Der Kampf um die Festung Glogau
In den ersten Monaten eines jeden Jahres überfällt uns immer wieder der Gedanke an Schlesien, unsere verlorene Heimat, an die Vertreibung, an Glogau. Unser Heimatfreund K. Stühler, selbst als Pionier in Glogau eingesetzt, hat während der vergangenen 13 Jahre in mühevoller, intensiver Suche die Kämpfe um die Festung Glogau vom Herbst 1944 bis zur völligen Zerstörung und Eroberung der Stadt durch die Russen rekonstruiert und aufgezeichnet. Unter Verwendung von verstreuten Zeitungsmeldungen, von Berichten ehemaliger Kriegsteilnehmer und Publikationen verschiedener - auch polnischer - Autoren hat er Stück für Stück alle Aussagen zu diesem Thema zusammengetragen. Aus der Fülle dieses Materials und den zahlreichen Einzelheiten haben wir versucht, den Ablauf des Endkampfes um Glogau für die Leser unseres Neuen Glogauer Anzeigers aufzubereiten. Dabei mussten viele Informationen, die nur für einen kleinen Kreis von direkt Betroffenen wichtig sind, unberücksichtigt bleiben. Wer weitere Informationen zu Einzelheiten dieser Ereignisse oder zu bestimmten Personen wünscht, kann sich an Hfrd Stühler wenden, der gerne Einsicht in seine umfassenden Aufzeichnungen gibt. Ihr Glogauer Heimatbund
Die Verteidiger der Stadt
Glogau war früher eine Festung, wurde aber von 1902 bis etwa 1913 entfestigt", die Festungsanlagen wurden weitgehend beseitigt. Erst im Herbst 1944 wurde Glogau im Rahmen eines Guderian-Planes" zur Befestigung der Ostgrenzen wieder zur Festung erklärt. Im Rahmen eines Äußeren Verteidigungsgürtels" wurden Panzergräben und Feldstellungen ausgehoben und die vorhandenen Kasernengebäude (Lüttich-, Hindenburg- und Brückenkopfkaserne) dabei als Schwerpunkte einbezogen. Innerhalb der Stadt war ein Innerer Verteidigungsring" vorgesehen, dessen Verlauf etwa dem der alten Festungsanlagen entsprach. Sein Ausbau mit Barrikaden, Laufgräben und unterirdischen Verbindungswegen über Kellerdurchbrüche begann aber erst, nachdem Glogau völlig eingeschlossen war. Für diese Arbeiten wurde vorwiegend der Volkssturm eingesetzt. Der Kampfwert dieser Feldanlagen war gering, zu keinem Zeitpunkt gab es in Glogau moderne, festungsartige Verteidigungsanlagen. Es mangelte an schweren Festungswaffen, die Stärke der Festungsbesatzung war sehr gering, es gab z.B. auch keine Panzerjägerabteilungen usw. Trotzdem hat sich die Festung Glogau 7 Wochen lang gegen einen zahlenmäßig und in seiner technischen Ausrüstung weit überlegenen Feind gehalten. Mitte bis Ende Januar 1945 durchzogen ständig Flüchtlingstrecks aus den Ostgebieten die Stadt und auch Teile des zerschlagenen 24. Pz. Korps ziehen sich nach Glogau zurück. Sie werden in Glogau aufgefrischt", neu organisiert und wieder im Raum Glogau zur Verteidigung eingesetzt. In dieser Zeit ist Generalleutnant Nickel als ranghöchster Offizier Kommandant der Festung Glogau. Es gelingt ihm, die nach Glogau zurückflutenden Wehrmachtsteile neu zu formieren und daraus 22 Bataillone aufzustellen, die aber nicht zur Verteidigung von Glogau verfügbar waren. Teile des Inf. Reg. 124 der 72. ID unter Major Press bleiben in Glogau zur Verteidigung des Brückenkopfes an der alten Oder. Die anderen sollten den sowjetischen Brückenkopf bei Steinau beseitigen, was aber nicht gelang. In Glogau musste der Brückenkopf an der alten Oder aufgegeben werden. Die verbleibenden Einheiten ziehen sich zurück. In der Festung Glogau verbleibt aber nur die Festungsbesatzung unter Oberst Schön, der am 12. Februar 1945 fiel, bzw. unter seinem Nachfolger Oberst Jonas Graf zu Eulenburg, der bis zur Kapitulation letzter Festungskommandant ist. Die Frage, wer zu welchem Zeitpunkt der Kämpfe um Glogau Festungskommandant war, ist