Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 5, Mai 2005

Auch das war Glogau!

Dieser oder jener wird vielleicht in der März-Ausgabe des "NGA" unter "Unsere Verstorbenen" den Hfrd Bruno Anderseck, vorm. Glogau, Holteistr., entdeckt haben, geb. 14.02.1916 verst. 22.01.2005! Ich erwähne dies deshalb, weil er in den 1930iger Jahren für viele kath. Jugendliche eine führende Persönlichkeit und Vorbild war. Noch 3 Wochen vor seinem Tod hatte ich mit ihm telefonisch vereinbart, dass wir einen Beitrag über die kath. Sturmschar von Glogau im NGA bringen wollten. Das Heutige kann nur Stückwerk sein. Bruno Anderseck war viele Jahre Leiter der genannten Gruppe und hat sich mit seinem Führungsstil auch in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus große Verdienste erworben. Sein Vater war 1916 gefallen. Bruno Anderseck lernte Elektriker bei der Fa. Baumert, Breslauer Str., wo er auch nach der Lehre weiter arbeitete. Er führte uns klug und besonnen und hatte ein starkes Durchsetzungsvermögen. Die kath. Sturmschar entstand etwa 1927 und gehörte dem kath. Jungmännerverband Deutschlands an. (Ähnlich wie "Neudeutschland" und "St. Georgs Pfadfinder"). Ihren Ursprung hatte sie in der Wanderbewegung. Der Name Sturmschar galt als Vortrupp der kath. Jugendbewegung seiner Zeit. Führende Namen in der kath. Jugend Deutschlands waren Carl Mosterts, Generalpräses der KJV, der 1922 in Altenberg mit der Jugendseelsorge - und Bildung begann. Sein Nachfolger Ludwig Wolker (noch gut in Erinnerung) zentralisierte in Altenberg die Schulung der Jugendleiter in Deutschland. Die Ziele der kath. Jugendbewegung waren vorrangig: Glaubensvertiefung, christliche Haltung und Zeugnisbereitschaft , Förderung der Gemeinschaft, Kameradschaft und Nächstenliebe, aber auch Anleitung und Hilfe zu geben, für Beruf und Alltag. In Glogau waren wir 30 Jungmannen und damit ein kleines Bollwerk gegen die übermächtige Hitlerjugend. Unsere Kluft bestand aus kurzen grauen Manchesterhosen und hellblauen Hemden mit schwarzen Knöpfen. Das hier Geschriebene geschah in Absprache mit Vinzenz Ulbrich, jetzt Halle/S. und Herbert Lüdicke, jetzt Meiningen. Uns sind noch folgende Namen im Gedächtnis: Herde, Horn, Machowiak, Scheithauer, Stritzke (jahrelanger Gruppenleiter der Bez. Gruppe Hannover), Unglaube. Weil mein Name zu lang erschien, wurde ich Schimo genannt, Machowiak: Macho, Präses der Jugend der Stadtpfarrgemeinde waren die Kapläne Robert Pawlik und Heinrich Theissing, zwei beliebte und geschätzte Geistliche. Ich erinnere mich an manche mutige Predigt R. Pawliks, wo er in einer einmal sagte: "Schreiben Sie ruhig mit, meine Herren". Wir bangten manchmal um eine mögliche Abholung durch die Gestapo. Das Leben in unserer Gruppe mit Bruno Anderseck war vielfältig, z.B. Bibelstunden, Mitgestaltung von Liturgischen Feiern, gemeinsames Beten und Singen, Ausflüge, Zeltlager, Stadtspiele, Elternabende im Kolpinghaus (hier sang ich einmal: "Gold und Silber lieb ich sehr") und nicht zuletzt Wallfahrten. Eine lange Tradition hatte die Wallfahrt jeweils am 8. September zum Fest "Mariä Geburt" nach Hochkirch, meistens per Rad. Aus Glogau und Umgebung pilgerten Hunderte von Gläubigen dorthin. Für uns Sturmschärler war diese Fahrt besonders reizvoll. Konnten wir uns doch bei Bäckermeister Lüdicke, dem Vater unseres Herberts, mit Kuchen und Semmeln stärken. Einen hohen Stellenwert hatte die jährliche Wallfahrt der kath. Jugend Schlesiens nach Wartha im Glatzer Bergland, die fast immer von Adolf Kardinal Bertram mitgetragen wurde.

2 Episoden zum Abschluss:

Die Hitlerjugend hatte schon oft versucht, unsere Gruppentreffen (an der Stadtpfarrkirche) zu stören. Einmal kam es zu einer handgreiflichen Prügelei, wo wir die Angreifer bis zum "Schifflein Christi" verfolgten.

Episode 2: Vinzenz Ulbrich und Herbert Lüdicke wurden 1936 zu einem Lehrgang in das Diözesan-Jugendheim Neurode (nördl. v. Glatz) delegiert. Als die beiden nach langer Radtour dort ankamen, war das Heim von der Gestapo besetzt. (Auswirkung des Verbots öffentlicher Auftritte seit 1935). Unsere Jungmannen machten aus der Not eine Tugend und radelten weiter nach Wartha, Tschenstochau, Ratibor (Besuch der Oma), Brieg, Breslau und nach Glogau zurück.

Am 26. Januar 1939 wurden mit dem kath. Jungmännerverband auch die Sturmscharen vom NS-Regime aufgelöst.

Da keine zweckmäßigen Unterlagen im Nachlass von Bruno Anderseck (zuletzt wohnhaft in Ribinitz-Damgarten) gefunden wurden, müssen diese Aufzeichnungen leider lückenhaft bleiben. Andererseits sind sie, wie wir hoffen, ein Stück Glogau. Vielleicht gibt es Leser dieser Zeilen, die noch mehr wissen oder manches miterlebt haben. Für Wortmeldungen sind wir sehr dankbar.

Bruno Anderseck wollen wir in dankbarer Erinnerung behalten.

Im Namen von uns 3 grüßt herzlich

Euer Hans-Günter Szymanski, der Schimo!

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