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Die heutige Festrede, die Festrede zum 26. Bundesheimattreffen und zum 50jährigen Jubiläum des Glogauer Heimatbundes e.V., soll beginnen mit dem Wort GLOGAU und dieses Wort, das für uns viel mehr ist als nur ein Wort, wird in ihr immer wiederkehren, wird der "rote Faden" sein. GLOGAU - eine Rede zum Lobe der im Jahre 1945 weitgehend vernichteten und heute, in ihrem Wesen sehr verändert, neu ins Leben getretenen Stadt.
- Gelegen im fruchtbaren Tale der Oder, vor fast 1200 Jahren, und zwar 1010 das erstemal erwähnt;
- hinübergewachsen von der rechten auf die linke Oderseite,
- die Domkirche, von Sagen umwoben, der Mittelpunkt;
- der Sitz der Herzöge von Glogau, die zur großen Familie der Piasten gehörten; 1253 mit dem Magdeburger Recht zur Stadt geworden;
- markant das Schloß mit dem Hungerturm, der vom Freiheitswillen der Glogauer Ratsherren kündete und kündet;
- eine Gegend, von Geschichte durchdrungen, und der Boden von Blut getränkt, besonders im 30jährigen Krieg;
- vorher, im 16. Jhdt., unter der Herrschaft der Habsburger, die Blütezeit erlebend und mit Breslau um den ersten Platz unter allen schlesischen Städten konkurrierend;
- die Entwicklung zur österreichischen, dann zur preußischen Festung - zugleich Gewinn und Gefährdung und Verlust bedeutend;
- unter Napoleon I. das Zurückfallen zugunsten von Liegnitz.
Endlich begann die planmäßige Erweiterung Glogaus nach Beseitigung vieler Festungsanlagen;
- um 1930 war Glogau eine Stadt der Schulen
und der Kirchen (Wir denken an die herrliche Madonna des Lukas Cranach im Dom) und der Kultur (in der Tradition von Andreas Gryphius).
Die Kasernen und die Soldaten waren geblieben und belebten das Bild, aber hinzugekommen waren die herrlichen Parkanlagen und der Rosengarten, war der Grüngürtel.
In Glogau ließ sich gut leben, was auch für die Juden galt, die seit 1300 in dieser - wie sie sagten - "Stadt des Glaubens" lebten. Dann aber kam das Jahr 1933, es kam 1938 mit dem Brand des jüdischen Heiligtums und 1945 der Untergang Glogaus.
Lasen Sie mich jetzt einige Verse des Max v. Schenkendorf zitieren. Wer kennt ihn noch den ostpreußischen Dichter aus der Zeit des deutschen und europäischen Freiheitskampfes gegen Kaiser Napoleon I.?
"Was vergangen, kehrt nicht wieder.
Aber ging es leuchtend nieder,
leuchtet's lange noch zurück."
Der Dichter wird gedacht haben an ein schönes Leuchten. Aber das Leuchten Glogaus im Frühjahr 1945 war erschütternd, war grausam, war Ausdruck einer Katastrophe, eines Infernos. Und das, was dann kam, nach der Kapitulation, war fürchterlich und soll hier nicht weiter ausgeführt werden. Auskunft gibt das von Prof. Dr. Ferdinand Urbanek zusammengestellte Buch "Exodus - 1945/46. Flucht, - Besatzungs- und Vertreibungsschicksale aus Stadt und Landkreis", herausgegeben vom Glogauer Heimatbund.
Aber neben dem schauderhaften Brennen der Heimatstadt gab und gibt es ein anderes Leuchten, ein schönes, und zwar in den Herzen der Glogauer. Sie mussten mit großer Trauer ihre Heimat verlassen, wurden zerstreut in alle Winde, die einen z.B. nach Mitteldeutschland, die anderen nach Franken, in den Kreis Alfeld oder den Raum Hannover. Sie unternahmen keine Anschläge gegen die Soldaten der Besatzungsmacht, sondern spuckten in die Hände, arbeiteten - oft fleißiger als die Nichtvertriebenen - für den Lebensunterhalt. Was wäre aus Deutschland, v.a. aus seinen westlichen Besatzungszonen, geworden, ohne die Leistung der Heimatvertriebenen? Ob es sich auch so relativ rasch von den kriegsbedingten Verlusten erholt hätte und zu wirtschaftlicher Blüte gelangt wäre? Fragezeichen!
