Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 9, September 2003

Das Dorf Laubegast (Lubogoszcz)

An der Uferregion am Schlawaer See leben seit Urzeiten Menschen vor allem vom Fischfang und in geringerem Maße auch schon von der Landwirtschaft. Bei Laubegast hat man aus der Zeit um die Zeitenwende bronzezeitliche Funde der Lausitzer Kultur gefunden, die belegen, dass diese Region schon sehr lange von Menschen besiedelt wird. Aus dem 3. Jahrhundert wurden hier Relikte aus der Zeit der ostgermanischen Kultur gefunden. Schriftliche Zeugnisse stammen jedoch erst aus sehr viel späterer Zeit.

Im Jahre 1311 wird das Dorf Laubegast unter der Bezeichnung “Lubogost” in einer Urkunde genannt (KDW 2, Nr.940). In diese unruhige Zeit fällt auch die Gründung der Stadt Schlawa (Sława) nach Magdeburger Recht. Die Region um den Schlawaer See gehörte zu den zwischen Schlesien und Großpolen umstrittenen Grenzregionen. Das niederschlesische Herzogtum Glogau stand damals auf dem Höhepunkt seiner Macht, die bis nach Posen und Kalisch reichte. Herzog Heinrich (Henryk) III. war als Erbe des böhmischen Königs Václav (Wenzel) I. im Jahre 1305 auch in den Besitz von Großpolen gelangt. Mit seinem Tod im Jahre 1309 stand wieder einer der schwierigen Erbteilungen an, die im Laufe ihrer Geschichte die Macht der Piasten ruiniert hatte. Auch in diesem Fall bestanden die Söhne auf eine Erbteilung mit den abzusehenden verheerenden Folgen für ihr Staatsgebilde. Das Staatsgebiet wurde nach und nach unter die z.T. noch unmündigen Söhne aufgeteilt und ging in den folgenden Jahren durch Fehden untereinander und vor allem im Kampf gegen die Kujawischen Vetter verloren, wodurch es Władysław III. Lokietek gelang, seine Macht erheblich zu erweitern und die seit langem angestrebte polnische Königskrone zu gewinnen. Die Glogauer Piasten haben – mal wieder – ihre historische Chance verspielt.

In diese Übergangsphase nach dem Tod des Herzogs Heinrich III. fällt die erste Erwähnung des Dorfes Laubegast, das zusammen mit dem Nachbarort Gole (= Goile/ Gola) dem Zisterzienserkloster Mariensee (Lacus Mariae) in Fehlen (Wielen, lateinisiert Velen) geschenkt wird. Dieses Kloster war im Jahre 1278 von deutschen Mönchen aus Paradies im Raume Meseritz gegründet und das geschenkte Gebiet war mit deutschen Kolonisten besiedelt worden. Dem benachbarten Adel mißfiel die herzogliche Gunst an die Kirche seit jeher, und immer wieder kam es zu Übergriffen auf klösterlichen Besitz, wie es zur Natur von Raubrittern gehört. Die unbewaffneten und wehrlosen Mönche und Siedler hatten nur die Chance, sich durch die Protektion des Herrschers davor zu schützen, daher wurden immer wieder Klagen an den Herzog eingereicht. Da jener an der Sicherung des umstrittenen Gebietes ebenso interessiert war wie am Gedeihen des Klosterbesitzes, schenkte Herzog Heinrich IV. von Glogau dem genannten Kloster diese beiden Dörfer, die zu seinem persönlichen Besitz gehört hatten, um die erlittenen Schädigungen wieder auszugleichen.

Ausgestellt wurde dieses Dokument in dem herzoglichen Dorf Ylegin (= Ilgen/ Lgiń), das hiermit auch erstmals urkundlich genannt wird.

Unter den Zeugen erscheint auch ein “Thederico de Rechenberg, militibus”, der Soldat Dietrich von Rechenberg, ein Mitglied der späteren Grundherren der Herrschaft Schlawa, zu der auch Laubegast gehören wird.