unklar. Kurzzeitig waren auch ranghöhere Offiziere in Glogau, aber offenbar nicht immer als Festungskommandant.. Ende Januar 1945 wurde die Stadt Glogau bei eisiger Kälte (unter -20° C) vor der heranrückenden Front der sowjetischen Armee geräumt. Nur etwa 2500 Zivilisten bleiben zurück. . Die Festungsbesatzung besteht jetzt aus dem Pionier-Ersatz- und Ausbildungsbataillon 213, einem ROB-Lehrgang und der Pionierkompanie 61 des Festungspionierstabes 9. Außerdem gehörten zur Festungsbesatzung das Festungsinfanteriebataillon 1445, das Landeschützenbataillon 1091, die Festungsartillerieabteilung 61 sowie Transport- und Versorgungseinheiten und 5 Volkssturmbataillone. Die Gesamtstärke der Besatzung betrug 6000 - 7000 Mann, davon waren aber nur 1500 kampferfahren (grabensicher"). Die Bewaffnung der Festung Glogau mit Geschützen war mangelhaft. Es gab während der Belagerung durch die Russen nur noch einige Flakgeschütze. Alle schweren Waffen wurden schon zu Beginn der Belagerung durch Feindeinwirkung zerstört, Für die Versorgung der Stadt wurden bereits von Oktober 1944 bis Januar 1945 die umliegenden Heeresverpflegungslager in die Stadt überführt, so dass die Verpflegung während der langen Belagerungszeit gesichert war. Bis zur Zerstörung der Druckerei der Nordschlesischen Tageszeitung am Markt konnte der Glogauer Festungsbote" mit Wehrmachtsberichten sowie Anordnungen und Bekanntmachungen des Festungskommandanten gedruckt und kostenlos verteilt werden. Für die medizinische Versorgung der Verwundeten hat sich der Chefarzt Dr. med. Heinrich H. Herfahrt mit seiner Sanitätskompanie sehr verdient gemacht. Das Standortlazarett in der Herzog-Konrad-Straße im Süden der Stadt wurde aufgegeben. Der Hauptverbandsplatz befand sich nach der Einkesselung von Glogau in den Kellern des Rathauses und in benachbarten Kellern. Nebenverbandsplätze wurden in der Pestalozzi-Schule und in den Kellern der Garnisonkirche und den Katakomben der Jesuitenkirche eingerichtet. Das Scheitern des Gegenstoßes der 16. Pz. Division von Glogau aus gegen den sowjetischen Brückenkopf bei Steinau Anfang Februar 1945 führte zum Rückzug der deutschen Truppen. Die Oderlinie konnte nicht mehr gehalten werden, die Russen stoßen bis an die Flüsse Bober und Queiss vor. Glogau wird am 11. Februar 1945 eingeschlossen, auch der Brückenkopf an der alten Oder muss am 12. Febr. aufgegeben werden. Die Festungsgrenze verläuft jetzt im Norden entlang der Dominsel, im Osten, Süden und Westen entlang des äußeren Verteidigungsringes von der Schiffswerft Zarkau über die Lüttichkaserne, das Stadion, die Promenade, die Hindenburgkaserne und dem Bahnhofsgelände bis zur Oder. Damit begann die Vernichtungsschlacht um die Festung Glogau. Die Belagerer waren in einer strategisch günstigen Position. Von der Bismarckhöhe konnten sie alle Operationen leiten und koordinieren und deren Wirkung direkt beobachten. Es gab schon zu Beginn der Belagerung einen umfassenden Beschuss, um die Festung möglichst schnell einzunehmen und die hier gebundenen Truppen für den weiteren Vormarsch in Richtung Berlin freizubekommen. Es gab gewaltige Feuerschläge, dabei wurden auch die von den Russen unversehrt eingenommenen deutschen Heeresbestände des Munitionslagers bei den Gurkauer Bergen eingesetzt. Zuerst wurden alle Kirchtürme und erhöhten Gebäude der Stadt zusammengeschossen. Ende Februar 1945 stand auch der Glogauer Dom in Flammen. Zum Masseneinsatz der Artillerie kommen die ständigen Bombenangriffe. Da es keine Luftabwehr mehr gibt, können die sowjetischen Bomber ununterbrochen und ungehindert auch am Tage die Stadt überfliegen und ihre Bomben abwerfen. Viele Häuser brennen, die Struktur der Stadt wird zunehmend zerstört.