Trotz aller Sorge um das tägliche Brot fühlten und dachten viele Glogauer - nicht alle - an die Heimat an der Oder, empfanden Heimweh, spürten Wehmut und auch Trost in der Erinnerung, besaßen ein oft verklärendes Leuchten im Herzen und träumten vom Osten. Zu den hervorragenden, zu den charakteristischen Eigenschaften der (deutschen) Schlesier gehörte/gehört die Heimatliebe, heute von unangenehmen Zeitgenossen manchmal als "Heimattümelei" verspottet. - Wenn Sie jetzt an den Bunzlauer Spötter Dieter Hildebrand denken - dann denken Sie richtig.
Und nun möchte ich Ihnen einige Beurteilungen über Glogau und das Glogauer Land aus der Literatur zu Gehör bringen, Worte aus mehr oder weniger erlauchtem Munde.
Joseph Carl Benedikt Freiherr v. Eichendorff hat als Studiosus eine Auszeit genommen, um sich der Verwaltung der väterlichen Güter zu widmen. Im Herbst 1809 fuhr der 21jährige oderabwärts, also Richtung Stettin, und notierte: "Als ich zum ersten male wieder aufs Verdeck hinauskam, fuhren wir unter der Brücke von Großglogau weg. Glogau, das hart an der Oder liegt, übersieht man von hier mit seinen weitläufigen Festungswerken, Türmen und alten großen Gebäuden fast ganz. Zeitig am Abend endlich legten wir uns unter dem Städtchen Beuthen, das an der Oder auf ziemlich hohen, steilen und kahlen Hügeln voll Schuften (= Schluchten) sonderbar gelegen ist, in dem geräumigen Hafen vor Anker ... Gleich bei Beuthen passierten wir ein furchtbares Wehr glücklich. Gen (= gegen) 9 Uhr segelten wir bei dem Marktflecken Carolath (dem Fürsten von Schoenaich gehörig) vorbei. Das große altritterliche Schloss des Fürsten mit dem Burgwege und der langen Front paradiert nebst den dazugehörigen Glashäusern und Gärten herrlich auf einem Berge über der Oder. Rechts liegt der Marktflecken alt und garstig auf den Hügeln zerstreut. Große Mengen besegelter Schiffe, die hier auf- und niedergehen ..." Soweit der Dichter.
120 Jahre danach, 1926, urteilte der Breslauer Kunsthistoriker Professor Kurt Bimler über Glogau wie folgt: "einst die machtvolle Nebenbuhlerin Breslaus an der Schlesischen Oder, in allen Jahrhunderten neu erblühend und aus Belagerungen und gewaltigen Bränden verjüngt erstehend, in der Haltung der (monumentalen) Bauten fast jeder Zoll von Adel." Sie gibt, "die bis auf die neueste Zeit wehrhafte trotzige Stadt, schon in ihrer gedrängten Reihe ragender Türme aus allen Entwicklungsperioden eine in Holz und Stein eigenartig verfasste, vollständige Stilgeschichte ihres architektonischen Werdens. ... Die Stadt selbst ist ein Kunstwerk, gesegnet mit reichen Gaben alter und junger bildnerischer Kultur, zaubervoller Vergangenheit und genussvoller Gegenwart, eine fürstliche Perle, eingebettet in ein fruchtbares grünes Tal ..., der Besichtigung durch Fremde und Freunde wert, die das Schöne in der Heimat suchen und es hier auch finden."
Die beiden christlichen Kirchen besaßen im Glogauer Lande sehr viele Gläubige und entfalteten ein reges Leben. Dafür ein evangelisches Zeugnis!
Im Jahre 1931 fand eine dreiwöchige Generalkirchenvisitation des Kirchenkreises Glogau durch einen Ausschuss statt, den der Generalsuperintendent der Kirchenprovinz Schlesien, D. Dr. Martin Schian aus Breslau, leitete. Damals wurde das Buch "Kirche unterm Kreuz" veröffentlicht, aus dem ich folgende Worte des Glogauer Superintendenten Werner EBERLEIN zitiere:
"Da darf ich denn mit großer Freude und Dankbarkeit feststellen, dass Glogau ein ausgesprochen kirchlicher Kreis mit starkem kirchlichen Sinn ist. Es ist doch eine helle Freude, wenn wir die Gemeinden zu den Gottesdiensten in solcher Fülle strömen sehen. Und das in einer Zeit, die im tiefen Grunde unkirchlich ist, in der der Kirchgang weithin aufgehört hat, zu den schlichten Selbstverständlichkeiten zu zählen. Wer aber etwa den Ostergottesdienst 1930 im 'Schifflein Christi' miterlebte und die 300 Personen, die ihn besuchten, einen Augenblick vor den Kirchtüren sich drängen sah, der hat einen überwältigenden Eindruck von der Größe der Ostergemeinde empfangen. Oder wer eine Christnachtfeier um 4 Uhr in der Friedenskirche mitfeierte, dem wird der Anblick der Tausende, die Kopf an Kopf gedrängt stehen, zu dem Unvergesslichsten gehören, was er erleben konnte. Aber es ist nicht etwa nur in der Stadt so." Zitatende! Freilich weist Eberlein auch auf ein großes Problem hin, an das sich manche von Ihnen vielleicht noch erinnern werden: Im Winter waren die meisten Kirchen bitterkalt.