Der weitere Verlauf der Geschichte teilte dann dieses Grenzgebiet endgültig in eine Zugehörigkeit zu Großpolen oder zu Schlesien. Laubegast wurde schlesisch, während das Klostergebiet zu Großpolen kam. Wann genau und wie diese Grenzziehung erfolgte, ist anhand der Quellenlage nur schwer nachzuvollziehen. Für die Bevölkerung waren diese Jahre eine schwere Zeit. Heftige Regenfälle vernichteten über drei Jahre hinweg die Ernten, und es herrschte im Lande Hunger, der soweit ging, dass es zu Fällen von Kannibalismus kam. 1316 folgte dem Hunger eine Pestepidemie. 1335 wird der bis dahin zu Schlesien gehörende Kreis Kosten (Kościan) Teil des Königreichs Polen, vermutlich war das Klostergebiet damals noch umstritten, denn 1336 schenkt der Glogauer Herzog dem Abt und Konvent von Fehlen das große Dorf Swos (= Schwusen), und im folgenden Jahr holen die Mönche vom schlesischen Lehnsherren, dem böhmischen König, die Erlaubnis ein, hierher übersiedeln zu dürfen. Daß diese Entwicklung dem polnischen König missfallen musste, ist selbstverständlich. Die Eroberung des Fraustädter Landes im Jahr 1343 durch Kazimierz III. Wielki verhinderte die Übersiedlung. Das Klostergebiet gehörte seitdem zur Wojewodschaft Großpolen, also zum Königreich Polen, während die jüngst erworbenen Güter Laubegast, Goile und Schwusen beim Herzogtum Glogau blieben.

In den folgenden Jahrzehnten schweigen die Urkunden bezüglich Laubegast. Es ist zu vermuten, dass das Dorf wieder zum herzoglichen Besitz zählte. Das Zisterzienserklos-ter wurde vom polnischen König in der Folgezeit durch verschiedene Dörfer entschädigt, damit es in seiner Existenz nicht bedroht war. 1379 erhielt es das Vorkaufsrecht für das Schulzenamt in Weine. Kurze Zeit darauf (1382) starb die Dynastie der polnischen Piasten aus und Herzog Heinrich VII. Rampold von Glogau nutzte die Gelegenheit, um das Fraustädter Land oder gar ganz Großpolen zurückzuerobern. Er scheiterte und wurde noch nicht einmal von der (deutschen) Bevölkerung im Fraustädter Land unterstützt. Im Jahr 1408 erhielt das Kloster die Dörfer Blotnik, Radomierz, Biała Góra, das Gut Zaborowo und die Stadt Priment (Przemęt). Damit war die Orientierung weiter gen Osten abgeschlossen.

Oltmanns Strandhof in Laubegast am Schlesiersee

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Oltmanns Strandhof in Laubegast am Schlesiersee
Die Geschichte Laubegasts entwickelte sich in eine andere Richtung. Im Jahre 1468 verkaufte Herzog Heinrich XI. die Herrschaft Schlawa an Melchior v. Rechenberg zu Windisch Borau. Ob damals bereits Laubegast dazu gerechnet wurde, ist nicht erwähnt. 1478 kommt es zum letzten Eroberungsversuch des Fraustädter Landes durch den Glogauer Herzog Johann II. von Sagan. 1481 zieht der zum Raub-ritter degenerierte Herzog auch die Herrschaft Schlawa ein, ehe er dann selber gestürzt wird.

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts erreichen die Rechenberger den Höhepunkt ihrer Macht in Schlesien. Die Grundherrschaft ist auf mehrere Zweige der Familie oftmals in Gütergemeinschaft verteilt. Der bedeutendste Mann jener Zeit war Hans von Rechenberg, der Grundherr von Schlawa. Im Grenzgebiet herrscht zu dieser Zeit eine besonders harmonische Phase der Geschichte, denn der piastische Glogauer Herzog Sigismund (Zygmunt I. Stary) ist gleichzeitig König von Polen. Im Jahre 1506 gewährt er Hans von Rechenberg die Bitte auf Verringerung der Abgaben für seine Güter. Genannt werden: Slave (Schlawa), Stronzeke (Alt Strunz), Redichen (Rädchen), Lobgast (Laubegast), von Windischen Borau und Lynde, ...” (KDS 24, Nr. 65).

Laubegast wird 1510 von Hans und Nickel von Rechenberg “erblich und ewiglich um 150 und etliche ungarische Gulden” als Eigengut gekauft. (KDS 24, Nr. 69), woraus man schließen kann, dass Laubegast nicht ab 1468 zum Besitz der Rechenberger gehört hatte, sondern vielleicht nur gepachtet worden war.

