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Archibald v. Keyserling entstammte einem alten kurländischen Adelsgeschlecht, das im Spätmittelalter aus dem Tecklenburger und Osnabrücker Land hierher eingewandert war. 1631 erhielt Johann v. Keyserlingk das Indigenat (= Bürgerrecht des Adels, mit dem Recht den polnischen König zu wählen) für Kurland und Polen, somit konnte die Familie in beiden Ländern hohe Ämter innehaben. Archibalds Vater, Otto Ernst v. Keyserling (1708-1790), hatte sich 1739 an den königlich polnischen Hof nach Warschau begeben und war seit 1744 als Kammerjunker tätig. 1752 erfolgte seine Ernennung zum königlich polnischen Kammerherrn. 1758 verließ er den Hofdienst und heiratete Helene Freiin v. Gibson, die ein beträchtliches Vermögen in Form von Gütern im Königlichen Preußen (= das spätere Westpreußen, die Gutsherrschaft Paparczyn und Leistenau, bei Kulm) in die Ehe einbrachte. Hier wurde auch der Sohn Archibald (*11.11.1759) und seine beiden Geschwister geboren.
Kurz nach dem Regierungswechsel in Polen von den sächsischen Wettinern zu Stanislaw II. August Poniatowski, dem Günstling und Kandidaten der russischen Zarin, kam es zu Streitigkeiten innerhalb des Adels, da die katholische Seite die garantierten Rechte der sogenannten Dissidenten (= Nichtkatholiken) beschneiden wollte. In der sog. Kron-Konföderation verbanden sich die protestantischen, polnischen Adeligen und bildeten auch in Thorn unter dem Generalleutnant und Starosten (Landrat) von Tuchel, Georg Wilhelm Freiherr von der Goltz einen lokalen Adelsbund. Nach dessen Tod übernahm sein Bruder, der polnische Generalleutnant und Starost von Graudenz, August Stanislaus Freiherr von der Goltz, Otto Ernst v. Keyserlings Schwager, die Führung. In dessen Auftrag reiste v. Keyserling mit dem Danziger Sekretär Joachim Weickmann nach Moskau, um bei der Zarin Katharina vorzusprechen. Die Zarin erwirkte, nach einem langwierigen Konföderiertenkrieg, das Fortbestehen der Gleichheit von Katholiken und Dissidenten (1775). Keyserling erhielt bereits 1768 seinen Dank vom König, indem ihn Stanislaw II. August zum Oberjägermeister der Danziger Niederung ernannte, wodurch ihm eine Einnahme von 16.000 polnischen Gulden zufiel.
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Mit der 1. Teilung Polens (1772) wurde das polnische Königliche Preußen (= später Westpreußen genannt) Bestandteil des Königreichs Preußen und damit Friedrich II. zum neuen Herrn der v. Keyserling. Der König erkannte seinen Adel nicht nur an, sondern er erhob ihn und seine Nachkommenschaft am 8.2.1777 zum Grafen. Gleichzeitig übertrug der preußische König ihm die Herrschaft über Neustadt (Wejherowo) in Westpreußen.
Sein Sohn Archibald trat im Juni 1778 in das preußische Dragonerregiment v. Bosse ein. Auf Anordnung Friedrich II. wechselte er dann in den diplomatischen Dienst (1784 Erhebung zum Kammerherrn) und wurde 1793 zum Hofmarschall des Prinzen Ludwig (gen. Louis) v. Preußen (1773-1796) ernannt. Nach dessen frühem Tod diente er dessen Witwe bis zu ihrer Wiederverheiratung im Jahr 1798. U.a. war er als Postillion d’amour im königlichen Auftrag tätig. Die verwitwete Prinzessin Friederike v. Mecklenburg-Strelitz (1778-1841) sollte einen englischen Prinzen heiraten, und da ihr Hofmarschall durch seine längere Bildungsreise beste Kontakte zum englischen Hof hatte, wurde er beauftragt, in London zu sondieren, ob eine Verbindung mit den Hohenzollern möglich wäre. Die eigenwillige Prinzessin heiratete dann letztendlich doch einen anderen Mann ihrer Wahl, aber als Dank für seine Dienste erhielt v. Keyserling die Primenter Klostergüter (Kreis Bomst) zu dem Vorzugspreis von 40.000 Taler angeboten. Der König hatte kurz zuvor die Klöster in den polnischen Teilungsgebieten enteignen lassen und beschenkte damit seine Günstlinge reichlich, um darüber hinweg zu täuschen, dass seine Politik wenig erfolgreich war und er an den Glanz seines großen Vorgängers und Onkels, des Alten Fritz, nicht heranragte.
