wehrdienst einrücken und keiner weiß mehr, etwas von ihm zu berichten. - Das Allerschönste von der ganzen Schule waren natürlich die Ferien. Bei den Herbstferien, es waren die längsten, gab es die Zwischenzeugnisse. Ostern endete immer das Schuljahr und es gab dann die Zeugnisse mit dem Vermerk Versetzt", oder auch nicht, was bei manchen auch vorkam. Da bei meinem Zeugnis aber Versetzt" stand, kam ich 1937 in die nächst höhere Klasse. Der Klassenraum befand sich gleich rechts im Schulgebäude, gegenüber dem Schulhof. Unsere Klassenlehrerin war Fräulein Herta Klimke, Tante Hertel" genannt. Sie wohnte im Kaulschen Posthaus in der Glogauer Straße und hatte somit auch einen längeren Schulweg. Ich sehe sie noch in Gedanken mit ihrer schweren Schultasche ankommen, in der sie unsere, mit manchmal vielen Fehlern gespickten Diktathefte hatte. Jetzt kamen die Unterrichtsfächer Geschichte, Naturkunde und Erdkunde dazu, was mein Lieblingsfach war. Da war Fräulein Klimke in ihrem Element, wenn sie mit uns die Landschaften in unserem Heimatkreis durchpaukte: das Seengebiet um Schlesiersee - die Carolather Heide - der Glogauer Stadtforst - die Oderniederung mit der Stadt Glogau - die Dalkauer Berge oder das Katzengebirge - der trockengelegte Sprottebruch - der Töppendorfer Forst - das Gemüseland um Gramschütz und Vorbrücken - und der Schwarze Winkel. Das muss gehen wie aus der Pistole geschossen, war ihre Devise. Dabei gab sie mit der geballten Faust und dem Arm den Takt an. Nicht anders verhielt es sich mit den Landschaften in Schlesien oder den Nebenflüssen der Oder. Auch in der Pflanzenkunde war sie sehr bewandert und wer Lust hatte, konnte mit ihr nachmittags rund ums Dorf manches Pflänzlein erklärt bekommen. Ich möchte sie als meine liebste Lehrkraft bezeichnen. Selbst nach der Vertreibung ist sie noch mit ehemaligen Schülern in Ebersdorf bei Coburg spazieren gegangen und hat dabei Unterricht erteilt. Sie war am 9. Januar 1928 nach Gramschütz gekommen und verstarb am 24. Juli 1945 mit knapp 51 Jahren und ist in Ebersdorf beerdigt. Als Vorzeichen des verheerenden Krieges möchte ich jenen Vorfall bezeichnen, bei dem der im ganzen Dorf beliebte Kantor Richard Berndt am 28. August 1936 unglücklicherweise bei einer Luftschutzübung seine rechte Hand verlor. Trotzdem übte er sein Amt als Schulleiter bis zum 1. Oktober 1937 in Gramschütz aus. Er war hier seit dem 1. Oktober 1930 tätig und kam aus Schönau im Kreis Glogau. Sein Nachfolger war Kantor Hans Polte, der aus Greiffenberg kam. Er war mein letzter Lehrer von 1939 bis 1942, der auch ein guter Lehrer und Erzieher war und mir den letzten Schliff fürs spätere Leben gab. Der Schulraum war gleich links, gegenüber dem Schulgarten. Am 1. September begann dann der 2. Weltkrieg, was sich auch gleich in unserer Schule bemerkbar machte. Der Leiter unserer katholischen Volksschule, Kantor Georg Kantschick wurde zum Wehrdienst einberufen und die katholische Schule aufgelöst, ihre Schüler mussten von unserer evangelischen Schule übernommen werden. Die Folge war, dass die Klassenräume nun überfüllt waren. Zu unserer Klasse zählten ab jetzt über 50 Schüler. Trotzdem verlief der Unterricht ordnungsgemäß, was für die Lehrkräfte nicht immer einfach zu bewältigen war. Aber es ist immer alles gut verlaufen und hat auch unter uns Kindern, trotz der gemischten Religionen nie Zwistigkeiten gegeben, was auch nie im dörflichen Leben der Fall war, wir waren eben gute, verträgliche Gramschützer. - Jetzt kamen als neue Fächer Naturlehre und Raumlehre dazu. Selbstverständlich wurde auf das Zeitgeschehen großen Wert gelegt. Gesungen wurde natürlich während der ganzen Schulzeit. Im letzten Schulraum stand ein Klavier, das dabei gute Dienste leistete. Zweimal in der Woche war Turnen angesagt, bei Jungen und Mädeln. Da zogen wir dann in Dreierreihen mit einem Lied auf den Lippen zum Schultor hinaus Richtung Turnwiese bei der Molkerei. Die blauen Dragoner sie reiten" oder Ein Heller und ein Batzen , das reichte gerade bis da hin, wo mit ein paar Lockerungsübungen begonnen wurde. Hin und wieder wurden auch leichtathletische Übungen gemacht, aber meistens wurde Völkerball oder Fußball gespielt. Wenn es regnete, stand uns in den ersten Jahren noch die Turnhalle zur Verfügung. Das änderte sich aber bald, da diese dann als Unterkunft für die Kriegsgefangenen diente, die bei den Bauern arbeiten mussten. - Am 28.März 1942 war mein letzter Schultag. Die gesamte Gemeindevertretung war anwesend und in einer kleinen Feierstunde wurden wir mit dem Abschlusszeugnis entlassen und ins fernere Leben hinausgeschickt, in eine ungewisse Zukunft. Manchen Klassenkameraden, besonders von den älteren, mit dem man enge Freundschaft geschlossen hatte, kam nicht mehr heim.

Letzte Erinnerung sind noch die Klassenfotos, da manchmal sich ein Fotograf einfand. Auch Kantor Hans Polte ist noch auf einem der letzten Bilder zu sehen. Er landete nach dem Krieg in Springfield im Staate Ohio (USA), wo er im Sommer 1961 verstorben ist. Es gäb noch manches aus meiner Schulzeit in Gramschütz zu berichten, ich könnte einen kleinen Roman schreiben, wenn man auf alles genau eingehen wollte. Das würde aber hier den Rahm sprengen. So will ich zum Schluss noch einmal Oskar Hoffmann zitieren, mit dem ich auch begonnen hatte. Er schreibt, was auch für diesen Bericht gilt: Was kann es Lebendigeres geben als eine Schule! Sie ist im wahrsten Sinne ein Organismus, lebendiges Ganzes, das Leben in sich trägt und Leben weitergibt, geistiges Leben. Wie viele Menschen unseres Dorfes hat unsere Schule fürs Leben gebildet und geformt! Dankbar schauen wir alle auf die Schule und ihre, unsere Lehrer und Erzieher zurück.

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