Hans von Rechenberg war ein Freund Martin Luthers und führte schon früh in seiner Schloßkapelle die evangelische Konfession ein, die dann auch in den Dörfern seines Herrschaftsbereiches verbreitet wurde. Auf diese Weise wurden auch die Bewohner von Laubegast Protestanten. Als im 17. Jahrhundert die Gegenreformation in Schlesien wirksam wurde, war es zu spät für eine Reform der Missstände in der katholischen Kirche. Man konnte den Protestanten zwar ihre Kirchen wegnehmen, doch ihrer Glaubensauslegung blieben sie treu.

Im 17. Jahrhundert tobte auch in Schlesien der 30-jährige Krieg, der in weiten Teilen ein Glaubenskrieg war. Als 1634 der evangelische Balthasar von Rechenberg kinderlos starb, übertrug der Kaiser die Herrschaft Schlawa an den damaligen Landeshauptmann Barwitz, Freiherrn Johann Franz von Fernemont (1667). Er führte im Auftrag des Kaisers hier die Gegenreformation durch. 1654 mußte die Kirche in Schlawa an die Katholiken zurückgegeben werden, obwohl in der Herrschaft kaum mehr ein Katholik lebte. Die Bewohner von Laubegast blieben ihrem angestammten Ritus jedoch treu. Wie sie dies bewerkstelligten, ist aufgrund der mangelhaften Quellenlage nicht mehr nachzuvollziehen. Offensichtlich war der Grundherr aber nicht allzu rigide bei der Umsetzung der kaiserlichen Politik. Mit dem Jahr 1740 änderte sich die Situation grundlegend. Friedrich II. von Preußen war in Schlesien eingefallen und entriß in drei langen, verlustreichen Kriegen den Habsburgern diese reiche Provinz. Durch die berühmte Glaubenstoleranz der Hohenzollern, die selber Protestanten waren, wurde auch in Schlawa die freie Glaubensausübung gewährt, und die Stadt erhielt wieder eine evangelische Kirche.

Mit dem Jahr 1793 wurde die seit dem Mittelalter bestehende Grenze beseitigt, indem Preußen sich von Polen große Teile aneignete. Für die Bewohner von Laubegast war dies von untergeordneter Bedeutung. Sie lebten seit Jahrhunderten nach dem Zyklus der Natur, geprägt von den Notwendigkeiten der Landwirtschaft und Fischerei.

Im Jahr 1819 wurde in Schlesien eine Verwaltungsreform umgesetzt, die auch Laubegast betraf. Seit dem Mittelalter war Glogau das übergeordnete Zentrum, nun wurde die Herrschaft Schlawa dem Kreis Freystadt (Kozuchów) zugeordnet. Erst als dieser Kreis 1932 aufgelöst wurde, kehrte Laubegast und die zur Herrschaft gehörenden Dörfer zum Kreis Glogau zurück. Die Nationalsozialisten haben die Auflösung des Kreises Freystadt zwar kurze Zeit später wieder rückgängig gemacht, aber die fernab gelegenen Gebiete um Freystadt blieben, was durchaus sinnvoll war, bei Glogau.

Durch das Zusammenleben mit den Nachbarn und dem Wachstum der Wirtschaft, das auch Handwerker ins Dorf holte, kamen auch katholische Einwohner nach Laubegast. Es waren dies oftmals deutsch- und polnischsprachige Landarbeiter, die hier im Laufe der Generationen auch kleine Höfe erwarben. Nach 1920 optierten jedoch die Mehrzahl der wenigen Polen und verließen Laubegast. Zu den evangelischen Familien im Dorf gehörten vor dem Krieg: Altmann, Becker, Bruse, Büttner, Eckert, Güntzel, Klette, Niere, Wittig und Zyrus. Zu den Katholiken: Kalmutzke, Schönknecht, Spotak, Tartsch und Woitschiski.

Neben den althergebrachten Erwerbsmöglichkeiten kamen im 19. Jahrhundert die Handwerksberufe und im 20. Jahrhundert, seit den ausgehenden 20er Jahren auch der Tourismus, der in der Folgezeit eine immer größere Bedeutung für Laubegast (Lubogoszcz) erlangte.

Auch im Fall von Laubegast zerstört der verbrecherische Weltkrieg die jahrhundertelange Dorfgemeinschaft. Im Januar 1945 kam der Räumungsbefehl, da sich die Rote Armee Glogau näherte. Eine Rückkehr war auch hier nicht mehr möglich.

Dr. Martin Sprungala, Heinrichstr.56, 44137 Dortmund, www.sprungala.de

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