Um den Kaufpreis aufbringen zu können, musste er die Güter verkaufen, die seine Frau mit in die Ehe eingebracht hatte. Ernestine Konstantine v. Kalckreuth (1765-1807) hatte von ihrem Vater, dem Grafen Hans Ernst Emil v. Kalckreuth (1728-1792) auf Siegersdorf (Kr. Freystadt), die Güter Borkau (Borek), Sabor (Zabornia), Weißholz (Bialoleka) sowie Groß und Klein Weidisch (Widziszow) im Kreis Glogau als Mitgift erhalten. Nachdem er vom Vater die westpreußischen Güter Lunau und Paparcyn geerbt hatte, hat er diese gegen die Güter Alt und Neu Strunz getauscht, um seinen Gutsbesitz im Kreis Glogau abzurunden. Dies erwies sich jedoch als ein sehr schlechtes Geschäft. Er selbst bezifferte den Verlust mit 20.000 Talern, und diesen Verlust sollte der günstige Erwerb der Primenter Klostergüter ausgleichen.
Ob v. Keyserling die Güter in Priment selber bewirtschaftete, ist nicht zu erkennen, es ist möglich, dass er bereits zu diesem Zeitpunkt im nahen Alt Strunz residierte. In der Familienchronik heißt es knapp, er hätte Priment (Przemet) und Altkloster (Kaszczor) wirtschaftlich auf Vordermann gebracht und 69 deutsche Familien angesiedelt.
All zu lange konnte sich v. Keyserling seines neuen Besitzes nicht erfreuen, denn nach dem Tod König Friedrich Wilhelm II. (1744-1797) versuchte dessen Sohn Friedrich Wilhelm III. (1770-1840) die vom Vater verschleuderten Güter, soweit es möglich war, zurück zu erhalten. Der Fiskus focht daher den Vertrag mit v. Keyserling an, bestritt die vorgenommene Grenzziehung und forderte die Übergabe eines bedeutenden Anteils des Waldes, der offensichtlich kurz darauf als Oberförsterei Mauche organisiert wurde. Weiterhin forderte der Fiskus von Keyserling, dass er nun neben seiner eigenen weltlichen Steuer auch die geistliche Steuer für das Kloster zu zahlen habe. Als weitere Auflage wurde er verpflichtet, das benachbarte Obrabruch trocken zu legen. Damit verleidete man ihm gänzlich die Primenter Güter, und er gab sie gegen eine Zahlung von 160.000 Talern zurück. Der Fiskus behielt aber 10.000 Taler für rückständige und laufende geistliche Steuern ein, wogegen v. Keyserling vergeblich Einspruch einlegte. Erst seinem Sohn gelang es, dieses vertragswidrig geforderte Geld zurück zu erhalten. Dennoch kann man abschließend sagen, war der Erwerb der Klostergüter für ihn ein lukratives Geschäft.
Von dem Überschuss erwarb er von dem polnischen Adeligen v. Radonski für 125.000 Taler die Herrschaft Targowa-Gorka bei Schroda im Posenschen. Diese trat er 1807 an seinen Sohn ab, da laut Erlass Napoleons ein polnischer Untertan nicht zugleich Besitz in Polen und in Preußen haben durfte. Seither lebte er in Alt Strunz. 1815 muss er auch die Strunzer Güter verkaufen. Während der Befreiungskriege, den Kämpfen um Glogau, war das Gut so zerstört worden, dass er die Schulden für den Wiederaufbau nicht mehr bezahlen konnte. Er zog sich auf das Gut Blumenau bei Striegau zurück, das seine zweite Frau, Wilhelmine Amalie Henriette Gräfin v. Dohna (t 1845), mit in die Ehe eingebracht hatte. Am 28.11.1829 verstarb Archibald Nicolaus Gebhard v. Keyserling in Breslau.
Dr. Martin Sprungala
Heinrichstr.56, 44137 Dortmund
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