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Die älteste - auch in der Ausstellung gezeigte - Spezialkarte von Schlesien erschien 1544 in der ,,Kosmographie" des Sebastian Münster. Sie zeigt Schlesien zu der Zeit, als es noch böhmisches Leben war. Der Breslauer Pädagoge Martin Helwig schuf 1561 die erste durch Beobachtung und Messung gewonnene Karte Schlesiens, das 1526 an das österreichische Herrscherhaus Habsburg gekommen war. Mit ihr beginnt die schlesische Kartographie. Sie blieb bis zur Schlesien-Karte des Jonas Scultetus im Jahr 1635 das Vorbild aller schlesischen Landkarten. Die Landkarten des HeIwig- und.Scultetus-Typs wurden von den Kartenverlagen in Deutschland, den Niederlanden, Frankreich, England und Italien vielfach kopiert.
Das Schaffen des schlesischen Kartographen Jonas Scultetus (1603-1664) aus Sprottau bildet einen von drei Schwerpunkten der Ausstellung. Scultetus konnte sich bei seinen Kartenentwürfen auf keine genaue Vermessung und Aufnahme des Landes stützen. Es mangelte ihm an Vorarbeiten, Zeit und Geld. Er stützte sieh deshalb auf vorhandene Orts- und Reisebeschreibungen und seine gute Ortskenntnis von Schlesien. Seine Kartenentwürfe fanden ab 1638 durch die Amsterdamer Kartenverleger Hondius, Janssonius und Blaeu eine weite Verbreitung in Europa. Die Darstellung der Siedlungen ist hier exakter, als es bis dahin üblich war. Scultetus' Karten der schlesischen Fürstentümer oder Herzogtümer Glogau, Wohlau, Breslau, Liegnitz undNeisse-Grottkau sowie der Grafschaft Glatz stellen die politisch-administrative Struktur Schlesiens heraus. Diese Karten behielten für rund hundert Jahre Gültigkeit, wurden vielfach kopiert und erst Mitte des 18. Jahrhunderts durch den ebenfalls in der Ausstellung vorgestellten ,,Atlas Silesiae" ersetzt.
Einen zweiten Themenschwerpunkt bildet die Vielfalt der kartographischen Produkte des Verlages von Carl Flemming in Glogau. Dieser bedeutende schlesische Verlag entwickelte sich in seiner fast hundertjährigen Firmengeschichte (1833-1932) zu einer der größten kartographischen Anstalten in Deutschland. Weit über 1.000 Karten und Atlanten trugen Flemmings Impressum.
Carl Flemming, 1806 in Gröbern bei Leipzig geboren, erhielt im Leipziger Buchhandel seine Ausbildung und kam nach vorübergehender Tätigkeit in Glogau, Torgau und München 1833 nach Glogau zurück. Hier kaufte er die 1790 gegründete ,,Neue Günthersche Buchhandlung" mitsamt Buchdruckerei, die von da an seinen Namen führte. 1839 gründete Flemming eine eigene kartographische Anstalt, die der junge Kartograph Handtke leitete. Daneben erschienen Atlanten für höhere Schulen, zahlreiche Karten für die Verwaltung sowie Karten der Kriege in der Zeit von 1853 bis 1918. Flemmings erster Schulatlas erschien 1839, seine 30. Auflage um 1910. Ferner publizierte Flemming Geschichtsatlanten, Verwaltungskarten preußischer Provinzen und Regierungsbezirke, Reise- und Eisenbahnkarten und andere thematische Karten, dazu Kriegs- und Sonderkarten von Kriegsschauplätzen. Den Ruf des Verlages begründeten die Herausgabe Reymannnschen Kartenwerks ,,Übersichtskarte von Mitteleuropa 1:200.000" zwischen 1844 und 1875 sowie des ,,Vollständigen Handatlasses der neueren Erdbeschreibung" zwischen 1841 und 1906. Die vom schIesichen Militärkartographen und Plankammer-Inspektor Gottlob Daniel Reymann (1759-1837) begründete ,,Geographische (später: Topographische) Spezialkarte von Deutschland", die klassische Militärkarte Mitteleuropas im Maßstab 1:200.000, war zunächst in 150 Blättern erschienen. Flemming erweiterte sie auf 393 Blätter. 1875 verkaufte er das Reymann-Kartenwerk an den preußischen Großen Generalstab, was die militärische Bedeutung der Karten erhellt.
Am Ende der 1860er Jahre beschäftigte das Verlagsunternehmen rund 200 Mitarbeiter, darunter viele Zeichner, Radierer, Steindrucker, Kupferstecher und Buchbinder. Der anhaltende Erfolg bewog Flemming zum Bau, eines neuen Verlagsgebäudes in der damaligen Bahnhofstraße. Das ,,Flemming-Haus" war bis zu seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg das größte und prächtigste Gebäude in Glogau. 1907 wurde der Hauptsitz der Firma nach Berlin verlegt; in Glogau verblieb die Druckerei. Im Mai 1919 wurde der Flemming-Verlag mit dem Breslauer Verlag C.T. Wiskott vereinigt; der neue Firmenname lautete nun "Carl Flemming und C.T. Wiskott Aktiengesellschaft für Verlag und Kunstdruck, Berlin und Glogau". Der Schwerpunkt der Produktion dieses bis zu 400 Mitarbeiter starken Unternehmens lag bei Büchern, Kunstreproduktionen und Zeitungen. In den Jahren 1923 bis 1927 bestand eine Zusammenarbeit mit dem Ullstein Verlag in Berlin, z.B. beim Druck von ,,Ullsteins Weltatlas". In Folge der Weltwirtschaftskrise musste 1932 der Verlag seine Arbeit einstellen.
Schlesischer Kulturspiegel I/04
(Text v.d. Redaktion des GHB gekürzt)
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