Der Glogauer Theaterbetrieb hatte in den 20er und 30er Jahren des 20. Jhdts. unter den wirtschaftlichen Nöten und dann dem politischen Zwang zu leiden. Dennoch konnte sich das Stadttheater, gelegen an der Ostseite des Marktes, durchaus sehen lassen. Mir ist ein Blatt zugeflogen, aus der "Schlesischen Volkszeitung" in Breslau, die zu den führendsten ostdeutschen Presseorganen gehörte, eine Rarität aus dem Jahre 1934 oder 1935.
Der Bericht kommt aus der Feder eines Breslauers, der in Glogau die Erstaufführung von Friedrich Schillers "Maria Stuart" besuchte und trägt den Titel "Glogau und sein Theater". Hieraus sei zitiert:
"Seit Jahren bin ich in Breslau eifriger Theaterbesucher und auch für große Blätter theaterkritisch tätig. So wird man es mir nicht verargen, wenn ich der Anregung meiner Glogauer Freunde, bei meinem Glogauer Wochenende auch dem Theater einen Besuch abzustatten, zunächst mit ein wenig kühler Zurückhaltung gegenüberstand. Es wurde aber eine wirkliche angenehme Enttäuschung. Wenn schon das Theater selbst alle Erwartungen übertraf, so bedeutete die "Maria Stuart"-Aufführung eine wahre Überraschung für mich. Trefflich hielt der Regisseur Dr. Krüger die von ihm gewählte künstlerische Grundlinie inne; in raschem Tempo, in knappster, zusammengedrängter Form, unter scharfer Herausarbeitung der dramatischen Melodie wurde Schillers innerlichstes Drama theatralische Wirklichkeit. ... Glogau kann stolz sein auf sein Stadttheater und auf diese Schillerfeier. Der Besuch war am Sonnabend recht gut. Er sollte immer so bleiben!..." Verfasst wurde die Theaterkritik von Dr. Karl Schindler. Ich lernte ihn lange nach dem Kriege kennen, freundschaftlich kennen, als er in München Studiendirektor war.
Als letzten Lobsänger Glogaus möchte ich hier Professor HEINO SCHUBERT, Jg. 1928, benennen, der zu den führenden deutschen Kirchenkomponisten gehört und im Jahre 1988 uns beim Glogauer Heimattreffen musikalisch erfreute. Es geht um das Musikleben in unserer Heimatstadt. Schubert besuchte die Oberschule, die "Rote Penne", nachdem wir in der Felbiger-Schule Klassenkameraden gewesen waren. Zitat: "...kam ich eine Zeit lang unter die musikalischen Fittiche von Herrn Dr. Schnabel. In seinem Schulorchester wirkte ich als Cellist, Flötist oder Pianist mit. Dr. Schnabel leitete auch den Chor der städtischen Singakademie." "Die ersten musikalischen Eindrücke in der Kirche waren die Klänge des Knabenchors in der Jesuitenkirche, den Dr. Alois Schnabel leitete. (Hin und wieder kam auch einmal ein klatschender Laut von der Empore herunter, wenn einer der Jungen gerade eine Backpfeife bekommen hatte . . .)
Ich habe diesen Knabenchor als etwas ganz Wunderbares in der großartigen Atmosphäre und Akustik dieser weiträumigen Jesuitenkirche in Erinnerung. Dann hatten wir noch die Nikolauskirche (Pfarrkirche) mit einem beachtlichen Kirchenchor, der übrigens auch zuweilen in Breslau im Funk gesungen hat." Eine Anmerkung zu Dr. Schnabel und den Ohrfeigen. Er ohrfeigte tatsächlich recht munter, gehörte aber zu den beliebten Lehrern. Na ja: In der Turnhalle gegenüber dem jüdischen Friedhof befand sich an der Wand der Spruch: "Schnell wie Windhunde, zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl!" Es passt also alles irgendwie zusammen.
