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Ja so war es bei uns zuhause, wenn es vom grauen Himmel herunter stöberte und die Erde sich eine dicke Schneejacke überzog. Deswegen habe ich wo es ging auf die Sauberkeit unserer Straßen - eine „Eigentümlichkeit" nicht nur in Glogau, sondern überall im Osten - als besonderen Vorzug hingewiesen. Es war bei uns nicht nur im Sommer so, dass die „Besenschwenker" schon früh am Morgen antanzten und den Fahrdamm mit weitem Schwung ihrer großen Pinsel reinfegten, sondern auch im Winter; wurde es gar zu arg mit dem Schnee, dann rückten die Kolonnen mit ihren Wagen an, rauf mit dem Schnee und fort damit auf den Platz zwischen Breslauer Bahnstrecke und Friedrich-Ebert-Straße, der noch künftiger Bebauung harrte. So, dort lag er bis das Quecksilber im Thermometer stieg und Tauwetter ansagte.
Aber warum soviel Aufhebens von einer Selbstverständlichkeit machen, wie es eine geordnete Straßenpflege im Winter - dann nämlich vor allem - und im Sommer fordert? Ganz einfach deshalb, weil ich sehr lebhafte und verkehrsreiche Städte kenne, in denen diese Forderung wohl besteht, aber nicht zu Maß und Recht erfüllt wird, besonders, wenn die Straßenglätte sorgliches Bestreuen der Fußgängerwege und Übergänge fordert. Als Leidtragender dann unvermeidlicher Unfälle weiß man solchermaßen erfüllte Pflicht wie daheim wohl zu schätzen.
Und ist es nicht ein ganz anderes Spazierengehen am Sonntagnachmittag mit der lieben Hälfte, wenn man sich nicht aneinander zu klammern braucht, um nicht auszurutschen - oder beide hinzufallen. Machen wir mal so einen Spaziergang durch die Straßen, vielleicht bis zur Plantage und wandeln die Promenadenstraße entlang. Freilich, im Sommer unter den grünem Baumkronen, wie sie das erste Bild in Erinnerung ruft, ist der Weg wohl noch schöner, aber sehen wir uns das zweite Bild mit der Promenade im Winter an, hatte sie dann nicht auch ihre Reize? Gewiss doch, es ist, als ob die Bäume frieren, aber wenn die Sonne über die weiße Fläche schien, die dicken Schneepolster an Stämmen und auf Zweigen glänzten und glitzerten, dass das Auge geblendet wurde - nein, auch der Winter hüllte unsere Promenade in Schönheit. Wir wandeln gemütlich dahin, ein Windhauch stäubt von den Zweigen etwas von der weißen Pracht und schmückt unsere Mäntel und Hüte. Vorbei an Garnison und alten evangelischen Friedhof, hinüber zum Schwibbogen und durch ihn hindurch und schon hallt uns vergnügtes Schreien und Lachen entgegen, auf der Rodelbahn herrscht tolles Leben. Frühe Jugend und vorgerückte Jugend in Röcken und Hosen, die Schlitten sausen die Bahn hinab, ach du meine Güte, die Bahn ist wunderschön, aber sie ist viel zu schmal geraten und viel zu kurz. Rutscht ein Schlitten mal aus in die Beine der Zuschauer des Treibens, gibt’s ein Gejohle, aber kein böses Gezeter, wenn’s nicht gerade über die Zehen eines Rodelbahnbummlers ging.
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Dann richten wir unsere Schritte nach der verlängerten Königstraße und beim Anblick der Pestalozzischule steigt vielleicht manchem begeisterten Wintersportler eine Erinnerung auf. Der Platz, der nun diesen monumentalen Bau trägt, war in den zwanziger Jahren noch ungenutztes Freiland, und da daheim für Schlittschuhlaufen und Rodeln noch kein rechtes Feld vorhanden war, kam ich auf den Gedanken, auf dem Platz ein Eislaufturnier zu veranstalten. Der Niederschlesische Anzeiger nahm die Sache „in die Hand„, es wurden einige Preise vom Flemminghaus ausgesetzt, die Beteiligung der Eislaufkünstler war recht gut und die Leistungen, wenn auch nicht gerade Berühmtheiten liefen, waren nicht schlechter. Im Anschluss gingen Freunde des kalten Sports in das Hotel Hindenburg und dort gründete sich ein Eislaufsportverein, der aber bald wieder auf Eis gelegt wurde, weil es eben daheim am rechten Gelände fehlte und der Winter für ausgiebiges Üben zu kurz war. Später half man sich so, dass der Tennisklub seinen Platz nahe dem Goethe-Tempel zur Verfügung stellte, da wurde die Bahn gegossen und nun tummelte sich das, was stahlbeschwingte Beine hatte, dort, wo sonst die Bälle flogen. Hätte nicht das Schicksal in nahender Zeit verhängnisvoll die Würfel geworfen, dann, wäre wahrscheinlich auf dem Schenkendorfplatz, unserer mustergültigen Sportarena, noch ein Feld für den Wintersport angelegt worden. Unsere Stadtväter waren ja in der Beziehung wie in anderer nicht harthörig.
So, unser Winterspaziergang ist zu Ende - zwar sind die Füße etwas kalt und die Nasen rot geworden, aber zu Hause zu sitzen ist es eigentlich noch etwas zu früh. Gehen wir noch das kleine Stückchen die Hohenzollernstraße hinaus zum Bahnhofsvorplatz und geben wir unserm Herzen einen Stoß: trinken wir unseren Sonntag-Nachmittag-Kaffee einmal in dem Wartesaal des neuen Bahnhofes. Wohlige Wärme umfängt uns und sieh an, vom Büfett her winkt uns der Pächter Boesel entgegen, der bereits im alten Bahnhof seine heimischen und fremden Gäste begrüßt hatte. Der Kaffee schmeichelt der Nase mit seinem Aroma, blaue Düfte der Beinah-Havana umhüllen die Häupter, langsam sinkt die Dämmerung auf das Rechteck des Vorplatzes hernieder, die Fahrgäste der Bahn ans der Umgegend und der weiten Ferne streben zu ihren Zügen, und wir wandeln nach Hause. Drüben steigt Frau Luna am kaIten Winterhimmel empor und übergießt die Erde mit ihrem matten Schein, den Schnee mit bläulichem Schimmer überziehend. Vom Tageslauf froh, drücken wir uns daheim im warmen Zimmer in den behaglichen Sessel. Draußen hat sich der Mond hinter eine Wolkenwand verzogen, aus der es wieder niedersinkt: Leise rieselt der Schnee…
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