Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 12, Dezember 2004

Auf unbekannten Wegen zu neuen Zielen

Erlebnisse am 1. Denkmaltag Niederschlesiens

Friedenskirche Jauer
Mit neuen Initiativen kann das historische Erbe Schlesien belebt werden. Der 1. Niederschlesische Denkmaltag bot einer breiten Öffentlichkeit am dritten Septemberwochenende erstmals Gelegenheit, zahlreiche schlesische Denkmäler aus neuer Perspektive kennenzulernen. Angeregt vom deutschen Partner HAUS SCHLESIEN richteten Organisationen in einem Dutzend Städte und Gemeinden einen “Tag des offenen Denkmals” aus.

Mit dem 1. Niederschlesischen Denkmaltag nahm die polnische Provinz Niederschlesien zum ersten Mal am Europäischen Denkmaltag, einer seit 1991 in ganz Europa durchgeführten Initiative des Europarats, teil. Alljährlich präsentieren die Teilnehmerländer eine reiche Fülle kulturhistorischer Zeugnisse mit unterschiedlichen Schwerpunktthemen.

Polen hatte 2004 den Europäischen Denkmaltag technischen Denkmälern und der Holzarchitektur gewidmet. In Deutschland war Wasser zum Leitmotiv erkoren worden. Beide Themen wurden in Niederschlesien bei der Auswahl der Denkmäler miteinander verbunden. Stephan Kaiser, der Museumsdirektor im HAUS SCHLESIEN, erläutert das Vorgehen: “Das Pilotvorhaben entstand in kurzer Vorbereitungszeit. Es ist optimal, dass wir viele engagierte Partner kennen. Die haben wir angesprochen und zum Mitmachen animiert. Meist mussten wir zuerst aufklären, was die Europaratsinitiative bezweckt und wie es funktioniert. Schnell ergab sich ein interessantes Programm. Durch das Patronat des niederschlesischen Woiwoden und des Marschalls der Woiwodschaft Niederschlesien wurde das öffentliche Interesse verdeutlicht. Finanzielle Hilfe leistete spontan das Sächsische Staatsministerium des Innern aus Dresden.”

Tatsächlich gab es dann ein erkennbares Interesse bis hin nach Sachsen, abseits bekannter Wege ein reichhaltiges Spektrum der schlesischen Kulturlandschaften zu entdecken. Großformatige Plakate wiesen bei Museen, Kulturhäusern, Schulen, Bushaltestellen u.ä. auf die 30 kostenfreien Führungen hin. Ihre zeitliche Staffelung bot sich für Rundfahrten zwischen den insgesamt 17 Standorten an, was dazu führte, dass sich manche Teilnehmer an verschiedenen Objekten trafen.

Entlang der Oder thematisierten Denkmäler von Breslau bis Steinau das Thema “Wasser”. Geöffnet waren das alte Wasserhebewerk in Schlesiens Hauptstadt und drei Schleusen unterschiedlicher Epochen. In Steinau ging es um die Geschichte der Straßen- und Eisenbahnbrücken.

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Friedenskirche Jauer
Einen eindrucksvollen Beitrag zur Holzarchitektur bot Kloster Leubus, wo die mächtige hölzerne Dachkonstruktion von Schlesiens größter Klosteranlage zugänglich war. Auch Schlesiens berühmteste Holzbauten, die Friedenskirchen der ehemaligen Fürstentumshauptstädte Jauer und Schweidnitz, wurden im Rahmen von Führungen durch Mitarbeiter des Lehrstuhles für Kunstgeschichte der Renaissance und Reformation am Institut für Kunstgeschichte der Universität Breslau vorgestellt. In hölzerner Bauweise aufgrund der Bestimmung am Ende des Dreißigjährigen Krieges errichtet, stehen die Fachwerkkirchen seit 2001 auf der UNESCO-Welterbeliste. Zusätzlich konnte man beim Regionalmuseum Jauer in der Restaurierungswerkstatt sehen, wie fachkundig dort Kunstwerke behandelt werden.

Einblicke in das industrielle Erbe Schlesiens boten die Porzellanfabrik und das Eisenbahnmuseum in Königszelt/ Jaworzyna Śląska. Bei Schweidnitz war die Zuckerfabrik Pszenno ein weiteres, gut besuchtes Ziel. Auch Werksangehörige verschafften sich kurz vor Beginn der Zuckerrübenkampagne einen Überblick, wie aus den heimischen Feldfrüchten der kristalline Zucker gewonnen wird. Etwas verstreuter waren die Objekte in den Gebirgsgegenden. Die Bober-Talsperre in Mauer und die Tirolerhäuser in Erdmannsdorf sind von Hirschberg aus gut zu erreichen. Viele Geschichten ranken sich um diese Bauwerke. Noch länger zurück reicht die Tradition der Papiermühle von Bad Reinerz. Alle drei Denkmalaspekte diesen Jahres vereinten sich in diesem heutigen Museumsbau, der kostenfrei an beiden Tagen allein über 600 Besucher anlockte.

Über die niederschlesische Woiwodschaftsgrenze hinaus beteiligten sich zwei Partner aus Neiße mit vier Führungen. Rund 100 Gäste wollten Näheres zum Ausbau des Glockenturmes von St. Jacobus als kirchlicher Schatzkammer erfahren, und 120 Teilnehmer machten sich zu einer besonderen Festungsführung auf.

“Wer Denkmäler kennt, versteht Geschichte”, heißt es. Insgesamt gewannen fast 2.000 Besucher bei herrlichem Spätsommerwetter neue Eindrücke. Jede intensive Beschäftigung läßt Bedeutung und Stellenwert von Denkmälern steigen. Im Umfeld von Breslau waren viele der Anregung gefolgt, einen Ausflug mit Familie und teilweise mit dem Fahrrad zu unternehmen. Wer sich so Kultur und Geschichte im Einklang mit der Landschaft widmet, für den werden die besichtigten Bauwerke zu wichtigen Zeugnissen. Doch es braucht immer Anlässe und Gelegenheiten, um Denkmäler persönlich aufzusuchen und dann zu erleben. Darum wird sich HAUS SCHLESIEN in enger Zusammenarbeit mit noch mehr örtlichen Partnern auch für den 2. Niederschlesischen Denkmaltag am 17. und 18. September 2005 einsetzen.

Das neue Programm wird zuerst im Internet unter www.hausschlesien.de publiziert.

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