Gegenüber dem jüdischen Friedhof, so sagte ich. Gelegentlich konnte man dort einzelne ältere Menschen gehen sehen, von Sorgen geplagt, "mühselig und beladen", wie es in der Hl. Schrift heißt, die Gräber ihrer Lieben besuchend. Jüdische Gräber sind nach dem Gesetz der Israeliten unantastbar, sind ewig. Was von ihnen zur deutschen Zeit noch übrig geblieben war, wurde nach 1945 vernichtet - wie auch ich auf der Suche nach ihnen feststellen musste: völlig überbaut. Leider, leider!...
In Treue zur Heimat kamen ab 1949Glogauer Heimatfreunde zusammen, vor allem in Hannover, begannen sich zu organisieren und freuten sich darüber, dass 1952 die Landeshauptstadt von Niedersachsen die Patenschaft über die Stadt und den Landkreis Glogau übernahm. 1953 wurde in Hannover die 700 Jahre vorher erfolgte Gründung Glogaus in Hannover gefeiert, mit über 3000 Teilnehmern von nah und fern, und die Patenschaft übergab den Patenkindern einen Teil des sehr hübschen alten Hauses in Herrenhausen zur Miete, das als HAUS GLOGAU für Jahrzehnte die von Leben erfüllte Zentrale der aus Glogau Vertriebenen wurde. Treibende Kräfte der Heimattreuen waren die Herren Richard Peschel und Herbert Felgenhauer, doch machten sich im laufe der Jahre sehr viele andere hingebungsvoll nützlich, von denen nur wenige hier namentlich erwähnt werden können. 1954 trat der GLOGAUER HEIMATBUND e.V. ins Leben, der in demselben Jahre mit der Herausgabe einer eigenen Zeitung begann: Der NEUE GLOGAUER ANZEIGER war geboren, vor nunmehr 50 Jahren. Wir können also jetzt das 50jährige Jubiläum unseres Heimatbundes e.V. und unserer monatlich erscheinenden Heimatzeitung begehen uns über beides freuen, den Verantwortlichen der früheren Zeiten und der jetzigen Tage herzlich danken. Und wir können auch stolz sein auf das Geleistete, freilich verbunden mit dem festen Willen, das Erbe zu bewahren und weiterzuführen! Herr Heinz Knappe hat 1999 im NGA ausführlich über das Thema informiert.
6 Aktivitäten seien hier von mir hervorgehoben:
1. Die Durchführung der Bundesheimattreffen der Glogauer, fast immer in Hannover. Jetzt zum 26. Mal.
2. Die Arbeit der Bezirksgruppen, von Schleswig-Holstein bis München und von Düsseldorf über Berlin, endlich nach dem Zusammenbruch der DDR bis nach Halle an der Saale.
3. Die Erarbeitung des Buches "Das war Glogau. 1913-1945" in der Zeit des Vorsitzenden Hans-Joachim SCHELENZ, der von 1984-1998 amtierte.
4. Die Anknüpfung guter Beziehungen zu der polnischen Stadtregierung von Glogau, bei der sich Dr. Klaus Schneider besonders engagierte.
5. Die hervorragende Arbeit der Geschäftsstelle in Hannover, die Schelenz, dem Außenpolitiker und Kulturförderer, den Rücken freihielt. Auch hier nur einige Namen: Herr Heinz Knappe, Frau Maria Schalm, Frau Marion Letz.
6. Der "Neue Glogauer Anzeiger". Er ist auf das Engste mit dem Heimatbund verknüpft, bringt allmonatlich viel Interessantes und viel Freude ins Haus Ein besonderer Dank gebührt hier dem Heimatfreund Hellmut RIEGER, der - sage und schreibe - 38 Jahre lang die Heimatzeitung verantwortlich betreute und leitete.
Die Bilanz kann sich durchaus sehen lassen; die Bilanz ist gut. Die Parole heißt: Weitergehen auf bewährten Wegen, auch wenn und obwohl die Zahl der deutschen Glogauer leider viel kleiner geworden ist!
Und nun, am Ende meiner Ausführungen, eine herzliche Gratulation dem GLOGAUER HEIMATBUND e.V. und dem NEUEN GLOGAUER ANZEIGER zum 50jährigen Jubiläum. Ihnen allen, sehr verehrte Anwesende, vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und gute Wünsche für das persönliche Wohlergehen.
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