Der Volkssturm
Der Volkssturm wurde im gesamten Reichsgebiet im Oktober 1944 durch Führererlass" zur Verteidigung des Heimatbodens" ins Leben gerufen. Betroffen waren alle bis dahin nicht eingezogenen Männer von 16 - 60 Jahren. Es gab aber auch welche, die 14 -16 alt oder über 70 waren. Taugiich war jeder, der Wach- und Sicherheitsdienste versehen konnte. Eingegliedert in den Glogauer Volkssturm waren auch Angehörige der Ordnungspolizei, der Feuerwehr, der Technischen Nothilfe und der Reichsbahn. Grundeinheit des Volkssturmes war das Bataillon mit 4 Kompanien aus 3-4 Zügen und einer Gesamtstärke von 400 bis 500 Mann. Die militärische Befehlsgewalt über den Glogauer Volkssturm hatte Oberstleutnant Nitschke. Die Ausrüstung (Bewaffnung) und militärische Ausbildung waren mangelhaft. Uniformen waren zunächst nicht vorhanden. Bekleidung und Ausstattung wurde den Volkssturmangehörigen selbst überlassen. Es war also eine zusammengewürfelte, bunte" Truppe, zusammengehalten von der Pflicht zur Verteidigung des Vaterlandes und dem Schutz der Heimat. Ihr einziges Erkennungszeichen war anfangs nur eine Armbinde mit der Aufschrift Deutscher Volkssturm Wehrmacht". Dieses Zeichen wurde von der Roten Armee nicht anerkannt. Gefangene Volkssturmmänner wurden deshalb wie Partisanen behandelt und meist umgebracht bzw. erschossen. Es ist nicht verwunderlich, dass es aus dieser Zeit der beginnenden Auflösung des Großdeutschen Reiches" zum neu geschaffenen Volkssturm kaum schriftliche Aufzeichnungen oder Unterlagen gibt. Was heute darüber bekannt ist, stammt meist aus Berichten überlebender Volkssturmmänner. In Glogau waren zu dieser Zeit 5 Volkssturmbataillone eingesetzt mit einer Gesamtstärke von etwa 2000 Mann. Ihre Hauptaufgabe war zunächst, den Verteidigungsgürtel der Stadt aus einem äußeren und inneren Verteidigungsring mit Barrikaden, Kellerdurchbrüchen und Stellungen auszubauen. Beim Heranrücken der Front wurde der Volkssturm aber zunehmend auch in Kampfeinsätze einbezogen. In Schnellkursen und an Wochenenden wurden sie eingekleidet und an ihren Waffen (Gewehre, MGs, Handgranaten, Panzerfäuste) ausgebildet. Ende Januar 1945 überschritten sowjetische Truppen bei Steinau die Oder. Bei ihrem weiteren Vorstoß wurde das Volkssturmbataillon Krossen" völlig aufgerieben. Das Bataillon Glogau-Stadt wurde am 1. Februar zur Bismarckhöhe verlegt, die dort liegende Wehrmachtseinheit wurde zurückgenommen. Den anrückenden kampferprobten sowjetischen Truppen standen dort dann nur noch die unerfahrenen, schlecht bewaffneten Volkssturmmänner gegenüber. Auf den Höhen südlich von Friedenshagen (Jätschau) kam es zu schweren Kampfhandlungen. Am 10. Februar waren von etwa 500 Männern des Volkssturmbataillons Glogau Stadt nur noch 70 am Leben. Die Reste des Bataillons mussten sich zunächst nach Rauschenbach zurückziehen. Auch die anderen deutschen Einheiten zur Verteidigung von Glogau zogen sich an den Stadtrand zurück, Glogau war eingeschlossen.. Die Reste des Volkssturmbataillons wurden zur Auffrischung in die Innenstadt beordert und kamen dann nur noch in Kompaniestärke zum Einsatz, z.B. auf der Dominsel, im Bahnhofsgelände, an der Lüttichkaserne, am Pionierwäldchen. Der 31. März 1945 ist das Ende des Volkssturmbataillons Glogau. Bis zur Kapitulation werden das Kreishaus und andere kleine Stützpunkte in der Stadt von Volkssturmmännern und Wehrmachtsangehörigen heftig verteidigt. Am Ende ist die alte Oderfeste nur noch ein Trümmerfeld. Die überlebenden Verteidiger kommen in russische Gefangenschaft. Fortsetzung folgt &